Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 6

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Repertoire

Well done, aber

im Abgang etwas

fad angerichtet



Das Dinner am Deutschen Theater Berlin | Foto (C) Thomas Aurin

Bewertung:    



Es ist angerichtet am Deutschen Theater. Das Publikum schaut auf die Kulisse eines Nobelrestaurants mit offener Küche und Designertisch im Vordergrund (Bühne von Ann-Christine Müller). Darin annonciert ist ein Moral-Krimi und Debattier-Stück mit dem Titel Das Dinner, basierend auf dem Bestsellerroman Angerichtet des niederländischen Schriftstellers Herman Koch, veröffentlicht 2009 und bereits mehrfach verfilmt u.a. 2017 (Berlinale-Wettbewerb) vom israelischen Regisseur und Drehbuchautoren Oren Moverman mit Richard Gere in einer der vier Hauptrollen.

Zwei Elternpaare treffen sich… Das klingt zunächst sehr nach Gott des Gemetzels oder Dreimal Leben von Yasmina Reza. Vermutlich wollte das DT auch daran anknüpfen. Ein Well-Made-Play über den moralischen Verfall der bürgerlichen Gesellschaft. Vom „dünnen Firnis der Zivilisation“ und „Aggressionstrieb des Menschen“ ist in der Ankündigung zum Abend die Rede. Und wie im Gott des Gemetzels werden auch hier die Paare zwischen Aperitif und Digestiv verbal aufeinander losgehen.

Inszeniert hat den Abend der ungarische Regisseur András Dömötör. Zuletzt sah man von ihm Verführung von Lukas Bärfuss mit Ulrich Matthes auf der DT-Bühne. Matthes ist auch diesmal in der Rolle des ehemaligen Lehrers Paul Lohmann dabei, neben ihm Maren Eggert als sein Frau Claire Lohmann. Als sein Bruder Serge Lohmann, sozialdemokratischer Politiker und aussichtsreicher Kandidat für die Wahl zum niederländischen Premierminister, sitzt Bernd Moss mit am Tisch, begleitet von Wiebke Mollenhauer als seine Frau Babette Lohmann.

Eine Starbesetzung im Sternerestaurant sozusagen. Anlass des Essens ist eine Gewalttat der beiden Söhne der Familien, begangen an einer Obdachlosen, die den Jugendlichen beim Geldziehen in einem Bankomatenraum im Weg lag. Die gefilmte Tat wurde später vom moldawischen Adoptivsohn Serges ins Netz gestellt. Die Gesichter der Jungen sind zwar nicht wirklich zu erkennen, aber die Angst, die polizeilichen Ermittlungen könnten zu ihnen führen, treibt die Eltern neben dem vorgeschobenen Schutz der Söhne und deren Zukunft an, die Tat doch vielleicht lieber zu vertuschen.

Was zunächst wie ein lockeres Geplänkel bei Champagner und Vorspeisen-Olive an Rosmarinkrönchen daherkommt, entwickelt sich spätestens beim Dessert zur moralischen Bankrotterklärung zweier sich für intelligent und fortschrittlich haltenden Paare. Paul hat ein psychisches Gewaltproblem, dass er in Rückblenden erfahrbar auch seinem Sohn Michel (Carlo Krammling) vorgelebt hat. Gelegentlich als Erzähler aus der Handlung austeigend erscheint Paul zunächst als netter Typ, der lieber in die Kneipe nebenan geht, als sich mit seinem Bruder und dessen Frau im Nobelrestaurant zu treffen. Dass er genau wie sein Bruder auf die Belegschaft des Restaurants herabschaut merkt man aber im Lauf des Abends. Klassismus und vermeintlich moralische Überlegenheit sind hier ebenso ein Thema wie die Scheinheiligkeit eines Politikers, der weltmännisch tut und sich in Phrasen und Selbstgefälligkeit ergeht. Die Hassliebe zu seiner Frau, die für ihn ihre eigene politische Karriere geopfert hat, leben die beiden in ständigen auch lautstarken Sticheleien aus.

Dömötör inszeniert den Dinner-Abend als relativ konventionelles Konversationsstück, das nur recht gemächlich aus dem Ruder zu laufen beginnt. Als auflockernde Gags dienen die Auftritte des Restaurantbesitzers (Jens Koch) oder des Kellners (Andri Schenardi), der die Menüfolge in blumigen Worten begleitet. Schenardi und Koch, die in Rückblenden auch Psychologe und Schuldirektor mimen und zusammen als Restaurantbesucher ein Selfi mit dem Politstar machen, dienen hier als notwendige Pausenclowns und spielen auch mal die Tat mit Obst- und Gemüsebeilage nach. Der sich zusehends ziehende Moraldiskurs findet sein nicht mehr allzu überraschendes Ende nach dem Kaffee in der Kneipe gegenüber, wo die taffe Löwen-Mutter Claire über sich hinauswachsen wird. Schauspielerisch ist das Dinner well done serviert. Ansonsten bleibt es im Abgang eher fad.



Das Dinner am Deutschen Theater Berlin | Foto (C) Thomas Aurin

Stefan Bock - 1. November 2024
ID 14996
DAS DINNER (Deutsches Theater Berlin, 29.10.2024)
nach dem Roman Angerichtet von Herman Koch

Regie: András Dömötör
Bühne: Ann-Christine Müller
Kostüme: Almut Eppinger
Musik: Tamás Matkó
Video: Bálint Kolozsváry
Licht: Matthias Vogel
Dramaturgie: Karla Mäder
Mit: Ulrich Matthes, Maren Eggert, Bernd Moss, Wiebke Mollenhauer, Jens Koch, Andri Schenardi und Carlo Krammling
Premiere war am 26. Oktober 2024.
Weitere Termine: 10., 16., 30.11. / 26.12.2024


Weitere Infos siehe auch: https://www.deutschestheater.de/


Post an Stefan Bock

Freie Szene

Neue Stücke

Premieren (an Staats- und Stadttheatern)



Hat Ihnen der Beitrag gefallen?

Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!



Vielen Dank.



  Anzeigen:





THEATER Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

BALLETT |
PERFORMANCE |
TANZTHEATER

CASTORFOPERN

DEBATTEN
& PERSONEN

FREIE SZENE

INTERVIEWS

PREMIEREN-
KRITIKEN

ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski

RUHRTRIENNALE

TANZ IM AUGUST

URAUFFÜHRUNGEN


Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal


Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)