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Sankt Falstaff von Ewald Palmetshofer - am Residenztheater München | Foto (C) Sandra Then

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Zehn Jahre ist es her, dass die Shakespeare-Neudichtung Edvard II. Die Liebe bin ich von Ewald Palmetshofer am Theater Basel uraufgeführt wurde. Nun hat der österreichischen Dramatiker am Residenztheater München eine weitere Shakespeare-Überschreibung vorgelegt. Allerdings ist in Sankt Falstaff nicht der ursprünglich titelgebende King Henry IV die Hauptfigur, sondern die Nebenfigur des trinkfreudigen Gossenritters John Falstaff, dem bereits Verdi eine ganze Oper gewidmet hat. Opernhaft geht es auf der Bühne des Residenztheaters aber nicht zu. Es ist tatsächlich der Rinnstein, aus dem John (Steven Scharf), wie immer letzter Gast der Bar von Frau Flott, den jungen Harri (Johannes Nussbaum), Sohn des hier Quasi-König genannten Heinrich bzw. Heinz (Steffen Höld), aufliest.

Daniel Wollenzin hat vor die Drehbühne, die auf der einen Seite besagte Bar zeigt und auf der anderen eine lange Schräge bildet, die farblich das Deckenbild des Residenztheaters zu spiegeln scheint, zwei blecherne Pissrinnen montiert, die öfter an diesem Abend vom Bühnenhimmel schweben und quasi auch benutzt werden. Zweigeteilt ist auch die Gesellschaft des Stücks. Auf der Schräge der Macht balanciert der Quasi-Hofstaat Heinrichs mit dem Vorsitz (Myriam Schröder), dem Mundwerk (Vincent Glander) und dem Hirn (Lukas Rüppel), während sich in der Bar von Frau Flott (wieder Myriam Schröder) der Pöbel zum Bier trifft. Vincent Glander gibt hier den Kellner Franz, Lukas Rüppel Harris Saufkumpan Ed. Dazwischen agiert noch der Vorsitz-Sohn Hitzkopf Henri Percy (Niklas Mitteregger) als „Hand“ des Quasi-Königs, immer per Handy verbunden mit seiner äußerst forschen Frau Kate, gespielt von Isabell Antonia Höckel, die in der Bar noch die Puppe gibt.

Die Doppelbesetzungen machen es einem neben dem in Palmetshofers typischer Kunstsprache und gehobenem Versmaß verfassten Stücktext nicht gerade leicht der Handlung uneingeschränkt zu folgen. Diese ist lose an Shakespeares Drama Henry IV, Teil 1 und 2, angelehnt, in ein unbestimmtes Heute oder Morgen versetzt. Die Kostüme von Claudia Irro wirken historisierend bis futuristisch. Seit 2019 hat Palmetshofer, der am Resi Hausautor und Dramaturg ist, daran geschrieben. Herausgekommen ist eine Komödie über den Versuch des Machterhalts eines berechnenden Autokraten, die nebenbei noch die Tragik einer scheiternden Männerfreundschaft und Liebesbeziehung erzählt. Die beiden Seiten des Bühnenbilds, von denen das Innere der Bar unter der Schräge meist nur über Live-Kamera auf die Bühnenrückwand projiziert wird, stehen auch für das Oben und Unten in der Gesellschaft.

Während sich Prinz Harri und Ed bei einem Raub von zwei Geldtaschen in der Operntiefgarage einen Spaß mit Falstaff erlauben, denkt auf der anderen Seite der kränkelnde Quasi-König „in schweren Zeiten“ über seine Nachfolge nach, da sich quasi im Staate selbst schon eine Intrige gegen ihn bildet. Er gibt vor, den etwas begriffsstutzigen Hitzkopf Percy anstatt des unsteten Sohns Henri zu seinem Nachfolger zu bestimmen. Die Hand soll Körper werden. So dreht der Text mal mehr mal weniger lustig und metaphernreich seine Pirouetten und spielt die Live-Musik von Benedikt Brachtel und Sven Michelson dazu auf. Die Regie von Alexander Eisenach setzt auf die Kraft des Ensembles und des Texts ohne wirksame Schnitte. Das zieht den dreistündigen Abend aber auch etwas in die Länge.

Da es den Quasi-König dann doch nach seinem Fleisch verlangt, üben John und Harri dessen Auftritt beim Vater. Hier kommen sich Scharf und Nussbaum nicht zum ersten und letzten Mal sehr nahe. Aber Blut ist letztendlich dicker als das eine oder andere miteinander genossene Bier. Den Schwanzvergleich des plötzlich zur Macht drängenden Sohns gegen den hitzköpfigen Widersacher an der Rampe gewinnt Harri und setzt sich auch bei Palmetshofer verfrüht die Krone auf. Der Verrat am Freund Falstaff lässt den zum Mörder aus verschmähter Liebe und anschließend zum tragischen Social-Media-Star werden. Wegen so eines Heiligen stürzt mit Sicherheit keine Diktatur.



Sankt Falstaff am Residenztheater München | Foto (C) Sandra Then

Stefan Bock – 5. März 2025
ID 15174
SANKT FALSTAFF (Residenztheater München, 01.03.2025)
von Ewald Palmetshofer frei nach Shakespeares King Henry IV

Regie: Alexander Eisenach
Bühne: Daniel Wollenzin
Kostüme: Claudia Irro
Live-Musik: Benedikt Brachtel und Sven Michelson
Video und Live-Kamera: Oliver Rossol
Licht: Verena Mayr
Dramaturgie: Constanze Kargl
Besetzung:
John … Steven Scharf
Harri … Johannes Nussbaum
Der Quasi-König … Steffen Höld
Der Vorsitz/ Frau Flott … Myriam Schröder
Das Mundwerk/ Franz … Vincent Glander
Das Hirn/ Ed … Lukas Rüppel
Hitzkopf … Niklas Mitteregger
Kate/ Puppe Isabell … Antonia Höckel
UA war am 22. Januar 2025.
Weitere Termine: 16.03./ 01., 08., 27.04.2025

Weitere Infos siehe auch: https://www.residenztheater.de


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