Ausgrenzungen
eines Einen
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Marco Jentzsch (li.) als Peter Grimes an der Oper Köln | Foto (C) Bernd Uhlig
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Bewertung:
Noch immer (und wie lange eigentlich dann noch?) fristet die Oper Köln ihr materiell-technisches Dasein in den Ausweichstätten "Staatenhaus", Saal 1, Saal 2, Saal 3 - vorher (seit 2013) bespielte sie das Blaue Zelt am Rhein und andere Behelfsbühnen. Das Alles währt bereits über fünf Jahre; und die Dauerbaustelle am Offenbachplatz will und will nicht enden...
Aus der Not der Tugend kam es freilich in den letzten Jahren zu durchaus bemerkenswerten Produktionen, die der standesgemäßen Reputation des Hauses dienlich waren - und sowohl die jeweiligen Aufstellungen des Orchesters wie auch bühnenbildnerischer Angleich an die jeweiligen Saal-Gegebenheiten variierten da auf zweckdienliche und v.a. kreative Weise; ich erinnere mich beispielsweise und spontan an Parsifal, Lucia di Lammermoor, Die Gezeichneten oder an Mare Nostrum von Mauricio Kagel...
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Nunmehr kam es [letztmals gestern Abend live erlebbar] zu einer fulminanten Darreichung des Peter Grimes von Benjamin Britten.
Der trotz seines jungen Alters mit Neuer und neuerer Musik bereits gestählte und erfahrene britische Dirigent Nicholas Collon (*1983) positionierte das vorzüglich drauf gewesen seiende Gürzenich-Orchester linkerseits in einem von Podest zu Podest ziemlich steil aufsteigenden Gerüst, von dessen Mitte aus er dann das musikalische Geschehen - immer auch in Richtung rechts zur Bühne - "kontrollierend" fest im Griff behielt.
Anna Jones stilisierte mit dem Auf- und Einbau einer hölzernen und breitwandigen Galerie nebst (in realo funktionierender) Orgelempore und den vielen Kirchenbänken unten drunter eine schier beängstigende sektenhaft-sakrale Atmosphäre, die das Stück von seinem Inhalt her natürlich vollkommen bestimmt - es geht um die gewalttägige Unterwerfungsabsicht einer provinziellen und nicht minder engstirnigen Glaubensgemeinschaft gegenüber einem ihrer ungeliebten und (noch mehr:) unangepassten Mitglieder; am Anfang und am Ende stand und steht der Titelheld unter dem dringenden Verdacht des Kindesmords, der Fischer Peter Grimes brauchte und braucht die Hilfe eines Schiffsjungen, und jedesmal kehrt(e) er ohne ihn zurück. Ein Ausschlag gebendes Indiz, welches auf eine etwaige (und womöglich kindesmissbräuchliche) Straftat schließen lassen könnte, ist ein separat vom Meer zum Ufer angespültes Kleidungsstück des Jungen, was man ihm natürlich vorher hätte auszieh'n müssen, ehe es von sich aus dann zum Strandgut wurde...
Frederic Wake-Walkers Rollensympathie liegt - nicht viel unvermeidlicher als wie bei Britten selbst und auch dem sich wohl jedes Mal auf Peter Grimes' trauriges Außenseiterschicksal einschießenden Publikum - eindeutig bei dem Titelhelden, den er folgerichtig physisch als wie psychisch angreif- und verwundbar inszeniert; ja und in Marco Jentzsch fand er einen der derzeit weltbesten Verkörperer, es dürfte DIE Rolle für Jentzsch, die er die letzten Jahre hier gesungen und gespielt hatte, gewesen sein!
Voll exemplarischer Vokal- und Spielwucht: Chor & Extrachor der Oper Köln (Choreinstudierung: Rustam Samedov) - gewiss der eigentliche Hauptakteur und Star des eindrücklichen Abends!!
Bravi über Bravi.
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Peter Grimes an der Oper Köln | Foto (C) Bernd Uhlig
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Andre Sokolowski - 9. Dezember 2018 ID 11093
PETER GRIMES (Staatenhaus, 08.12.2018)
Musikalische Leitung: Nicholas Collon
Inszenierung: Frederic Wake-Walker
Bühne und Kostüme: Anna Jones
Licht: Andreas Grüter
Chöre: Rustam Samedov
Dramaturgie: Georg Kehren
Mit: Marco Jentzsch (Peter Grimes), Ivana Rusko (Ellen Orford), Robert Bork (Balstrode), Malgorzata Walewska (Auntie), Monica Dewey und Kathrin Zukowski (2 Nichten), Dino Lüthy (Bob Boles), Lucas Singer (Swallow), Rebecca de Pont Davies (Mrs. Sedley), Philip Sheffield (Horace Adams), Wolfgang Stefan Schwaiger (Ned Keene) sowie Darren Jeffery (Hobson)
Chor und Extrachor der Oper Köln
Gürzenich-Orchester Köln
Premiere an der Oper Köln: 28. November 2018
Weitere Infos siehe auch: http://www.oper.koeln
http://www.andre-sokolowski.de
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