Vom Traum
zum Trauma
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Kleists Prinz Friedrich von Homburg an der Schaubühne Berlin | Foto (C) Armin Smailovic
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Bewertung:
Wer heute Heinrich von Kleists Drama Prinz Friedrich von Homburg an der Berliner Schaubühne inszenieren will, könnte durchaus einiges an historischem Erwartungsdruck verspüren. Peter Steins 1972 unter dem Titel Kleists Traum vom Prinzen Homburg noch am Theater am Halleschen Ufer herausgekommene Inszenierung ist legendär und wurde zum Berliner Theatertreffen eingeladen.
Auch die Regisseurin Jette Steckel schließt in ihrer ersten Arbeit für die Schaubühne am Lehniner Platz den Autor Kleist mit seinem Titelhelden Homburg kurz, verlegt aber die Handlung um den schlafwandelnden Befehlsverweigerer und preußischen Reitergeneral in der Schlacht von Fehrbellin aus dem Jahr 1675 ins kriegstraumatisierte Heute. Aus Traum wird hier ein aktuelles Kriegstrauma.
Dazu stellt sich das Ensemble zunächst in Alltagskleidung an die Rampe der Bühne, die Florian Lösche mit einer Schräge aus schwarzen Plastiksäcken ausgestattet hat, und zieht sich um in uniformiertes Camouflage (Kostüme: Pauline Hüners) inklusive Stiefeln, Helm und Sturmgewehr. Noch ganz ohne Worte, aber mit viel Gestöhne und schwer atmend stehen sich in ohrenbetäubendem Maschinengewehrgeknatter und allerhand anderem Kriegslärm Homburg und ein namenloser Soldat gegenüber. Was sich entspinnt, erinnert an die Bombenkraterszene aus Erich Maria Remarques Roman Im Westen nichts Neues. Quälend lange stirbt hier der fremde Soldat. Mit weißer Maske wird er zum untoten Gespenst in Homburgs Traum vom Lorbeerkranz. Subtil ist das nicht gerade. Aber wie schon Edward Bergers Oskar-gekrönte Remarque-Verfilmung ist es zumindest sehr effektvoll inszeniert.
Was folgt, ist aber nicht eine moderne Überschreibung des vielfach interpretierten Dramas. Jette Steckel belässt stark gekürzt Kleists Originaltext und versetzt ihn nur mit einigen Passagen aus dessen Briefen an seine Verlobte Wilhelmine von Zenge oder an den Lehrer Christian Ernst Martini (im Programmheft abgedruckt). Die Themen kreisen um die sinnlosen Mühen der Aufklärung oder die des militärischen Drills, der nur „viele Exerziermeister“ und „viele Sklaven“ hervorbringt. Die militärische Disziplin erscheint Kleist als „ein lebendiges Monument der Tyrannei“. Ein Mensch, der als preußischer Offizier gezwungen war zu strafen, wo er gern verziehen hätte.
Diesem Kleist-Menschen, dem „im Leben nicht zu helfen“ war, entzieht Jette Steckel mit ihrer düsteren Inszenierung nun auch noch die Fähigkeit ohne Angst zu träumen. Natürlich spult sich nebenbei noch das ganze Drama um die gewonnene Schlacht über die Schweden ab. Ein Sieg, der dem Kurfürsten von Brandenburg (Axel Wandke) nur durch die Verletzung der Order, nicht in den Kampf einzugreifen, bevor er gerufen wird, „schwer gekränkt“ wurde. Viel pathetisches Gedöns, das hier noch mit Videoprojektionen von marschierenden Soldaten und viel Musik vom Band, wie den Doors-Song Riders on the Storm untermalt wird. Wie sooft geht da die Lust am kräftigen Bild mit der Regisseurin förmlich durch. Der Prinz (Renato Schuch) zunächst im roten Camouflage, dann in Unterhose kopfüber hängend oder sich in ein aus den Säcken gerissenes Grab kauernd, liegt schließlich wie der vom Kreuz abgenommene Jesus in den Armen der Kurfürstin (Stephanie Eidt).
Ein David-Bowie-Cover (Let's Dance) und ein Soldaten-Ballett nach Tschaikowskys Nussknacker wechseln mit über die Schräge rutschenden SchauspielerInnen oder dem im engen Clinch liegenden Homburg mit seiner Natalie (Alina Vimbai Strähler), die hier höchst selbst als Offizier das Dragonerregiment befehligt. Als Kottwitz knarzt Jule Böwe. Man hat da noch Carmen-Maja Antonie in Claus Peymanns letzter Inszenierung am Berliner Ensemble in guter Erinnerung. Der Prinz fällt am Ende nicht in Ohnmacht, sondern richtet sich höchst selbst. Traum oder Albtraum dürfte da keine Frage mehr sein. Wer dennoch Lust am Krieg verspürt, ist vermutlich nicht besonders empfänglich für derart traumatischen Brachial-Pazifismus. Ein wenig übers Ziel hinausgeschossen? Könnte sein.
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Kleists Prinz Friedrich von Homburg an der Schaubühne Berlin | Foto (C) Armin Smailovic
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p. k. - 16. November 2023 ID 14474
PRINZ FRIEDRICH VON HOMBURG (Schaubühne am Lehniner Platz, 14.11.2023)
Regie: Jette Steckel
Bühne: Florian Lösche
Kostüme: Pauline Hüners
Musik: Mark Badur
Choreografie: Dominika Knapik
Video: Zaza Rusadze
Dramaturgie: Bettina Ehrlich
Licht: Carsten Sander
Mit: Jule Böwe, Holger Bülow, Stephanie Eidt, Bastian Reiber, Renato Schuch, Alina Vimbai Strähler und Axel Wandtke
Premiere war am 14. November 2023.
Weitere Termine: 16., 17.11. / 07., 08., 10., 11., 12.12.2023
Weitere Infos siehe auch: https://www.schaubuehne.de/de/
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