Ziemlich cool
und im
Alleingang
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Sophie Passmann mit Pick me Girls am Berliner Ensemble | Foto (C) Jörg Brüggemann
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Bewertung:
Das gibt es im Theater nicht so häufig. Der Star des Abends bekommt schon beim ersten Auftritt Jubel und Applaus. Sophie Passmann tritt im engen Korsettoberteil auf. Dazu einen langen Schottenrock mit breitem Schlitz. Der kommt auch irgendwo als Erzählung aus der Jugend in Passmanss Buch Pick Me Girls vor. Ihren autobiografischen, feministischen Bestseller hat die Autorin, Schauspielerin und Moderatorin für den Auftritt umgeschrieben und performt ihn nun auch höchst selbst auf der Bühne des Berliner Ensemble. Da knallt zu Beginn die Flitterkanone und es dröhnt „It's me, hi, I'm the problem“ (Anti-Hero von Taylor Swift) aus dem Off. Laut, raumgreifend und selbstbehaupteter Kult, das alles ist Sophie Passmann. Daran lässt sie vor Showvorhang und großem muschelförmigen Spiegelfächer keine Minute Zweifel. Im Stile einer Stand up Comedy vor Mikrofonständer beginnt Passmann diesen 85minütigen Abend, der erst später auch seine leiseren Töne finden wird.
Aber zunächst geht es sofort ans Eingemachte. Die Anekdote aus der Kindheit, laut der sie bereits als Neugeborenes zu dick für den Krankenhausstrampler war, ist der Aufmacher und rote Faden durch die Höhen und Tiefen einer jungen Frau auf der Suche nach der Frau, die sie gerne geworden wäre, wenn da nicht der ständige Druck und Drang wäre, sich einer Männerwelt anpassen zu müssen, um von ihr wahrgenommen zu werden. Im Grunde ist das die Deutung für die titelgebenden Pick Me Girls, die anders als andere Frauen sein wollen, nicht zu kompliziert für Männer, und so irgendwann vergessen haben, sie selbst zu sein. Ein Wettbewerb und Konkurrenzkampf, der für Passmann nicht nur Essstörungen zur Folge hatte. Das Körpergefühl, ein ewiger Kampf gegen gängige Konfektionsgrößen. Erst mit den Freundinnen bei H&M, später dann bei Fotoshootings für Magazine und Buchcover.
Sophie Passmann erzählt das hier mit viel Selbstironie, die ihrem 220-seitigem Lebensmemoire noch abging. Da liest sich doch einiges anders und nicht so locker, wie die Autorin das hier in der Regie von Christina Tscharyiski performt. Von Anbeginn hat sie nun die Lacher auf ihrer Seite. Das Buch benötigt da mehr Anlauf, geht über die US-amerikanische Frauenfilmgeschichte von Der Teufel trägt Prada bis zur Kultserie Girls. Die jungen dünnen Frauen auf Tumblr.com werden für Passmann zum schrägen Vergleich, was an ihr falsch ist. Sie arbeitet sich aber auch am „Konzept Mann“ ab. Deren Problem sei: „Sie brauchen Frauen, aber sie hassen Weiblichkeit." Das sitzt. Aber auch der Kritik an ihrer Art von Feminismus, Bekenntnissen, Schönheitseingriffe vorgenommen zu haben und mit Aussagen in sozialen Medien provoziert zu haben, kommt Passmann geschickt zuvor.
Was im Buch mehr Raum findet, wird hier auf wenige Beispiele eingedampft. Männliche Saunabegegnungen und Griffe unter den Rock werden weitestgehend ausgespart. Dafür gibt es eine Aufzählung davon, wie Männer Frauen schlecht behandeln. Das lässt aufhorchen. In kurzen Zwischenspielen zu Musikeinspielungen geht Sophie Passmann immer wieder in sich, wirkt nachdenklich und endet schließlich mit einem fast schon melancholischen Monolog, dass man sich selbst nicht entkommen kann. Eine kleine Hymne auf die Frau, die sie eigentlich gerne geworden wäre. Das ist als Selbstkritik sicher sympathisch und schafft Sympathien im Publikum. Der Abend wie auch das Buch, das sogar ein zweites Vorwort nur für Männer hat, dürfte auch so für Denkstoff sorgen. Allein so beiläufig cool performt hinterlässt er auch ein leichtes Gefühl von Oberflächlichkeit.
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Pick me Girls am Berliner Ensemble | Foto (C) Jörg Brüggemann
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Stefan Bock - 23. Oktober 2024 ID 14978
PICK ME GIRLS (Berliner Ensemble, 17.10.2024)
nach ihrem gleichnamigen Buch bearbeitet für die Bühne von Sophie Passmann
Regie: Christina Tscharyiski
Bühne & Kostüm: Janina Kuhlmann
Musik: Laura Landergott
Licht: Hans Fründt
Dramaturgie: Johannes Nölting
Mit: Sophie Passmann
Premiere war am 17. Oktober 2024.
Weitere Termine: 03., 20.11. / 01., 02.12.2024
Weitere Infos siehe auch: https://www.berliner-ensemble.de
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