Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 6

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Premierenkritik

Klaus Manns

Roman einer

Karriere



Mephisto von Klaus Mann - an den Münchner Kammerspielen | Foto (Detail): Armin Smailovic

Bewertung:    



Für ihre zweite Inszenierung an den Münchner Kammerspielen hat sich die Regisseurin Jette Steckel den 1936 im Exil erschienen Roman Mephisto von Klaus Mann (1906-1949) ausgesucht. Nach Brechts Die Gewehre der Frau Carrar die zweite Münchner Inszenierung eines Werks aus den 1930er Jahren, mit denen die aktuelle politische Situation in Deutschland heute gern verglichen wird. Der Niedergang der Demokratie begleitet vom Faschismus auf dem Vormarsch. Klaus Manns Roman über den Aufstieg des an den Schauspieler und Intendanten Gustaf Gründgens angelehnten Schauspieler Hendrik Höfgen beginnt nach einem Vorspiel 1936 auf einer Feier zum Geburtstag des preußischen Ministerpräsidenten bereits im Jahr 1928 mit dem Engagement Höfgens am progressiven Künstlertheater Hamburg.

Auch in den Kammerspielen tritt zunächst Schauspieler Thomas Schmauser als Hendrik Höfgen vor den Vorhang und hält eine kurze Begrüßungsrede. Nachdem der Vorhang sich geöffnet hat, sieht das Publikum eine Ankleideszene hinter der Bühne und das Ende einer bizarren Aufführung von Shakespeares Hamlet mit Höfgen und der Schauspielerin Dora Martin (Johanna Eiworth) als Ophelia. Die Bühne ist von Florian Lösche mit mehren Stellwänden ausgestattet worden, die sich flexibel verschieben lassen und das Setting des Theater im Theater gut unterstreichen. Im Laufe des Abends wird es immer wieder Einsprecher der Inspizientin Erika aus dem Off geben, das Bühnenpersonal der Kammerspiele baut auf und räumt wie selbstverständlich ab, auch nach einem handfesten Streit Höfgens mit seiner ersten Frau Barbara (Linda Pöppel), bei der der Frühstückstisch des Paars kurzerhand vom ebenfalls anwesenden Schauspieler Otto Ulrichs (Martin Weigel) umgeworfen wird.

Hat der Karriere-Typ Höfgens, den zu charakterisieren es Klaus Mann in seinem Roman ging, eine echte politische Gesinnung, oder hält er es lediglich für schick links zu sein? Eine Art Salonkommunist, der zunächst noch für den Rausschmiss des jungen Schauspielers und Anhängers der Nationalsozialisten Hans Miklas (Elias Krischke) sorgt, als der hier auf der Bühne den Hitlergruß zeigt. Nach der Machtergreifung der Nazis und der Flucht der jüdischen Schauspielerin Dora Martin ins Ausland biedert sich Höfgen bei der von ihm einst verachteten Schauspielerin Lotte Lindenthal (wieder Johanna Eiworth) an und wird der Günstling ihres Mannes, des preußischen Ministerpräsidenten (Edmund Telgenkämper), angelehnt an den Nazigeneral Hermann Göring.

Die Inszenierung verfolgt den Werdegang Höfgens von seinen Hamburger Jahren, in denen er immer wieder die Eröffnung eines Revolutionären Theaters mit seinem Schauspielkollegen Otto Ulrichs (angelehnt an den kommunistischen, von den Nazis ermordeten Schauspieler Hans Otto) propagiert, über seinen Wechsel als Schauspieler nach Berlin bis zur Berufung zum Intendanten des Berliner Staatstheaters unter den Nazis, ohne den Roman lediglich nachzuspielen. Jette Steckel versucht den historischen Bezug zu heute herauszuarbeiten, wenn Otto Ulrichs über Hans Miklas sagt, das dieser nur glaube „an allem Übel seien die Migranten schuld“. Es wird bei der Entlassung von Miklas, der hier immer wieder seine Wut mit Schlagzeugsoli heraustrommelt, sogar im Schauspielensemble diskutiert, ob man Nazis nicht integrieren, anstatt rausschmeißen sollte. Später zitiert der Ministerpräsident Zeilen aus dem Parteiprogramm der AfD zur völkischen Kultur. Ansonsten gibt es auch ein paar schöne Musikeinlagen, wie Danger Dans Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt.

Das könnte man in Teilen als übergriffig belehrend empfinden. Die klare Verortung ins Jahr 1933 mit der Machtergreifung der Nazis erfolgt erst später am Abend. Aber die Spaltung in ein unbestimmtes Davor und ein eindeutiges Danach, was sich so auch wiederholen könnte, ist ein durchaus legitimer Kunstgriff. Wie bei Klaus Mann steht aber letztendlich auch bei Jette Steckel der Künstler Höfgen im Mittelpunkt. Seine Haltung, seine cholerischen Anfälle und Nervenzusammenbrüche, das ständige Lavieren eines auch von Selbstzweifeln zerfressenen Opportunisten verkörpert Thomas Schmauser als Kraftzentrum des Abends nahezu kongenial. Als Clown der Macht mit halbem Hakenkreuz über den Augen der Mephisto-Maske wird Höfgen zum Spielball der vom Ministerpräsidenten verkörperten Mächtigen. Telgenkämper gibt den diabolischen Gegenpart und tänzelt als Chaplin über die Bühne.

Die Inszenierung verliert auch das Schicksal der Nebenfiguren nicht aus dem Blick. Neben dem Freund Otto Ulrichs, für den sich Höfgen immer wieder einzusetzen versucht, ihn aber auch mit seinen Verbindungen zur Macht nicht retten kann, steht hier der heimliche Geliebte und schwarze Tänzer Julien (im Roman Julietta), dargestellt von Bless Amada, der hier stellvertretend für die nicht ins völkische Bild der Nazis passenden Minderheiten, aus dem Land getrieben wird. Das schlechte Gewissen nagt zwar an Höfgens, aber die Karriere und die Fähigkeit zum Selbstbetrug („Ich bin doch nur ein ganz gewöhnlicher Schauspieler.“) lassen ihn das vergessen. Die homosexuellen Neigungen kaschiert Höfgen durch eine Heirat mit der Schauspielerin Nicoletta von Niebuhr (Maren Solty).

Ebenso genial ist die Besetzung des nationalsozialistischen Intendanten Cäsar von Muck mit dem im Rollstuhl sitzenden Schauspieler Erwin Ajukić, der auch noch eine Hitlerparodie mit Schmauser vor dem Vorhang gibt. Als Dichter Benjamin Pelz (Gottfried Benn) prophezeit er noch die „Geburt eines neues Menschentyps“, der die Katastrophe liebt. Er sieht in Höfgen „am zierlichsten über Kadaver hüpften“. Ins Gewissen redet ihm nochmal seine Ex-Frau Barbara. „Es ist egal, wie viele Menschen du rettest. Du legitimierst hier Faschisten!“ Dazu fehlt dem „radikalen Genie“ aber am Ende der Text.



Mephisto von Klaus Mann - an den Münchner Kammerspielen | Foto: Armin Smailovic

Stefan Bock - 3. März 2025
ID 15171
MEPHISTO (Münchner Kammerspiele, 28.02.2025)
nach dem Roman einer Karriere von Klaus Mann

Regie: Jette Steckel
Bühne: Florian Lösche
Kostüme: Pauline Hüners
Musik: Mark Badur
Lichtdesign: Maximilian Kraußmüller
Fassung: Emilia Heinrich
Dramaturgie: Johanna Höhmann, Theresa Schlesinger und Carl Hegemann
Mit: Bless Amada, Erwin Aljukić, Johanna Eiworth, Elias Krischke, Linda Pöppel, Thomas Schmauser, Maren Solty, Edmund Telgenkämper und Martin Weigel
Premiere war am 28. Februar 2025.
Weitere Termine: 06., 09., 11., 18., 27., 30.03./ 03., 04., 11.04./ 12., 28.05./ 25.06./ 21.07.2025


Weitere Infos siehe auch: https://www.muenchner-kammerspiele.de


Post an Stefan Bock

Freie Szene

Neue Stücke

Premieren (an Staats- und Stadttheatern)





  Anzeigen:





THEATER Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

BALLETT |
PERFORMANCE |
TANZTHEATER

CASTORFOPERN

DEBATTEN
& PERSONEN

FREIE SZENE

INTERVIEWS

PREMIEREN-
KRITIKEN

ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski

THEATERTREFFEN

URAUFFÜHRUNGEN


Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal


Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2025 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)