Vom Überleben
des Geistes
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Frau Yamamoto ist noch da von Dea Loher - am Schauspiel Stuttgart | Foto (C) Björn Klein
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Bewertung:
Es war lange still um Dea Loher, die ein paar Jahre lang eine der produktivsten und anregendsten deutschen Dramatikerinnen gewesen war. Nun fand nur einen Monat nach der Uraufführung in Zürich und Tokio am Schauspiel Stuttgart unter der Regie seines Intendanten Burkhard C. Kosminski die deutsche Erstaufführung von Frau Yamamoto ist noch da statt. Und es bestätigt sich, dass Dea Loher ein Gespür für die Gattung hat wie wenige unter ihren Zeitgenossen. Dass ihr dabei ein fabelhaftes Ensemble, allen voran Nicole Heesters als Gast, zur Verfügung steht, widerlegt die Alternative von Schauspieler- und Autorentheater. Nach wie vor ist es beglückend, wenn beides zusammenkommt, ein interessanter Text und Darsteller, die diesen sprachlich, mimisch und gestisch zu vermitteln verstehen. Die ordnende Hand des Regisseurs spielt dabei eine wichtige Rolle, aber es ist kein Schaden, wenn er sich dem Werk dienend verpflichtet fühlt, statt die Anmaßung zu pflegen, dass er klüger sei als der Autor und dessen Schöpfungen „verbessern“ müsse.
Anders als in Zürich hat man sich in Stuttgart für das kleine Haus, das Kammertheater in der Staatsgalerie, entschieden, dessen architektonische Besonderheit den Verzicht auf eine Pause nahelegt. Gespielt wird zwischen rund 200 Plätzen auf zwei ansteigenden Tribünen. Das sorgt für Intimität.
Auf einer kreisenden Bühne (Florian Etti) sieht man sieben schwarze Holzstühle und ein kurzes Stück Baumstamm. Das kommt Peter Brooks „Leerem Raum“ ganz nahe. Schwarz-weiße Filme in Zeitlupe werden auf die Seitenwände des Kammertheaters projiziert. Frau Yamamoto (Nicole Heesters), deren Geist den Körper überlebt hat und „noch da“ ist, ist buchstäblich umgeben von Figuren, die von außerhalb des Bühnenrands die Spielfläche betreten.
Das Stück reiht sich ein in die Dramatik der vergangenen Jahrzehnte, die mit Vorliebe einer durchgehenden Handlung mit genau definierten Akteuren entsagt zugunsten einer „offenen Form“, in der den einzelnen Szenen große Unabhängigkeit und Eigengewicht zukommt. Dabei gerät im aktuellen Fall die Titelfigur vorübergehend aus den Augen. Frau Yamamoto mag noch da sein, aber zu sagen hat sie nicht viel. Das Ergebnis hat mehr mit Robert Altman zu tun als etwa mit den Dramen der Nachkriegszeit in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Man hat sich daran gewöhnt. Es verstört nicht mehr. Erst recht nicht, wenn es so geschickt gemacht ist wie bei Dea Loher.
Der Titel erinnert an Martin Scorseses genau 50 Jahre alten Film Alice lebt hier nicht mehr. Dea Loher liebt solche Anspielungen. So klingt Blaubart – Hoffnung der Frauen, der noch unter Hasko Weber in Stuttgart zu sehen war, an Oskar Kokoschkas Kurzdrama Mörder, Hoffnung der Frauen an. Der Begriff „Intertextualität“ wurde nicht aus einer Laune heraus erfunden. Er bezeichnet etwas, was für die Literatur im Ganzen und das Drama im Besonderen grundlegend ist: die Bezugnahme auf Vorangegangenes.
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Frau Yamamoto ist noch da von Dea Loher - am Schauspiel Stuttgart | Foto (C) Björn Klein
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P.S.: In Zürich hat die Vorstellung abzüglich der Pause rund 45 Minuten länger gedauert. Was uns da in Stuttgart entgangen ist, werden wir nicht erfahren.
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Thomas Rothschild – 15. Oktober 2024 ID 14966
FRAU YAMAMOTO IST NOCH DA (Kammertheater, 14.10.2024)
von Dea Loher
Inszenierung: Burkhard C. Kosminski
Bühne: Florian Etti
Kostüme: Ute Lindenberg
Musik: Hans Platzgumer
Video: Yoav Cohen
Licht: David Sazinger
Dramaturgie: Gwendolyne Melchinger
Mit: Katharina Hauter, Nicole Heesters, Matthias Leja, Marietta Meguid, Peer Oscar Musinowski, Sven Prietz, Christiane Roßbach, Karl Leven Schroeder und Silvia Schwinger
UA am Schauspielhaus Zürich: 12. September 2024
DEA am Schauspiel Stuttgart: 11. Oktober 2024
Weitere Termine: 15., 31.10./ 01., 05., 06.11.2024
Weitere Infos siehe auch: https://www.schauspiel-stuttgart.de
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