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nachDRUCK # 6

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Uraufführung

Knallige Farce über

weiblichen Machtmissbrauch

DER LIEBLING von Svenja Viola Bungarten - am DT Berlin

Bewertung:    



Nach der sehr erfolgreichen Beschäftigung mit dem französischen Autor Georges Perec mit dessen Stück Die Gehaltserhöhung am Deutschen Theater Berlin und der Bühnenfassung seines Hörspiels Die Maschine - Oder über allen Gipfeln ist Ruh am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, das der Schauspielerin und Regisseurin Anita Vulesica eine Einladung zum Berliner Theatertreffen einbrachte, nimmt sie mit der Uraufführung des Stücks Der Liebling von Svenja Viola Bungarten eine andere recht erfolgreiche Zusammenarbeit wieder auf. Bereits 2021 inszenierte Anita Vulesica die Uraufführung von Buntgartens Stück Garland am Schauspielhaus Graz. 2022/23 entstand in beider Zusammenarbeit eine moderne Fassung der Raub der Sabinerinnen für das Burgtheater Wien.

Seit ihr feministisches Horrorstück Maria Magda mit dem Autor*innenpreis des Heidelberger Stückemarkts 2021 ausgezeichnet wurde, läuft es sehr gut für Svenja Viola Bungarten. Ihre ebenso ausgezeichneten Stücke Garland oder Die Zukünftige werden regelmäßig an deutschen Theatern nachgespielt. Ein weiteres Stück ist noch in dieser Spielzeit für das Neue Theater Halle geplant. Bungarten dekonstruiert in ihren Stücken misogyne, antifeministische und ausbeutende Erzählungen von Weiblichkeit und Sexualität, schreibt der Theaterverlag schaefersphilippen auf seiner Website.

Für das Deutsche Theater Berlin nimmt sich die 1992 in Koblenz geborene Dramatikerin nun insbesondere den Machtmissbrauch von Cheffinnen in der Arbeitswelt vor. Auf sogenannte Boss-Bitches spielt schon das dem Stück vorangestellte Textzitat aus einem Song der US-amerikanischen Rapperin Doja Cat an. In Der Liebling kämpfen zwei weibliche CEOs miteinander konkurrierender Firmen für die Herstellung von Damenbinden und Tampons um die Vorherrschaft auf dem Markt für Frauenhygieneartikel. Die ans Deutsche Theater zurückgekehrte Fritzi Haberlandt gibt Franka König, auch genannte „DIE KÖNIG“, CEO der Tamponfirma NEVER, die bei ihren Untergebenen sozusagen über Leichen geht. Von einem „Keller voller toter Praktikantinnen“ ist da die Rede.

Es beginnt auf dem Damenklo hinter der Bühne, was via Livekamera auf den Vorhang projiziert wird. Da geraten die König und ihre wesentlich jüngere Happiness-Managerin Luna Landt (Henni Jörissen) wegen eines Tampons aneinander, was die Kündigung Lunas zur Folge hat. Haberlandt spielt die zynische, stetig biertrinkende Boss-Bitch als Sonnenkönigin im Rokoko-Stil (Kostüme: Janina Brinkmann) mit entsprechender Perücke und einem Schwert, mit dem sie die als jugendliche Konkurrentin empfundene Luna bedroht. Die Bühne von Henrike Engel ist ein großer Salon mit gewendelter Treppe. Man sieht hier bereits die Überspitztheit des Stücks, das Anita Vulesica zusätzlich voll auf komödiantische Farce getrimmt hat. Luna will nun vor Gericht ihr Recht erkämpfen. Dazu benötigt sie allerdings das Videoband der Überwachungskamera auf dem Damenklo. Das soll ihr nun ihre als Schauspielerin wenig erfolgreiche Schwester Mary (mit rollendem R: Katrija Lehmann) als ins Unternehmen eingeschleuste Praktikantin besorgen. Als Witzfigur am Rande (auch „Wandfigur“) fungiert hier noch das unterdrückte Muttersöhnchen Karsten König (Frieder Langenberger).

Auf der Gegenseite in der Damenbindenfirma IMMER hat die dauerkoksende Bettina Fürstenberg (Abak Safaei-Rad) das Sagen. Ihre Tochter Rebekka (Mareike Beykirch) hat sich dem Einfluss der Business-Mutter entzogen und gibt in einem Social-Media-Videokanal das Zurück-Zur-Natur-Tradewife. Damit sind die verschiedenen Pole dieser knalligen Antifeminismus-Farce beschrieben. Wirklich positiv kommt hier kein Charakter rüber. Die Autorin stellt die Verbindung von Macht mit toxischer Weiblichkeit zu traditionell rechtskonservativen Frauen wie Alice Weidel, Marine Le Pen und Giorgia Meloni her. Die Trumps und Orbáns der Welt haben also auch ihre weiblichen Pendants. Frauen in einer männerdominierten Welt, die sich jede auf ihre Art durchgesetzt haben, in dem sie patriarchales Verhalten adaptieren. Und wie die Alten so die Jungen, will uns das Stück sagen. Die Rebellion der Unterdrückten greift zur Intrige oder putscht offen mit der Axt in der Hand.

Die nun um ihre Herrschaft kämpfenden CEOs verbindet hier mehr als nur ihre Konkurrenz, die bereits im Jugendalter beim Schwimmsport begonnen hat. Schlechte Erfahrungen mit Männern haben beide. Das gipfelt in einem Monolog Francas in der Erkenntnis, dass „Generationen an Frauen in meiner Familie schlecht behandelt wurden“, und auch sie deshalb ihren Sohn schlecht behandelt. Diese Einsicht ist die eigentliche Tragik dieses in klamaukigen Spitzen überbordenden Abends, der seinen Figuren nur kleine kurze Soli der Reflexion gönnt, um dann wieder im schrägen Vollspeed weiter zu toben. Das ist zwar durchaus unterhaltsam, aber auf Dauer eben auch wenig erkenntnisreich.



Der Liebling von Svenja Viola Bungarten – am Deutschen Theater Berlin | Foto (C) Eike Walkenhorst

Stefan Bock – 16. März 2025
ID 15190
DER LIEBLING (Kammerspiele, 14.03.2025)
von Svenja Viola Bungarten

Regie: Anita Vulesica
Bühne: Henrike Engel
Kostüme: Janina Brinkmann
Musik: Carolina Bigge
Choreografie: Mirjam Klebel
Video: Phillip Hohenwarter
Licht: Kristina Jedelsky
Dramaturgie: Lilly Busch
Live-Video: Meret Grimm
Besetzung:
Fritzi Haberlandt (als Franka König)
Frieder Langenberger (als Karsten König)
Abak Safaei-Rad (als Bettina Fürstenberg)
Mareike Beykirch (als Rebekka Fürstenberg)
Henni Jörissen (als Luna Landt)
Katrija Lehmann (als Mary [Marie] Landt)
UA am Deutschen Theater Berlin: 14. März 2025
Weitere Termine: 18., 29., 30.03./ 10., 23., 30.04.2025

Weitere Infos siehe auch: https://www.deutschestheater.de


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