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Andreas Grötzinger ahmt Arno Brekers Statue »Junges Europa« nach, einen nackten muskulösen Männerkörper mit Adlerkopf, in Die letzten Männer des Westens von Tobias Ginsburg am Schauspiel Köln | Foto © Krafft Angerer

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Was treibt Männer an, sich gegen Frauen und sexuelle Minderheiten zu positionieren: autoritäre Machthaber oder auch rechtsradikale Terroristen sind mitunter ihre Vorbilder, die erstarkenden Feminismus oftmals inhaltlich mit einer sinkenden Geburtenrate verbinden.

Rafael Sanchez, aktueller Interims-Intendant am Schauspiel Köln, erarbeitete mit Die letzten Männer des Westens zusammen mit Tobias Ginsburg dessen gleichnamige Undercover-Recherche für die Bühne. Am Schauspiel Köln wird das Werk über rechte Männerbünde und selbsternannte Krieger des Patriarchats oder sogenannte Antifeministen vor allem wortreich in Szene gesetzt.

Der Schweizer Theaterregisseur Sanchez, der mit seiner Lebenspartnerin Yvon Jansen noch in Samantha Ellis’ ironischer Rom-Com How to date a feminist Paarklischees effektvoll auf die Spitze trieb, beleuchtet auch hier lustvoll zeitgeistkritisch Männerbilder und -klischees. Yvon Jansen spielt hier mit Glatzenperücke Tobias Ginsburgs alter Ego. Der jüdische Ginsburg verheimlichte gegenüber den Rechtsextremen wirkungsvoll seine Identität. Er recherchierte über anderthalb Jahre undercover bei bürgerlichen Antifeministen, in Burschenschaften, bei Identitären, bei ultrarechten Aktivisten in den USA oder bei einer klerikalen-faschistischen Organisation in Polen. Indem er auf der Bühne nun von einer Frau verkörpert wird, wird das Schüren von Vorurteilen und Ressentiments gegen die Gleichstellung von Frauen und die Emanzipation, einmal mehr ad absurdum geführt. Yvon Jansen versucht in der Rolle Ginsburgs gegen Ende oft wichtigen Vertretern der sogenannten Maskulinisten oder Rechten Widerworte zu geben oder sie eines besseren zu belehren, was eher pädagogisch als effektiv anmutet.

Auf der Bühne verteilte Holzstämme lassen ein bisschen an die Burger-Kette „Hans im Glück“ denken. Leicht verdeckt von diesen Baumstämmen wird eine Leinwand, auf der eingangs Tobias Ginsburg Kernerkenntnisse seines Recherche-Projektes vorträgt. Auf einer Tour de Force begegnen wir Väterrechtlern eines FDP-nahen Vereins, die von vermeintlichen Benachteiligungen in der Kinderbetreuung bei Scheidungen von Ehegattinnen berichten. Über Kopf werden zusammen Holzstämme geschleppt. Auch auf der Bühne dargebotene Chorgesangs- und Klaviereinlagen stehen für ein Gemeinschaftsgefühl. Eine viele Meter lange schwarze Limousine fährt im Theatersaal vor. Aus dessen Schiebedach erhebt sich mit lautem Sprechgesang ein Rapper im Muscle-Shirt (Nikolaus Benda), der seine, allseits bewunderte Stärke später auch beim Heben von Langhanteln erprobt. Auf der Kölner Bühne nimmt ein turbulentes Treiben seinen Lauf. Mannhafte, wehrhafte Herrlichkeiten mobilisieren naiv Kräfte gegen Toleranz. Ein Frosch-Ballett zelebriert eine Straight Parade. Es wird gegen Wokeness gewettert. Donald Trump wird wegen seiner demonstrativen Stärke zum Vorbild eines Erstarkens des alten, weißen Alpha-Mannes. Beatrix von Storch (Birgit Walter) von der AfD erhebt gegen Ende die Motorsäge gegen Ginsburg.

Trotz regelmäßiger neuer Akzentsetzungen wiederholen sich Kernaussagen der Männerbünde, wie zum Rückgang der Geburtenraten. Eine gewisse Vorsicht hinsichtlich polarisierender Debatten ist mit Blick auf den Islam anzumerken. So deutet eine der Figuren polemisch an, wenn man den sogenannten Moslems nicht zuvorkomme, würden sie Deutschland bald überbevölkern und auch politisch neue Maßstäbe setzen. Diese Angst verfolgt die Inszenierung nicht weiter. Und eher nur nebenbei wird mit der Aussage, dass Männer aus islamisch geprägten Kulturen noch richtige Männer seien, im Gegensatz zu den deutschen „Luschen“, die Ähnlichkeit entsprechend chauvinistischer Weltbilder angedeutet. Mutiger wäre es sicherlich gewesen, wenn Ginsburg sein Rechercheprojekt auch auf Koranschulen und Moscheen ausgeweitet hätte. Predigten und Lehrstoffe sind hier oftmals nicht nur konservativ-religiös, sondern eröffnen auch politische Problemfelder. In autoritativen Texten des Islam werden Frauen nicht als gleichberechtigt angesehen. Sie benötigen so oft einen männlichen Vormund. Mitglieder islamischer Gemeinden müssen oft in Aufnahmeformularen bestätigen, dass sie nicht homosexuell sind. Nach massiven Drohungen möchte der Tagesschau-Sprecher Constantin Schreiber, Autor des Bestsellers Inside Islam (2017), sich seit 2023 nicht mehr öffentlich zum Islam äußern. Von einer möglichen Tabuisierung notwendiger Islamkritik profitieren eben jene rechte Parteien wie die AfD, die bewusst einen islamfeindlichen Kurs offenbaren, selbst jedoch auch weder die Rechte von Frauen noch von sexuellen Minderheiten stärken möchten.

Immerhin unterstreicht die Aufführung, dass Antifeminismus und Queerfeindlichkeit einhergehen, ob nun bei den Rechten oder Identitären, oder in weiten Teilen des Islams.



Die letzten Männer des Westens von Tobias Ginsburg am Schauspiel Köln | Foto © Krafft Angerer

n. k. - 30. Dezember 2024
ID 15082
DIE LETZTEN MÄNNER DES WESTENS (28.12.2024, Depot 2)
von Tobias Ginsburg

Regie: Rafael Sanchez
Bühne: Eva-Maria Bauer
Kostüme: Ursula Leuenberger
Video: Meika Dresenkamp
Musik: Cornelius Borgolte
Licht: Jürgen Kapitein
Dramaturgie: Sibylle Dudek
Mit: Nikolaus Benda, Yuri Englert, Andreas Grötzinger, Nicola Gründel, Benjamin Höppner, Yvon Jansen, Kei Muramoto und Birgit Walter sowie Cornelius Borgolte (Live-Musik), Tobias Ginsburg (Video Dia) und Slawa Schander (Fahrer Limousine)
UA am Schauspiel Köln: 22. März 2024
Weitere Termine: 03.01./ 12.02.2025


Weitere Infos siehe auch: https://www.schauspiel.koeln


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