Qué Bolero o En Tiempos de Inseguridad Nacional
Colectivo Malasangre
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Bewertung:
In den bereits zum 33. Mal von den Sophiensælen (mit Unterstützung von Tanzfabrik Berlin e.V. und Theaterhaus Berlin-Mitte) veranstalteten TANZTAGEN BERLIN geht es diesmal vorzüglich um Performances - 10 an der Zahl sind (noch bis zum 20. 1.) angezeigt; und in ihnen soll der "kollektive Körper" untersucht werden, "wie er sich verhärtet und erweicht, erstarrt und kämpft, schwächelt und wieder zu Kräften kommt".
"Neben Neuproduktionen und Wiederaufnahmen bieten die Tanztage Berlin ein Diskurs- und Workshop-Programm rund um Geld, Intimitätskoordination und Antifaschismus.
Der Begriff der Störung bezieht sich auf einen Zustand der Verwirrung, des Mangels an Ordnung oder der Unruhe. Er wird in verschiedenen Zusammenhängen verwendet, unter anderem im Bereich der körperlichen und geistigen Gesundheit, der sozialen und politischen Systeme und der Natur. Oft ist er Teil viraler Schlagzeilen – die von Diskussionen über Gesundheitszustände, deren Ursprung noch weitgehend unbekannt ist, bis hin zu Berichten über landesweite Proteste, oder Aktionen von Klimaaktivist*innen reichen. Die vielfältigen Schmerzen, die Körper heutzutage erleiden, könnten eine kollektive Reaktion auf die sozio-politischen und wirtschaftlichen Strukturen sein. Die Beteiligung an bewusstem Chaos bietet einen Raum, in dem Menschen ihre Gefühle und Bedürfnisse auf eine Weise zum Ausdruck bringen können, die den gewohnten Lauf der Dinge unterbricht. Es kann daher als eine produktive Kraft angesehen werden, die den etablierten Gewohnheiten misstraut und neue Bewegungspotenziale freilegt.
Wie können wir uns aus Narrativen herauskämpfen, in denen wir feststecken, und wieder in den Flow kommen? In polarisierten Zeiten, in denen es sicherer scheint, sich in einer Echokammer zu verstecken oder daran zu halten, was als fest, monolithisch und ewig gilt, suchen die Tanztage Berlin nach Resonanzräumen. Nach Räumen, in denen die Umarmung von Komplexität nicht nur willkommen, sondern unerlässlich ist und in denen das Vertrauen auf eine Vielzahl von Stimmen zum Leitprinzip wird. Das Festival stützt sich auf die Weisheit der selbstgewählten Ahnen, um Mythen und Symbole zu überschreiben und Geschichten von Exil und Freiheit anders zu erzählen. Trotz des hartnäckigen Gefühls, dass die Welt immer untergeht, bleiben wir neugierig und zärtlich."
(Quelle: tanztage-berlin.sophiensaele.com)
Liest sich nicht so einfach [s.o.], doch ich gab und geb' mir größte Mühe etwas von dem Hochtrabenden zu verstehen...
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Gestern Abend waren die Exil-Kubaner Lazaro Benitez, Luis Carricaburu und Ricardo Sarmiento (das Trio nennt sich Colectivo Malasangre) an der Reihe und zeigten ihr Stück Qué Bolero o En Tiempos de Inseguridad Nacional [dt.: Was für ein Bolero oder In Zeiten nationaler Unsicherheit].
In ihm beschworen sie "die Gesten der kubanischen Populärkultur, die sie ausmachen: die Gesten der Nächte von Havanna, der Congas von Santiago de Cuba oder des Karnevals" (Quelle: dto.).
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Colectivo Malasangre - Qué Bolero o En Tiempos de Inseguridad Nacional (C) JC CARBONNE
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Es ging damit los, dass sich ganz unverhofft und aus dem nach und nach sich lichtenden Bühnendunkel drei Iglozelte verselbständigten, in denen unsere sympathischen Kubaner steckten. Wie aus dem Nichts eroberten die Iglo's den Raum und simulierten Tier- und Geisterwesen; hierzu näherte sich, immer lauter werdend, karnevaleske Umzugsmusik - ich assoziierte Straßenkarneval. Das sah schon toll aus und sollte, in diesem kuriosen Einfallsreichtum, nicht mehr getoppt werden.
Danach erfolgten mehr oder weniger einfallsreiche Zwischenetappen, die die Drei in unterschiedlich mentalen und zwischenmenschlichen Situationen zeigten; von einem Beamer wurde das, was der eine oder andere auf Spanisch mitzuteilen meinte, auf Englisch an die Wand gestrahlt; das war dann unter anderem ein zu Herzen gehender Brief an die vermisste Mutter oder so.
Zwei echte Highlights folgten bis zum Schluss:
Beim ersten räumte Lazaro als einen abenteuerlichen Kopfschmuck tragendes als wie bein- und arschzeigendes Super-Showgirl ab, und Luis musste ihn zum Schluss hochstemmen; es sah aus, als wäre es aus einer TV-Tanzshow abgekupfert, und ständig wiederholte der ewig sein Zahnweiß bleckende Star die Kurzformel vom "national Body". Das kam beim Publikum gut an.
Den Ravel'schen Bolero (kennt ja jeder!) absolvierten sie - diesmal als drei Migranten irgendwo im südlichen Europa - im kollektiven "Eintanz". Als erster steckte sich Ricardo seine kabellosen Kopfhörer in seine Ohren und programmierte sein Smartphone, dann taten es ihm die zwei andern nach; und man ahnte, dass sie sich wahrscheinlich nach was völlig anderem bewegten als nach dem Bolero. Der inflationierenden Ausgelassenheit ihrer Temperamente tat das keinen Abbruch - im Gegenteil. Es steigerte sich ungemein, und letztlich tanzten sie bis zur Totalerschöpfung und fast nackt.
Hochverdienter Jubel.
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Andre Sokolowski - 10. Januar 2024 ID 14555
Qué Bolero o En Tiempos de Inseguridad Nacional (Sophiensæle, 09.01.2024)
Choreografie und Performance: Lazaro Benitez, Luis Carricaburu und Ricardo Sarmiento
Bühnenbild: John Deneuve und Colectivo Malasangre
Kostüm: Colectivo Malasangre und Leo Peralta
Lichtdesign: Anaïs Silmar
Musik: Boléro von Ravel, Esta Casa von Elena Burke, Pavane pour une infante défunte von Ravel
Eine Produktion von La Frontera – Colectivo Malasangre in Koproduktion mit Ballet Preljocaj/Pavillon Noir – CCN d’Aix-en-Provence, Maison de la Culture d’Amiens – Pôle européen de création et de production, Ménagerie de Verre
Gastspiel zu den TANZTAGEN BERLIN 2024
Weitere Infos siehe auch: https://tanztage-berlin.sophiensaele.com/
https://www.andre-sokolowski.de
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