Energie-
verlust
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Foto (Detail): Christopher Bühler
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Bewertung:
Die Spielzeit wurde am Schauspiel Stuttgart eröffnet mit Ökozid von Andres Veiel und Jutta Doberstein. Wer nicht kapiert hat, dass der Klimawandel real ist und woran das liegt, muss jetzt nachsitzen bei Grand ReporTERRE #4: Deadline vom ortsansässigen Citizen.KANE.Kollektiv, dem Lyoner Théâtre du Point du Jour und der Journalistin Julia Lauter, das zuvor schon in Leipzig zu sehen war.
Das Citizen.KANE.Kollektiv ist eine freie Gruppe, die mit dem Geniestreich von Orson Welles, der über Jahrzehnte hinweg bei Umfragen zum besten Film aller Zeiten gekürt wurde, so viel zu tun wie die Mozartkugel mit Mozart. Sie hat die „richtige“ Gesinnung. Das bewirkt, dass die meisten Kritiker, deren Herz in der Regel besser ist als ihr Ruf, sich scheuen, eine Wahrheit auszusprechen: was Citizen.KANE.Kollektiv liefert, hat die Qualität von (schlechtem) Amateurtheater (und das gilt leider auch für das Théâtre du Point du Jour), das sich darüber hinaus als (schlechte) Amateurband hinter (schlechten) Amateurfilmen abstrampelt.
Das Stück mit dem komplizierten Titel handelt, nein, spricht von Energieverschwendung, vom Braunkohlenabbau bei Leipzig, von Atomkraftwerken inklusive den Reizwörtern Tschernobyl und Fukushima und von umweltverschmutzenden Autos in Stuttgart und anderswo.
Selbst wenn es Zuschauer geben sollte, die an diesem Abend im Kammertheater etwas Neues erfahren: nichts, aber auch gar nichts kann da irgendetwas, was der Dokumentarfilm nicht besser könnte. Vor der Bildfläche stehen beispielsweise Schauspieler*innen in ausgesucht hässlichen Overalls und simulieren die Rede der Interviewten in Nahaufnahme durch Lippenbewegungen. Wozu? Weil dem Ensemble nichts anderes einfiel? Die Aktion ist überflüssig wie ein Kropf.
Der Prometheus-Mythos wird in einer Weise verulkt, der dem Verdacht Nahrung gibt, dass Humor nicht zu den Stärken der Deutschen gehört. Auch eine „Kopie“ von Leonardo da Vincis Abendmahl (wie oft hat man das schon gesehen?), diesmal mit knapp halber Besetzung, ist nur bedingt komisch. Deutsch und Französisch genügen nicht. Hinzu kommt Englisch – so amateurhaft wie das Spiel und das Sprechen. Imposant ist allein die Ausdauer, mit der Energie durch Treten eines Stehfahrrads produziert wird. Kompliment!
Ist die Entprofessionalisierung des Theaters die taugliche Alternative zu seiner zunehmend beklagten angeblichen Belanglosigkeit? Grand ReporTERRE #4: Deadline lässt das eher bezweifeln.
Am Schluss singt ein Paar: „We’re wasting energy all the time.“ Wie wahr!
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Foto: Maëlys Meyer
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Thomas Rothschild - 13. November 2021 ID 13290
GRAND REPORTERRE #4: DEADLINE (Kammertheater, 12.11.2021)
von Citizen.KANE.Kollektiv, Théâtre du Point du Jour & Julia Lauter
Video und Fotos: Christopher Bühler, Maëlys Meyer und David Simmons
Technik: Quentin Chambeaud und Reinhard Kopp
Produktion: Marion Bouchacourt
Mit: Heidi Becker-Babel, Jürgen Kärcher, Simon Kubat, Andrea Leonetti, Eric Massé, Christian Müller, Loïc Risser und Maximilian Sprenger
Uraufführung beim Leipziger Festival euro-scene: 4. November 2021
Stuttgarter Premiere: 12. November 2021
Weiterer Termin: 13.11.2021
Weitere Infos siehe auch: https://citizenkane.de/
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