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Ballett

Distanz und Nähe

Zwei nicht mehr ganz so neue israelische Choreographien mit dem Staatsballett Berlin

Bewertung:    



Das STAATSBALLETT BERLIN zeigte in jüngster Zeit bereits drei Stücke der israelischen Choreografin Sharon Eyal (53): Half Life (2018), STRONG (2019) und 2 Chapters Love (2023) - so gesehen scheint es als intimer (Teil-) Kenner ihres bisherigen Oevres ausgewiesen zu sein. Jetzt hat es wieder eine ihrer Choreographien ins Repertoire genommen, sie ist rätselhaft mit SAABA übertitelt und wurde schon 2021 in Göteborg mit der dortigen Tanzcompany uraugeführt.

Spärliches Licht (Alon Cohen), Nebel im Hintergrund und eine durchgängig in gleichem pochendem Rhythmus aus der Lautsprecherkonserve dröhnende Musik (Ori Lichtik) bestimmen das über halbstündige Geschehen auf der Großbühne der Deutschen Oper Berlin.

Eingangs bestaunen wir einen alleinig und auf Spitzen sich zurecht installierenden Protagonisten frei nach dem Motto "Brust raus, Bauch rein" (obgleich das freilich so nicht stimmte, denn: Ballettänzer mit Bauch? nein, gibt's nicht), aber das Prinzip der sich während dieser Performance durchziehenden Masche trifft mit jener Redensart irgendwie überein. Ja, auch die anderen, also die noch Hinzutretenden im SAABA-Stück, bewegen sich in jener oberkörperangespannten Attitüde. Erst sind es mehr Frauen als Männer, später mehr Männer als Frauen; nur eine der Beteiligten ragt da besonders hervor, sie verringert peu à peu ihren Bewegungsrhythmus, wird allmählich langsamer, und ihre Schritte sehen wie die Schritte einer ungelenken und gehmüden Greisin aus, und schließlich tun sich alle "deutlich Jüngeren" um/ hinter sie gruppieren, und dann endet's schließlich und abrupt. Zudem: Null also keinerlei Berührungen zwischen den Tänzerinnen und Tänzern...

Bin ratlos in die Pause gegangen.



SAABA von Sharon Eyal - mit dem Staatsballett Berlin | Foto (C) Admill Kuyler


Minus 16 von Ohad Naharin - mit dem Staatsballett Berlin | Foto (C) Admill Kuyler


*

Nach der Pause dann das seit einem Vierteljahrhundert sich im In- und Ausland allergrößter Beliebtheit erfreuende Stück Minus 16 des israelischen Tänzers und Choreographen Ohad Naharin (72) - auch hier gibt sein Titel Rätsel auf; erst dachte ich, dass er die Anzahl der Tänzerinnen und Tänzer meinen könnte, doch dann zählte ich die Agierenden auf der Bühne nach und stellte fest, das es zwei Dutzend sind; aber egal.

Es ist ein dramaturgisch unzusammenhängendes Stück in vier oder fünf Abteilungen, dafür kommt es umso kurzweiliger, unterhaltsamer herüber. Es beginnt bereits, während sich der Saal füllt: eine Art Pausenclown "kommuniziert" mit den Besuchern auf seine individuelle Art, indem er allerliebst vor ihnen ein-tanzt und diverse akrobatische Zwischeneinlagen vollführt... Dann (inzwischen ist auch das Saallicht gänzlich heruntergedimmt worden) bildet sich ein Halbkreis mit Stühlen, und die Vierundzwanzig stimmen laut in die Refrainzeile eines auf Hebräisch gesungenen Liedes (aus der Lautsprecherkonserve) ein und entledigen sich, von Refrainzeile zu Refrainzeile, ihrer schwarzen Hüte, ihrer schwarzen Sakkos, ihrer schwarzen Anzughosen... Kurze Zeit später stellen sich die meisten der Truppe mit ihren Namen und paar Infos aus ihrem Leben vor; d.h. der Pulk bewegt sich jeweils von links nach rechts und umgekehrt, und während dessen lösen sich die (aus der Lautsprecherkonserve) mit ihren eigenen Stimmen zu Hörenden aus der Gruppe und sind dahingehend als jeweils Betroffene erkennbar... Zum allgemeinen Höhepunkt ihrer temperamentvollen Ausgelassenheiten greifen sie sich ebenso viele Zuschauerinnen und Zuschauer aus dem Saal, führen sie auf die Bühne und tanzen mit ihnen lustig drauf los, alles improvisiert; aber es sieht in dieser voller Zärtlichkeit und Mitgefühl ausstrahlenden Mit-Mache fast so aus, als hätten sie das alles vorher schon mit ihnen einstudiert gehabt...

Ja und der Saal, der kochte vor Begeisterung.
Andre Sokolowski - 30. Oktober 2024
ID 14994
Minus 16 (Deutsche Oper Berlin, 29.10.2024)
Choreographien von Sharon Eyal und Ohad Naharin


SAABA
Choreographie: Sharon Eyal
Co-Choreographie: Gai Behar
Musik: Ori Lichtik
Kostüme: Maria Grazia Chiuri for Dior
Licht: Alon Cohen
Lichteinrichtung: Henry Rehberg
Einstudierung: Léo Lérus, Darren Devaney, Dominic Santia und Olivia Ancona
Mit: Emma Antrobus, Chloe Capulong, Filipa Cavaco, Marina Duarte, Weronika Frodyma, Cameron Hunter, Vivian Assal Kochnavard, Ross Martinson, Fiona McGee, Alicia Ruben, Tabatha Rumeur, Eloise Sacilotto, Anthony Tette, Clotilde Tran und Dominic Whitbrook
UA bei der GöteborgsOperans Danskompani war am 30. Oktober 2021.

Minus 16
Choreographie: Ohad Naharin
Musik: Dick Dale, Tractor's Revenge & Ohad Naharin, Harold Arlen & Marusha, Frédéric Chopin u.a. Kostüme: Ohad Naharin
Licht: Avi Yona Bueno
Einstudierung: Matan David und Ian Robinson
Mit: Dominik White Slavkovsky, Jessica Beardsell, Filippo Pagani, Jan Casier, Gustavo Chalub, Mark Geilings, Shaked Heller, Alexander Bird, Théo Just, Matthew Knight, Meiri Maeda, Michelle Willems, Minori Nakashima, Andrea Marino, Yuka Matsumoto, Paulina Rosa Blum, Vera Segova, Alizée Sicre, George Susman, Lewis Turner, Wei Wang, Bárbara Andrade, Imara Wheeler und Blanka Paldi
UA beim Nederlands Dans Theater war am 11. November 1999.


Doppel-Premiere beim Staatsballett Berlin: 28. Oktober 2024
Weitere Termine: 07., 08., 21., 24., 29.11.2024

Weitere Infos siehe auch: https://www.staatsballett-berlin.de


https://www.andre-sokolowski.de

Ballett | Performance | Tanztheater



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