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nachDRUCK # 6

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Premierenkritik

Hinrichtung der

Wiener Gruppe

HEIT BIN E NED MUNTA WUAN am Volkstheater Wien

Bewertung:    



Die Absicht ist durchschaubar: Man wollte den sensationellen Erfolg des Jandl-Programms humanistää! wiederholen. Was lag da näher als die Wiener Gruppe, als deren Onkel sich Jandl einmal deklariert hat.

Die Zusammenstellung der Texte, die Regie und das Bühnenbild lagen in der Verantwortung des vielseitigen Wolfgang Menardi. Das Publikum gelangte, dem Applaus nach zu schließen, zu der Überzeugung, dass ihm das Unterfangen gelungen sei. Der Berichterstatter müsste sich verbiegen, wenn er so täte, als könne er diesem Urteil folgen. Er hat den Abend sowohl als Theater wie erst recht als Hommage an die Wiener Gruppe mehr durchlitten als genossen.

Um es kurz und schmerzlos zu machen: Was es da zu sehen und zu hören gab, fand er weder komisch, noch bühnenwirksam, noch seinem Gegenstand angemessen. Vielmehr verstärkte sich von Minute zu Minute der Eindruck, dass Menardi nichts verstanden hat von der Ästhetik und der Sprachauffassung, die dem Werk der Wiener Gruppe – bei H.C. Artmann, Gerhard Rühm, Konrad Bayer, Oswald Wiener und Friedrich Achleitner auf je eigene Weise – zugrunde liegen.

Durch das Programm führt ein Pompfüneberer, also ein Totengräber (Claudia Sabitzer), somit das Klischee von der Todessehnsucht der Wiener – Stichwort: „a schene Leich'“– aufnehmend. Ihm steht ein Damenquartett, zwei Frauen und zwei Männer, gegenüber. Drei sorgen zugleich für die Musik, die vierte ist der Star und neue Publikumsliebling des Voges-Ensembles Samouil Stoyanov. Er trägt die Hauptlast des Textes und erneuert die Techniken, die er schon in humanistää! zelebriert hat.

Das Bühnenbild zeigt eine Wohnung mitsamt Küche, vollgestopft und behangen mit allerlei Kruscht. Wenn von einer alten Kucheluhr die Rede ist, tickt im Hintergrund eine alte Kucheluhr: die Einholung der Wiener Gruppe durch den Bühnennaturalismus. Zwischendurch gibt es Running Gags, die zwar als running, aber kaum als nennenswerte Gags gelten können.

Nach etwas mehr als einer Stunde erhob sich ganz oben im Rang heftiges Gemurmel, und die Saallichter gingen an. Erst als der Notarzt eintraf, wurde klar, dass das nicht zur Inszenierung gehörte, sondern „echt“ war. Dabei hätte es gut zum Leitthema gepasst, aber der Pompfüneberer stand, seines Textes beraubt, hilflos am Bühnenrand.

Und weil ein Unglück selten allein kommt, waren die Zufahrtswege zu den großen Theatern gesperrt, weil die FPÖ 500 Meter entfernt im Beisein des identitären Remigrationsexperten Sellner und des schlagzeilenimpregnierten Baulöwen Lugner seinen Akademikerball feierte.

In den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts haben die Autoren der Wiener Gruppe im Nugerl, dem Keller der Disco Chattanooga am Graben, ein „Literarisches Cabaret“ vorgeführt. Davon ist im Volkstheater in heit bin e ned munta wuan leider nichts zu ahnen. Und auch Helmut Qualtingers Artmann-Lesungen zur Musik von Ernst Kölz sowie die Konrad-Bayer-Adaption von Herbert Fritsch verweisen den Volkstheaterklamauk in den Bereich des Belanglosen. Auch Romy Schneider und ein billiger Habsburger-Ulk können die Chose nicht retten. Dem Publikum hat's gereicht.



heit bin e ned munta wuan am Volkstheater Wien | Foto (C) Marcel Urlaub;
Bildquelle: volkstheater.at

Thomas Rothschild - 17. Februar 2024
ID 14604
HEIT BIN E NED MUNTA WUAN (Volkstheater Wien, 16.02.2024)
Eine Liebeserklärung an den Tod unter Verwendung von Texten der Wiener Gruppe von H. C. Artmann bis Gerhard Rühm

Regie und Bühne: Wolfgang Menardi
Kostüme: Jelena Miletić
Komposition und Musikalische Leitung: Matteo Haitzmann
Video Art: Ulrike Schild
Lightdesign: Ines Wessely
Sounddesign: Matteo Haitzmann
Dramaturgie: Ulf Frötzschner
Besetzung:
Frau Q. ... Samouil Stoyanov
Der Pompfüneberer ... Claudia Sabitzer
Der Mann von Gegenüber ... Matteo Haitzmann
Wiener Knöpferlharmonika und Gesang: Ingrid Eder
Bratsche und Gesang: Flora Geißelbrecht
Klavier und Gesang: Sixtus Preiss
Telefonstimme: Iphigenia P.
Premiere war am 16. Februar 2024.
Weitere Termine: 22.02./ 24., 31.03.2024


Weitere Infos siehe auch: https://www.volkstheater.at


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