Weihnachts-
ballett
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Bewertung:
Was haben Frank Capras Ist das Leben nicht schön?, Charles Dickens’ Eine Weihnachtsgeschichte und Der Nussknacker von Pjotr Tschaikowski gemeinsam? Sie spielen an Weihnachten und werden daher Jahr für Jahr zu Weihnachten im Fernsehen, auf Theaterbühnen und in Balletthäusern aufgeführt, als gäbe es, noch dazu bei einem fantasievollen romantischen Stoff, die Notwendigkeit einer Übereinstimmung von Inhalt und Vorstellungstermin. Wäre dem so, dürfte man Shakespeares Wintermärchen nur im Winter und Lohn der Angst nur in der heißen Jahreszeit zeigen.
Edward Clug gönnt dem Stuttgarter Publikum mit seiner neuen Produktion des Nussknackers ein üppiges, bildmächtiges Handlungsballett, das weniger auf virtuose Tanzfiguren setzt als, von Anfang, vom übermütigen Weihnachtsmarkt und Weihnachtsfest an, auf bühnenfüllende Arrangements mit großem Ensemble inklusive Schüler*innen der John Cranko Schule. Dabei steht ihm einer der Meister des Bühnenbilds zur Seite, der mittlerweile 85jährige Jürgen Rose, den man vor allem mit München assoziiert, der aber zeitlebens immer wieder auch in Stuttgart gearbeitet hat. Er senkt riesige Walnüsse herab, die sich zu einem Berg mit einem Baum an der Spitze verwandeln oder öffnen und etwa eine Cabaretbühne offenbaren. Die eigentliche Bühne ist fast durchgängig mit einer Art Arbeitslicht im Halbdunkel gehalten. Zwischendurch würde man sich etwas mehr Helligkeit wünschen, um mehr von den ebenfalls von Jürgen Rose entworfenen Kostümen zu sehen. Besonders effektvoll sind die beiden Kamele, deren vier Tänzer sich in den Höckern verstecken.
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In Stuttgart hat man sich auf der Grundlage von ausführlichen Überlegungen der vielseitigen Dramaturgin Vivien Arnold für eine Fassung ohne die Zuckerfee entschieden. Sie enthebt freilich die ungewöhnliche Celesta ihrer tonmalerischen Funktion. Allzu viel Logik sollte man sich freilich vom Nussknacker nicht erwarten und erst recht nicht eine adäquate Umsetzung von E.T.A. Hoffmanns Erzählung. Er ist, zumal im zweiten Akt mit seiner Folge von selbständigen Tänzen, in erster Linie Ballett.
Das STUTTGARTER BALLETT ist in der glücklichen Lage, die Hauptrollen doppelt, mit gleichermaßen beliebten Solist*innen besetzen zu können. In der besuchten Vorstellung waren es Anna Osadcenko als Clara, David Moore als der Nussknacker und Ciro Ernesto Mansilla als Drosselmeier, die sich im Laufe der Aufführungsserie mit Elisa Badenes, Friedemann Vogel und Jason Reilly abwechseln.
Ans Dirigentenpult ist, hörbar erleichtert und konzentriert, Mikhail Agrest zurückgekehrt. Er war unter Mitwirkung des Ex-Intendanten Reid Anderson geschasst worden. Das gerichtliche Nachspiel endete mit einer „Versöhnung“. Agrest durfte nicht nur an die Staatsoper zurückkehren, er dirigiert, wie man sieht, sogar Ballette. Offenbar hat er die Nuss geknackt und die Tempi der Tänzer begriffen. Das Publikum jedenfalls schien sich über seine Heimkehr zu freuen.
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Thomas Rothschild – 1. Dezember 2022 ID 13942
DER NUSSKNACKER (Opernhaus Stuttgart, 29.11.2022)
Musikalische Leitung: Mikhail Agrest
Choreographie: Edward Clug
Licht: Valentin Däumler
Bühnenbild und Kostüme: Jürgen Rose
Besetzung:
Clara ... Anna Osadcenko
Der Nussknacker ... David Moore
Drosselmeier ... Ciro Ernesto Mansilla
Knabenchor collegium iuvenum Stuttgart (Einstudierung: Sebastian Kunz) Mädchenkantorei an der Domkirche St. Eberhard Stuttgart (Einstudierung: Lydia Schimmer)
Staatsorchester Stuttgart
Premiere am Stuttgarter Ballett: 25. November 2022
Weitere Termine: 03., 07.-10., 13.-16., 18.12.2022
Weitere Infos siehe auch: https://www.stuttgarter-ballett.de
Post an Dr. Thomas Rothschild
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