Bohrinsel
und
Molensteeg
|
Heli Veskus als überragende Senta in Der fliegende Holländer an der Estnischen Nationaloper Tallinn | Bildquelle: opera.ee
|
Bewertung:
An der Estnischen Nationaloper Tallinn führte vor ungefähr drei Jahren die noch ziemlich junge Italienerin Pamela Recinella bei Wagners Fliegendem Holländer Regie; die kurzweilige und z.T. knallbunte Produktion hält sich seither stabil im Repertoire - auch weil sie, wie wir das jetzt live an Ort und Stelle überprüfen konnten, über alle Maßen stimmig ist:
Die Regisseurin und ihr (ebenso recht junger) griechischer Ausstatter Yannis Thavoris versetzten den genialen Jugendstreich des Dichterkomponisten abwechselnd auf eine Bohrinsel irgendwo draußen im Atlantik und in rotlichtig gerahmte Sexarbeiterinnen-Studios des Amsterdamer Molensteegs; selbst eine Galerie mit eingepreister Vernissage kommt in der pfiffig "aktualisierten" Handlung der zwei AktionistInnen selbstredend vor - alles kreist selbstverständlich um das merkwürdige Wahn- und Künstlerinnenleben Sentas, deren malerische als wie geistige Spezialergüsse hinsichtlich des sie total besetzt habenden (Künstler-)Themas "Holländer" durch gleich mal sieben pantomimende und tanzende Gestalten (= Holländer's mit Tierköpfen) verselbständigt und also verlebendigt werden; ganz zum Schluss sieht man dann Senta übrigens noch immer an dem einzigeinen Ewigkeitsmotiv herumpinseln, als wäre vor ihrem verfluchten Hausfrauen-Gekrakel nichts sie weiter Irritierendes - auch nicht diese Finalszene, wo sie den Holländer mit einem Colt so einfach abknallte - passiert. Ein Hirngespinst halt und nicht mehr und auch nicht weniger...
*
Dem SängerInnenpersonal sieht man die ungestüme Spiellust, die sie dieser feschen als wie frechen Inszenierung zustimmendermaßen zollen, an. An allererster Stelle muss in dem Zusammenhang das klar und kräftig singende Seemänner-Spinnerinnen-Aufgebot des wunderbaren Estonian National Opera Chorus Erwähnung finden!
Nicht minder klar und kräftig ragen Heli Veskus (als Senta) oder Jyrki Anttila (als Erik) raus!!
Auch Rauno Elp (als Holländer), Märt Jakobson (als Daland) oder Helen Lokuta (als Mary) und Mart Madiste (als Steuermann) gefallen gut.
Vello Pähn dirigierte das Estonian National Opera Orchestra, welches sturmschnellhafter Weise eruptieren, doch auch lauschig-leise musizieren kann.
|
Der fliegende Holländer an der Estnischen Nationaloper Tallinn | Bildquelle: opera.ee
|
Für eingefleischte WagnerianerInnen, die weltweite Pilgerfahrten wegen ihres Lieblings nicht und niemals scheuen, wäre wohl dann auch Tallinn ein lohnenswertes Ausflugsziel, doch, doch; wir wissen, was wir schreiben.
Also nichts wie hin.
|
Andre Sokolowski - 15. Juni 2019 ID 11500
DER FLIEGENDE HOLLÄNDER (Opernhaus Tallinn, 13.06.2019)
Musikalische Leitung: Vello Pähn
Inszenierung: Pamela Recinella
Ausstattung: Yannis Thavoris
Licht: Matt Haskins
Choreografie: Daniel Kirspuu
Video: Apparati Effimeri
Besetzung
Der Holländer ... Rauno Elp
Daland ... Märt Jakobson
Senta ... Heli Veskus
Erik ... Jyrki Anttila
Mary ... Helen Lokuta
Steuermann ... Mart Madiste
Estonian National Opera Chorus & Orchestra
Premiere an der Rahvusooper: 22. September 2016
Weitere Termine: 18., 21.12.2019 // 18., 20.06.2020
Weitere Infos siehe auch: http://www.opera.ee/
http://www.andre-sokolowski.de
Kulturspaziergänge
Opernpremieren
Rosinenpicken
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!
Vielen Dank.
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
CD / DVD
INTERVIEWS
KONZERTKRITIKEN
LEUTE
NEUE MUSIK
PREMIERENKRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|