Kolumne
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Evgeny Nikitin (41) ist ein toller Wagner-Sänger!
Bayreuth hatte ihn sich als den neuen Holländer verpflichtet; und es hätte - dem Vernehmen nach - eine besondere Premiere für ihn werden können; "es ist für mich Ehre und Verantwortung, denn ich vertrete hier die alte russische Schule, und es ist etwas, wofür wir kämpfen, Pionier zu sein, der Allererste auf einem Gebiet zu sein, der erste russische Sänger zu sein, der auf einer so bedeutenden Bühne den Mund aufmacht." - gestand er stolz den ZDF-Aspekten, die am letzten Freitag ein Porträt des Künstlers ausstrahlten.
Darin erfuhr der allgemeingebildete Heimkinoglotzer beispielsweise von Nikitins Sturm-und-Drang-Zeit, als er Heavy-Metal-Drummer war. Man zeigte imposante Videoschnipsel, die Evgeny barbrüstig und kahlköpfig auf seinem Schlagzeug rumdreschend und in ein Mikrofon reinschreiend zeigten. Alles nachvollziehbare Entgleisungs- oder Abgrenzungsbestrebungen eines Vertreters einer anderen als der von ihm Ende der Neunziger des vorigen Jahrhunderts (und begann da nicht der endgültige sozialistische Realzusammenbruch ostweit?) misstrauten oder angefeindeten Generation der Älteren und Eltern. Überhaupt kein Aufreger! Ja und der Sender war auch sichtlich oder hörbar ungeneigt, sich über so Exotisches eines heranwachsenden Großmauls weiter aufzuregen.
Bis die Bild-Zeitung, der insbesondere ein abstoßendes Hakenkreuz-Tattoo, das auf der rechten Brust des damals Aufmüpfigen wahrzunehmen war, ins Auge stieß, die Festspielleitung darauf ansprach resp. laut befragte. Aus gesellschaftlich-moralischer Verantwortung heraus, vermuten wir doch stark!
Und dass der Grüne Hügel eigentlich auch Brauner Hügel heißen müsste, was sogar dem Dümmsten aller Dümmsten mittlerweile klar ist, hatte sinngemäß - im Zuge einer inflationären Aufnahme des von der Bild als Steilvorlage vorgegebnen Leitmotivs - die FAZ sogleich betont: "Auch noch 2012 ist der Mythos Bayreuth ein kranker Mythos, voller Flecken. Solange jedenfalls, wie noch Brekerbüsten im Park herumstehen, solange, wie die Familie der Wagners Briefe unter Verschluss hält und die Aufarbeitung ihrer braunen Vergangenheit extern an Wissenschaftler delegiert; solange, wie man verdruckst, verkorkst mit doppelter Zunge spricht und taktiert: Solange wird es in Bayreuth immer wieder hässlich stinken und krachen."
Samuel Youn wird übermorgen für Evgeny Nikitin als neuer Holländer, und vor Angela Merkel, live im Festspielhaus zu sehen und zu hören sein.
Nikitin - "Die Zeichen haben für mich überhaupt keine politische, sondern nur eine spirituelle Bedeutung. [??] Ich war nie Teil einer politischen Partei und bin es auch heute nicht." - war, kurz bevor die Hakenkreuz-Tattoo-Debatte richtig aufflammte, inzwischen aus der Frankenmetropole abgereist.
In einer hausinternen Pressemitteilung hieß es: "Seine Entscheidung, die Partie des Holländers aus diesen Gründen [s. o.] zurückzugeben, steht im Einklang mit der konsequent ablehnenden Haltung der Festspielleitung gegenüber jeder Form nationalsozialistischen Gedankenguts."
Ein Rat zur Güte: Um so Peinlichkeiten in der Zukunft auszuschließen, sollten Künstler vor den Neuengagements auf staats- oder verfassungsfeindliche Symbole oder (An-)Zeichen entsprechender Gesinnungen gescannt und leibesüberprüft werden!
Nützt alles nix!!
Andre Sokolowski - 23. Juli 2012 ID 6111
Siehe auch:
http://www.zdf.de/ZDFmediathek#/beitrag/video/1689056/Heavy-Metal-in-Bayreuth
E-Mail an: soko@kultura-extra.de
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