Roxane
rappt
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Cyrano de Bergerac am Schauspiel Stuttgart | Foto (C) Toni Suter
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Bewertung:
Matthias Leja hat man schon in zahlreichen Hauptrollen gesehen, aber sein komödiantisches Talent konnte er nur selten unter Beweis stellen. Dazu hatte er nun reichlich Gelegenheit. Das lohnt den Besuch der neuen Inszenierung.
Jeder redet von Kitsch, aber was genau man darunter verstehen soll, weiß niemand. In der dramatischen Kunst gibt es zumindest zwei Stücke, die unter Kitschverdacht stehen und nicht tot zu kriegen sind. Ferenc Molnárs Liliom, der gerade wieder in einem Abstand von nur zwei Tagen am Burgtheater und am Berliner Ensemble neu inszeniert wurde, und Edmond Rostands zwölf Jahre zuvor uraufgeführter Cyrano de Bergerac, den das Schauspiel Stuttgart in einer neuen Fassung von Martin Crimp zeigt und von der die Times schwärmt, durch sie werde das Stück „auf die Höhe des Diskurses des 21. Jahrhunderts gerappt“.
In der alten Übersetzung von Ludwig Fulda enden die Verse, mit denen Cyrano das Duell mit seinem Beleidiger begleitet, so:
„Beichte schnell! Wo ist ein Pfaffe?
Deinen Widerstand zerbrech ich:
Finte! Quart! Da hast du's, Laffe!
Denn beim letzten Verse stech ich.“
(„À la fin de l’envoi, je touche.“)
In der Übertragung der auf eine Höhe gerappten Fassung Martin Crimps von Ulrich Blumenbach und Nils Tabert lautet das so:
„Deine duftende Welt
wird heute von meinem Degen gefällt,
und dein eitles Wesen zerschellt –
wenn aufs Blut ich getroffen hab.“
Eine Verbesserung? Nun ja.
Das Duell findet visuell als Schattenspiel und akustisch vor Mikrophonen statt. Dabei sind Duelle an sich schon ein theatrales Ereignis.
Im Original prahlt Cyrano in typisch soldatischer Kraftmeierei:
„Das sind die Gascogner Kadetten;
Ihr Hauptmann ist Castel-Jaloux.
Sie raufen und lügen und wetten;
Das sind die Gascogner Kadetten!
Sie halten zusammen wie Kletten
Und lieben und zürnen im Nu.
Das sind die Gascogner Kadetten;
Ihr Hauptmann ist Castel-Jaloux.“
("Ce sont les cadets de Gascogne
De Carbon de Castel-Jaloux;
Bretteurs et menteurs sans vergogne,
Ce sont les cadets de Gascogne!
Parlant blason, lambel, bastogne,
Tous plus nobles que des filous,
Ce sont les cadets de Gascogne
De Carbon de Castel-Jaloux.")
In der neuen Fassung kommt das nicht vor. Eine Verbesserung? Zu wenig gerappt?
Cyrano de Bergerac enthält die zweitbekannteste Balkonszene der Dramengeschichte. Cyrano steht im Schatten des Balkons und souffliert dem sichtbaren schönen Christian die Liebesverse an Roxane oben auf dem Balkon. In Stuttgart interveniert Cyrano von der ersten Reihe, vor der Rampe aus, während Christian und Roxane frontal wieder in zwei Mikrophone zu einer Musik von begrenzter Inspiration rappen.
Nach Cyranos schwärmerischem Monolog, den Roxane Christian zuschreibt, erklingt „Love Is a Many Splendored Thing“. Ganz ohne Pop aus der Vorrapzeit geht es nicht.
*
So weit, so Crimp. Der Regisseur Burkhard C. Kosminski scheint daran Gefallen gefunden zu haben. Was an dieser Fassung heutig sein soll, bleibt ein Rätsel. Der sprachlich hilflose Rap? Wir ließen ja mit uns reden, wenn Crimp und Kosminski Beispiele aus unserer Gegenwart gefunden hätten, in denen oberflächliche Menschen sich für das schöne Gesicht mit der wohlgeformten Nase und gegen der Geist entschieden haben. War aber nicht. Nur eine weitere Fassung „frei nach“, die nichts einbringt. Schade.
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Cyrano de Bergerac am Schauspiel Stuttgart | Foto (C) Toni Suter
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Thomas Rothschild - 8. Dezember 2024 ID 15046
CYRANO DE BERGERAC (Schauspielhaus, 07.12.2024)
Inszenierung: Burkhard C. Kosminski
Bühne: Florian Etti
Kostüme: Ute Lindenberg
Musik: Hans Platzgumer
Licht: Felix Dreyer
Dramaturgie: Gwendolyne Melchinger
Mit: Matthias Leja (Cyrano), Felix Strobel (Christian), Josephine Köhler (Roxane), Sven Prietz (De Guiche), Marco Massafra (Le Bret), Reinhard Mahlberg (Intendant) und David Müller (Montfleury)
Premiere am Schauspiel Stuttgart: 7. Dezember 2024
Weitere Termine: 11., 23., 26.12.2024// 02., 06., 11., 19.01.2025
Weitere Infos siehe auch: https://www.schauspiel-stuttgart.de
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