Zu viel
Künstlichkeit
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Die Katze auf dem heißen Blechdach am DT Berlin | Foto (C) Konrad Fersterer
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Bewertung:
Die Theaterstücke von Tennessee Williams (1911-1983) eignen sich eigentlich wunderbar zur Darstellung kaputter bis toxischer Familienverhältnisse. Gnadenlose Psychoanalyse eingepackt in Well-made Plays. Im Gegensatz zu Endstation Sehnsucht oder Die Glasmenagerie steht Die Katze auf dem heißen Blechdach aber eher seltener auf den Spielplänen Berliner Theater. Obwohl das Stück nicht zuletzt durch die Verfilmung von Richard Brooks mit Elizabeth Taylor und Paul Newman eigentlich das berühmtere und erfolgreichere ist. Hollywood sollte man in Berlin nicht unbedingt erwarten. Dennoch lohnt sich durchaus ein Blick zurück ins Jahr 2007 an die Schaubühne am Lehniner Platz.
Thomas Ostermeier hatte den Südstaaten-Stoff über eine disfunktionale Familie und ihre Lebenslügen in die bei ihm übliche moderne Designer-Wohnlandschaft mit großer Sitzgarnitur gestellt. Dass das im sexuellen Notstand befindliche Ehepaar Margaret und Brick Pollitt zu Beginn in Unterwäsche auftritt, liegt natürlich an der Vorlage. Brick kommt ohne genügend Alkohol gar nicht mehr aus dem Bett, in das Maggie, auch wenn sie ihr von den Kindern der Schwägerin mit Eis bekleckertes Kleid ausgezogen hat, nicht hineinkommt. Die weitere Familie, bestehend aus besagter Schwägerin, Bricks älterem Bruder Gooper und ihrer Mutter, umkreist den Patriarchen Big Daddy, der ohne Wissen dem Tod schon auf der Schippe sitzt, und gieren nach dessen Erbe, auf das auch Maggie scharf ist.
Ohne das Können des damaligen Schaubühnen-Ensembles schmälern zu wollen, ist es gerade Josef Bierbichler als Big Daddy, der eindrucksvoll die Fallhöhe des Stücks markiert. Ein alternder Self-Made Man, dem an seinem 65. Geburtstag und dem Tode nahe die Felle wegzuschwimmen drohen. Ein Stärke gewohnter Mann verliert die Macht über sein Leben. Dass da am Ende als Hitzeentladung nur eine Torte fliegt, könnte man schon als Resignation davor empfinden, dass hier nichts wirklich Gutes nachwächst außer Gefühlskrüppel und ein paar „halslose Monster“.
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Strumpf- und Unterhosenchic herrscht zunächst auch auf der Bühne des Deutschen Theaters Berlin, für das Regisseurin Anne Lenk den Williams-Klassiker aus den US-amerikanischen Südstaaten der 1950er Jahre ins bei ihr zumeist übliche Kästchenbühnenbild (von Judith Oswald) gepresst hat. Lorena Handschin als Maggie windet sich wie die titelgebende Katze in Nylons über die Bühne. Sie setzt zum erotischen Sprung auf ihren Mann Brick an. Der hat allerdings seine gesamte Erotik bereits im Whisky ersäuft. Jeremy Mockridge spielt seinen Brick als großen gelangweilten Jungen, den man eigentlich ständig knuddeln will, der aber nie wirklich greifbar ist. Das wirkt dann schon ein wenig autistisch. Die große Whisky-Flasche als Dauer-Requisit hängt ein wenig schwer an ihm runter. Kein Wunder, dass der Junge am Vorabend betrunken über die Hürden des Collage-Sportplatzes gestolpert ist und sich den Fuß verknackst hat. Soviel zu Sprüngen, die man hier niemanden wirklich abnimmt.
Das mag auch an den relativ albernen Kostümen liegen, in die Sibylle Wallum das Ensemble gesteckt hat. Am auffälligsten ist das bei DT-Star Ulrich Matthes, der mit angeklebter Halbglatze in seinen etwas zu großen Anzug wie hineingeborgt wirkt. Später am Abend muss er noch im Flauschbademantel mit Ohrenkapuze auftreten. Es ist nichts dagegen einzuwenden, überkommene patriarchale Rollenmuster auch deutlich sichtbar zu machen. Dem Stück hilft es aber wenig, wenn die Inszenierung die Hälfte des Personals als lächerliche Figuren zeigt. Matthes rettet sich allerdings recht routiniert in seinen doch nahegehenden Dialog mit dem seine unterdrückte Liebe zum toten Freund Skipper im Whisky ersäufenden Lieblingssohn Brick. Mehr davon wäre schön gewesen.
Anne Lenk ist dafür bekannt, die Frauenrollen in den von ihr ausgewählten Klassikern aufzuwerten. Das gelingt ihr hier mit der Figur der Maggie leider nur bedingt, was nicht an der schauspielerisch sehr guten Leistung von Lorena Handschin liegt. Und ihre Maggie hat hier einiges wegzustecken als Frau, die angeblich ihren Mann nicht glücklich machen kann. Es ist viel von Durchhalten im Interview mit dem Team im Programmflyer zu lesen. Frauen, die bis zur Selbstaufgabe an der Seite ihrer Männer ausharren. Das will wohl auch das ständige Zwischenbild eines als Big Daddy maskierten Kindes, neben dem Big Mama mit einem Lampenschirm über dem Kopf steht, ausdrücken.
Aber was sagt das eigentlich über eine Frau, die am Ende ihre Liebe mit einer weiteren Lüge retten will? Ist das Pseudo-Happy-End ein Zeichen von Stärke oder doch von Resignation? Da macht die Inszenierung, die wie auf Rechenkästchen gezirkelt im künstlichen Bühnenbilderrahmen erstarrt, doch etwas ratlos. Hier wird weder Katze noch Blechdach, das Wetter oder sonst irgendwas wirklich heiß.
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Die Katze auf dem heißen Blechdach am DT Berlin | Foto (C) Konrad Fersterer
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p. k. - 11. Dezember 2023 ID 14519
DIE KATZE AUF DEM HEISSEN BLECHDACH (Deutsches Theater Berlin, 08.12.2023)
Regie: Anne Lenk
Bühne: Judith Oswald
Kostüme: Sibylle Wallum
Musik: Ingo Schröder
Licht: Cornelia Gloth
Dramaturgie: David Heiligers
Mit: Lorena Handschin (Margaret), Jeremy Mockridge (Brick), Julischka Eichel (Mae), Jonas Hien (Gooper), Miriam Maertens (Big Mama), Ulrich Matthes (Big Daddy), Andri Schenardi (Reverend Tooker) und Frieder Langenberger (Dr. Baugh)
Premiere war am 8. Dezember 2023.
Weitere Termine: 14., 20., 25.12.2023// 01., 02., 21.12.2024
Weitere Infos siehe auch: https://www.deutschestheater.de/
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