Rosinenpicken (506 | 507)
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Mehta,
Rosenkavalier,
Argerich
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Camilla Nylund als Feldmarschallin in André Hellers Inszenierung Der Rosenkavalier an der Staatsoper Unter den Linden | Foto (C) Ruth Walz
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Musikalische Bewertung:
Zubin Mehta (83) wirkt seit Herbst vorigen Jahres unermüdlich in Berlin, vor Kurzem also erst erlebten wir ihn bei zwei Philharmoniker-Konzerten, danach übernahm er alle anstehenden Falstaff-Dirigate an der Staatsoper, tat nebenbei noch im Boulezsaal debütieren, und jetzt - top aktuell - hat er den neuen Rosenkavalier Unter den Linden einstudiert und wird dortselbst noch bis zum Monatsende hiermit live erlebbar sein.
Viereinhalb Stunden (inkl. Pausen) braucht es, um in seine "Sicht der Dinge" peu à peu hinabzutauchen, und - es lohnt sich alles das bewusstseinsaufhellend zu hören, währenddessen man, auch wegen Straussens hochsublimem kammermusikalischem und durchaus rauschig anmutendem Klang, die steile Marschallinnenthese aus dem Ersten Aufzug, "Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding", gemütlich sacken lassen kann. Mehta schlägt einen ziemlich gleichbleibenden Takt, vermeidet jede Art von oberflächlichender Exaltiertheit und bleibt trotzdem dem meist Lustig-Leichten, Heiter-Hellen dieser zweideutbaren Partitur nichts schuldig. Er hält halt vor allem Maß und schnappt sonach nicht über; bei den Musikerinnen und Musikern der strausserfahr'nen Staatskapelle Berlin scheint er, allein was dieses Werk angeht, ein Idealpartner zu sein. Mehta vollzieht an sich und uns eine unkorrumpierbare Demonstration gelebter resp. angemahnter Altersweisheit. Kurz: Der Rosenkavalier war/ist SEIN großes Ding!
Mit Günther Groissböck (dem derzeit weltbesten Ochs von Lerchenau!) sowie dem Frauen-Trio um Camilla Nylund (als Feldmarschallin), Michèle Losier (als Octavian) und Nadine Sierra (als Sophie) standen ihm handverlesene ProtagonistInnen zur Seite.
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Es gab drei mehr oder weniger "baulich" gemeinte Grundideen des herbeibemühten Weltbürgers und Tausendsassas André Heller, die er seiner Inszenierung an der Lindenoper dienstbeflissen auferlegte, und zwar analog der drei Aufzüge aus Hofmannsthal/Strauss' Komödie für Musik: japonistisches Schlafgemach, Palais im Stil von Klimt, marokkanisches Palmenhaus. Das war dann auch rein optisch so erkennbar, und obgleich sich Xenia Hausners wichtigtuerisches Künstlerinnenbühnenbild vor allem durch die beiden die gesamte Bühne einschl. Orchestergraben quasi kleingepresst habenden blauen Riesenseitenmauern (mit acht Bullaugen) manifestiert haben wollte; sah vollkommen scheiße aus. Kosümdesigner Arthur Arbesser kreierte auffällig zu Tragendes, besonders sehenswert das Feldmarschallinen-Outfit im letzten Akt; wow [s. Foto oben]!! Ja und hätte man nicht auf die "Mitarbeit Regie" von Wolfgang Schilly wohlweislich zurückgegriffen, wären die Personenführungen vielleicht nur halb so professionell gewesen...
Zum Vergleich: Die beiden nach wie vor gespielten Berliner Rosenkavaliere von Götz Friedrich (DOB) und Andreas Homoki (KOB) waren/sind ungleich viel, viel besser.
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Nadine Sierra (als Sophie) und Michèle Losier (als Octavian) in André Hellers Inszenierung Der Rosenkavalier an der Staatsoper Unter den Linden | Foto (C) Ruth Walz
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Außerdem:
Mehta & Martha Argerich (79) ließen tags darauf (in der Philharmonie) Ravels Klavierkonzert G-Dur zum Klingen bringen - kurz nachdem die üppig aufgestellte Staatskapelle mit La Valse in einem prima durchgehaltenen Dreivierteltakt aufwartete.
Das mittels Peitsche angetrieb'ne Stück vermag in seinen beiden impulsiven Außensätzen kaum Orchester und Klavier denn groß zu unterscheiden, und man hat den hörerischen Eindruck, dass das Soloinstrument quasi "nur" eine Art von Alibifunktion erfüllt - stimmt freilich nicht, also nicht ganz, denn wenn man was genauer hinhörte, gab's (außer fürs Klavier) noch weitere sehr schöne Solostellen beispielsweise von und mit der Harfe, die von Stephen Fitzpatrick besonders meisterlich gezupft wurde.
Und für die Argerich bedeutete der Mittelsatz (Adagio assai) vielleicht auch, dass sie sich - natürlich ganz in unserem auf pure Hochgenüsslichkeit fixierten HörerInnensinn - entgegenkommend einzustellen wusste.
Großer Gruppenjubel für die beiden irgendwie doch ewig jung bleibenden Oldie-Superstars!!
[Es gab auch noch Le Sacre du printemps, doch für Strawinsky reichte unser Durchhaltevermögen diesmal leider nicht.]
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Andre Sokolowski - 24. Februar 2020 ID 12027
DER ROSENKAVALIER (Staatsoper Unter den Linden, 22.02.2020)
Musikalische Leitung: Zubin Mehta
Inszenierung: André Heller
Bühnenbild: Xenia Hausner
Kostüme: Arthur Arbesser
Licht: Olaf Freese
Video: Günter Jäckle und Philip Hillers
Choreinstudierung: Anna Milukova
Dramaturgie: Benjamin Wäntig
Besetzung:
Feldmarschallin ... Camilla Nylund
Ochs ... Günther Groissböck
Octavian ... Michèle Losier
Faninal ... Roman Trekel
Sophie ... Nadine Sierra
Leitmetzerin ... Anna Samuil
Valzacchi ... Karl-Michael Ebner
Annina ... Katharina Kammerloher
Sänger ... Atalla Ayan
u.a.
Staatsopernchor
Staatskapelle Berlin
Premiere war am 9. Februar 2020.
Weitere Termine: 27., 29.02.2020
STAATSKAPELLE BERLIN (Philharmonie Berlin, 23.02.2020)
Maurice Ravel: La Valse
- Klavierkonzert G-Dur
Martha Argerich, Klavier
Staatskapelle Berlin
Dirigent: Zubin Mehta
Weitere Infos siehe auch: https://www.staatsoper-berlin.de/
http://www.andre-sokolowski.de
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