Die Leichen-
fledderer
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Corinna Harfouch in Heiner Müllers Quartett im Humboldt Forum Berlin | (C) Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, Foto: David von Becker
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Bewertung:
Corinna Harfouch und Oscar Olivo spielten gestern Abend im Saal 2 des Berliner Humboldt Forums paar Repliken aus Quartett von Heiner Müller (1929-1995). Über Merteuils großen Eingangsmonolog und ein paar weitere, meist monologische, Stückausschnitte ging die Angelegenheit dann nicht hinaus, denn eigentlicher Anlass war ein denkbar anderer:
"In der DDR konnte das Stück erst im April 1989 im 'theater im palast' unter der Regie von Bernd Peschke aufgeführt werden. Ein halbes Jahr später, Anfang Oktober 1989, steht Heiner Müller selbst auf der Bühne des 'tip' und liest die Rolle des Valmont, denn Regisseur und Hauptdarsteller hatten die DDR über Ungarn in Richtung Bundesrepublik verlassen." (Quelle: humboldtforum.org)
Im Mittelpunkt stand Vera Oelschlegel (86), die ehemalige Prinzipalin und Leiterin des tip. Ihrem nicht unerheblichen Einfluss (als damalige Gattin Konrad Naumanns, des ehemaligen Ersten Sekretärs der SED-Bezirksleitung Berlin) wird es vermutlich mitzuverdanken gewesen sein, dass im April 1989 die DDR-Erstaufführung von Müllers Quartett stattfinden konnte - uraufgeführt wurde es 1982 in Bochum; und warum es bloß so lange dauern musste, dass es endlich auch diesseits des Eisernen Vorhangs über die Bühne ging, bleibt rätselhaft; es war und ist das weltweit populärste Stück des nach Brecht vielleicht berühmtesten und bedeutendsten ostdeutschen Dramatikers, populär auch deshalb, weil es sich bei ihm um nicht viel mehr als exzessiv gehobenen Boulevard handelte. Wie es Müller anstellte, aus Laclos' unsäglichem Briefroman Gefährliche Liebschaften [s. auch den gleichnamigen Film mit Glenn Close und John Malkovich] einen vom Plot her äußerst konzentrierten und sprachlich untoppbaren Theatertext zu meißeln, sucht bis heute seinesgleichen. Ja, es zählt zu meinen absoluten Lieblingsstücken, und ich hatte seiner Zeit besagte tip-Aufführung live erlebt.
Die Harfouch konnte ich demnach (in der Regie von Marcel Kohler & der Harfouch höchstpersönlich) als die Oelschlegel, die sich Jahrzehnte später an das selbige Quartett [s.o.] zu erinnern glaubte, identifizieren: Sie verbringt ihre Nachwendezeit auf einer Pflegestation, und der Olivo kümmert sich um sie als fürsorglicher Pfleger - nebenbei versorgt er auch noch eine weitere Patientin, die dann (als satirische Verzerrung der satirischen Verzerrung) als Oelschlegel-Gliederpuppe in dem Nebenbett der Harfouch stumm ihr pflegebedürftiges Dasein fristet.
Nun, es ging dann hin und her...
Und außer den Quartett-Zitaten gab es hinlänglich bekannte Auszüge aus weiteren Müller-Texten, beispielsweise aus Hamletmaschine oder aus den letzten autobiografischen Notizen kurz vor seinem Tod plus das aus einem selbstfahrenden Reinemachcomputer kindlich deklamierte Herzstück zu hören.
Auch der für das Stück so maßgebliche Rollentausch fand in dieser mit überbordenden Videoprojektionen (Roman Kuskowski) und einem penetranten Geräusche-Sound (Hannes Gwisdek) modernistisch angemüllten Inszenierung faktisch statt.
Zum Schluss hin lieferte sich das Protagonistenpaar einen körperlichen Schlagabtausch, sodass die Harfouch und der Olivo hiernach klatschnass sprich schweißgebadet vor uns standen, um sich im Applaus des Publikum verdientermaßen und genießerisch zu suhlen.
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Oscar Olivo und Corinna Harfouch spielen Heiner Müllers Quartett im Humboldt Forum Berlin | (C) Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, Foto: David von Becker
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Andre Sokolowski - 6. Oktober 2024 ID 14955
Heiner Müller – Quartett. Material (Humboldt Forum, 05.10.2024)
Eine Erinnerung mit Corinna Harfouch, Oscar Olivo u. a.
Regie: Marcel Kohler und Corinna Harfouch
Sound: Hannes Gwisdek
Video: Roman Kuskowski
Dramaturgie: Kristin Schulz
Mit: Corinna Harfouch und Oscar Olivo
Weiterer Termin: 06.10.2024
In Partnerschaft mit dem Heiner Müller Archiv / Transitraum
Weitere Infos siehe auch: https://www.humboldtforum.org
https://www.andre-sokolowski.de
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