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Performance

Dance Me!

She She Pop lassen am Berliner HAU2 den Generationen Gap tanzen

Bewertung:    



Zweimal hat das Performance-Kollektiv She She Pop bereits Generationenkonflikte mit ihren Vätern und Müttern auf der Bühne ausgetragen. Die Produktion Testament wurde 2011 sogar zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Nun sind die PerformerInnen so um die 50 und selbst in dem Alter, sich den Fragen ihrer möglichen erwachsenen Kinder stellen zu können. Zu ihrer neuen Produktion Dance Me! am Berliner HAU2 haben sie aber nun die neue, junge Generation von PerformerInnen zu einem Tanz-Wettbewerb geladen und sich selbst in die Rolle der Alten begeben. Nach strengen Regeln eines Tanz-Rituals, wie sie es auch nennen, soll hier der vermeintliche Generationen Gap zelebriert werden.

Die verschiedenen Generationen haben sich schon immer auch durch ihre Musik definiert und voneinander unterschieden. Also scheint dieses „Ritual“ zunächst nicht ganz abwegig. In die Gruppen „Alt“ und „Jung“ geteilt stehen sich an diesem Abend jeweils fünf PerformerInnen gegenüber. Eine elektronische Tafel zeigt die jeweilige Runde an, ob getanzt oder Musik gespielt wird. Ein von grün über gelb bis tief rot flackernder Energiebalken symbolisiert "die von beiden Seiten brennende Kerze“, oder das abnehmende Lebenslicht. Da soll also bis zum bitteren Ende getanzt werden. Dance Till We Die von Lana Del Ray ist auch das erste Ständchen, dass die Jungen den Alten dann bringen.

Aber zuvor gibt es noch eine Art Aufwärmrunde, bei der sich die beiden Teams in roten und blauen Boxerumhängen nach dem Motto: „Wir wissen nicht...“ recht provokant zuwerfen, was sie vom anderen vermuten. Denn die Teams haben getrennt geprobt und treffen erst jetzt aufeinander. Da geht es um fehlendes Interesse am Klimawandel oder der Informationssuche via TikTok, warum nicht nach dem Gender-Pronomen gefragt wird, welche Partei gewählt wurde oder um graue Genitalhaare. Ein Sammelsurium an Zuschreibungen und Klischees, das in einem weiteren Spiel zur Entscheidung, welches Teams mit dem Tanz beginnen muss, noch weiter vertieft wird.

Dann beginnt die erste von drei Runden. Es geht zum Formationstanz, was bei den Alten, die sich nach dem von den Jungen gesungenen Lana-Del-Ray-Song bewegen müssen, doch etwas ungelenk wirkt. Fast noch schlimmer wird es in der 2. Runde, in der Ausdauer gefragt ist, zum rhythmischen Techno-Sound der Jungen. Da haben diese doch etwas mehr zu bieten, auch wenn von der Seite gute Ratschläge der älteren Generation kommen. Die jungen halten dagegen, als erste Generation in eine Welt mit Ablaufdatum geboren zu sein, woran natürlich die Alten Schuld sind. Die Bilder, die auf die jeweils andere Generation projiziert werden, sind da leider wenig überraschend. Individualität und Sinn für Style der Jungen, die sich eigentlich nicht als geschlossene Generation empfinden, steht gegen die Aufzählung vergangener Kämpfe der Alten gegen das Wettrüsten und die Atomkraft.

Über dem sichtlichen Spaß am Spiel mit Orangentanz und Tauziehen, verlieren die Teams doch etwas den Faden zum diskursiven Mehrwert des Ganzen. Bei diesem lustigen Generationen-Kindergeburtstag bleibt das Publikum doch ziemlich außen vor. Die Luft ist irgendwann raus. Auch scheint der Kampf von vornherein zu Gunsten der Jungen entschieden. Bei aller gespielten Ironie, wäre das auch etwas kontraproduktiv. Man hat sich ja schließlich auch lieb. Und spätestens beim sterbenden Schwan der She-She-Pop-Dancer versinkt das Ganze im alles ausgleichenden Einerlei.



Dance Me! von und mit She She Pop | Foto (C) Banjamin Krieg

Stefan Bock - 20. Januar 2022
ID 13410
DANCE ME! (HAU2, 18.01.2022)
Konzept, Idee: She She Pop
Von und mit: Sebastian Bark, Dan Belasco Rogers, Santiago Blaum, Lisa Lucassen, Mieke Matzke, Ilia Papatheodorou, Tatiana Saphir, Claudia Splitt und Berit Stumpf sowie Hiyam Biary, Eren M. Güvercin, Jan Nwattu, Şimal Nil Şahin, Nikolas Stäudte, Béla Arnaud Weimar-Dittmar, Zelal Yesilyurt und Sindi Zeneli
Künstlerische Mitarbeit: Laia Ribera Cañénguez und Rodrigo Zorzanelli Cavalcanti
Bühne: Jan Brokof
Kostüm: Lea Søvsø
Mitarbeit Kostüm: Marie Göhler
Licht: Andreas Harder
Choreografische Beratung: Jill Emerson
Ton: Xavier Perrone
Technische Leitung: Sven Nichterlein
Premiere war am 18. Januar 2022.
Weitere Termine: 21.-24.01.2022 (im HAU 2) / 11.-13.02.2022 (auf Kampnagel)


Weitere Infos siehe auch: https://www.hebbel-am-ufer.de/


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