The Outrun
Amy Liptrots Bestseller-Memoiren als Bühnenfassung von Stef Smith in der Regie von Vicky Featherstone
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Bewertung:
Nachdem Nora Fingscheidt The Outrun,
ihre filmische Adaption der gleichnamigen Memoiren der schottischen Journalistin und Autorin Amy Liptrot, im Februar im Panorama der BERLINALE zeigte, ist der Stoff um die junge Frau Rona, die ihre Alkoholsucht auf den heimischen Orkney-Inseln kurieren will, nun auch als Bühnenadaption auf dem Edinburgh International Festival zu sehen. Für diese Koproduktion mit dem Royal Lyceum Theatre Edinburg hat die schottische Dramatikerin Stef Smith - in Deutschland bekannt durch Aufführungen ihres Stücks Drosseln (DSE: 2016, Schauspiel Köln) - eine Bühnenfassung erarbeitet, die in der Regie von Vicky Featherstone am Church Hill Theatre ihre Uraufführung hatte.
Smith‘ Textfassung stellt klar die junge Frau (Isis Hainsworth), hier ohne Namen, in den Mittelpunkt. Die Figuren um sie herum treten immer wieder für kurze Szenen aus einem Chor heraus, der den Abend musikalisch und choreografisch umrahmt. Das gibt ihm etwas an Spiritualität zurück, für die im Buch alte Sagen um die schottischen Inseln und auch die sehr religiöse Mutter der Protagonistin sorgen. Die Mutter ist in der Bühnenfassung gestrichen. Für die alten Geschichten steht hier der Vater (Paul Brennen), auf dessen Schaffarm die junge Frau aufgewachsen ist.
Von den psychischen Problemen des Vaters erfahren wir hier ebenso wenig wie über die Familie an sich. Der Fokus liegt allein auf der jungen Frau, die neue Erfahrungen machen und ein Tagebuch darüber schreiben will. Dafür verlässt sie die Inseln und geht nach London, wo sie sich mehr und mehr abendlichen Partys und dem Alkohol hingibt. Vor diesem Absturz kann sie auch ihr Freund (Ros Watt) nicht retten. Der Abend streift szenenhaft kurze Episoden aus dieser Zeit in London, zur der auch eine Gruppe anonymer Alkoholiker gehört. Alison Fitzjohn, die sonst sehr großartig singt, spielt eine Person aus diesem Kreis. Wir kommen diesen Randfiguren wie einem früheren Freund (Seamus Dillane) oder einem jungen Wissenschaftler (Reuben Joseph) nicht wirklich näher. Zu kurz angelegt sind diese Szenen, zu denen auch die Erwähnung der Arbeit für die Royal Society for the Protection of Birds gehört. In nur 90 Minuten kann man wohl auch nicht mehr erwarten.
Wirklich überaus emotional ist das Spiel von Hauptdarstellerin Hainsworth, der man gern diese Lust am Leben, die Verzweiflung und die Angst vor dem Neuanfang glauben will. Mehrfach misst sie enthusiastisch die gesamte Bühne aus, auf die Milla Clarke eine nach zwei Seiten offene Hütte und Steine aus Pappmaché gelegt hat. Dazu flimmern animierte Videoprojektionen (Lewis den Hertog) mit Naturaufnahmen der Meereswelt über die Bühnenwände. Viel Sound und Kunstwille, am Ende leider auch etwas Kitsch. Ob es diese in Großbritannien sehr erfolgreiche Autobiografie als Adaption auch auf deutsche Bühnen schaffen wird, ist dann doch zu bezweifeln.
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The Outrun im Church Hill Theatre, Edinburgh | Foto (C) Mihaela Bodlovic
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Stefan Bock - 9. August 2024 ID 14866
THE OUTRUN (Church Hill Theatre, 07.08.2024)
nach dem Buch von Amy Liptrot
Regie: Vicky Featherstone
Textfassung: Stef Smith
Ausstattung: Milla Clarke
Musik: Luke Sutherland
Musikalische Leitung und Chorarrangement: Michael Henry
Bewegungs-Koordination: Vicki Manderson
Lichtdesign: Lizzie Powell
Sounddesign: Kev Murray
Videodesign: Lewis den Hertog
Mit: Isis Hainsworth (als Frau), Paul Brennen (als Vater), Seamus Dillane (als Junge), Alison Fitzjohn (als Person), Reuben Joseph (als Wissenschaftler), Ros Watt (als Freund) u.a.
UA war am 31. Juli 2024.
Weitere Termine: 10.-14., 16.-24.08.2024
Eine Koproduktion des Edinburgh International Festival mit dem Royal Lyceum Theatre Edinburgh
Weitere Infos siehe auch: https://www.eif.co.uk/
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