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Wüten im

Rosarot



Lena Geyer, Imke Siebert und Paul-Michael Stiehler in Die Hand ist ein einsamer Jäger von Katja Brunner - am Theater Bonn | Foto © Matthias Jung

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„Not fragile like a flower, fragile like a BOMB...“

Das F.U.C.Kollektiv thematisiert derzeit in der Eventlocation Kult41 in der Bonner Altstadt in einer Ausstellung Weiblichkeit. In knalligen Farben prangen Aufschriften wie „GRL PWR“ und „feminst as FUCK“. Neben der Skizzierung weiblicher Geschlechtsorgane werden sprechende Botschaften, wie „maybe I’m NOT too sensitiv, maybe you’re just a DICKHEAD“ hervorgehoben.

Salopp, plakativ, provokant und zotig darf es auch in einer aktuellen Produktion vom Theater Bonn zugehen, die sich feministischen Fragen aus einer erfrischend jungen Perspektive widmet.

*

Rosafarbende Flächen, Goldtöne, Spiegelungen und eine detailreich im Jugendstil verzierte Tür schmücken das Bühnenbild. Ganz in Pink sehen wir mitten auf der Spielfläche eine achteckige Erhöhung, in deren Mitte eine kreisrunde Vertiefung liegt. Bühnen und Kostümbildnerin Vanessa Vadineanu hat die Akteur*innen in körperbetonte, farbig schimmernde Einteiler gesteckt, die sich in Blau, Grün und Weiß effektvoll vor den Rosafarben im Hintergrund akzentuieren, sodass der Eindruck eines Puppenhauses oder Barbie-Surroundings entsteht.

Die Theaterautorin Katja Brunner, geboren 1991 in Zürich, erhielt 2013 den Mülheimer Dramatikerpreis für Von den Beinen zu kurz, einem Drama über sexuellen Missbrauch. Im gleichen Jahr wurde sie von der Zeitschrift Theater heute zur Nachwuchsdramatikerin des Jahres gekürt. Ihre frei assoziative Textfläche in Die Hand ist ein einsamer Jäger wurde 2019 an der Berliner Volksbühne uraufgeführt.

Die drei Bühnenfiguren sprechen nach vorne zum Publikum hin, ergehen sich rebellisch in Fragen der Selbstermächtigung, beklagen Rollenzuschreibungen. Bruchstückhaft geht es um einen Widerstand weiblich gelesener Körper und dagegen, als Projektionsfläche zu dienen. Die drei Akteur*innen schlüpfen in eine Bandbreite von Situationen und verkörpern unterschiedliche Figuren.

Eine Prinzessin Selda wird als ein Produkt männlicher Phantasien entlarvt. Sie kommt selbst, sich räkelnd, zu Wort, klagt über Zuschreibungen und konventionelle Konstrukte. Lena Geyer spielt diese Projektionsfläche sehr beweglich und ruft später aus: „Schuster, bleib bei deinen Leisten, Leisten.“

Die weiblichen Figuren wehren sich dagegen, dass ihre Körper als Anschauungsmaterial gedeutet und sie gar im Sinne vermeintlich überkommener Weiblichkeits- und Schönheitsideale in zu engen Kleidern ausgestellt werden. In einer Dankesrede auf das Erwachsenwerden heißt es bezeichnenderweise in der dritten Person: „Danke dafür, dass aus ihr etwas hätte werden können. Danke, dass sie nicht sichtbar werden musste. Danke auch, dass sie erlernte, nicht Nein zu sagen.“

Da gibt es ein hungerndes Mädchen (Imke Siebert), das sich den Kopf vornübergebeugt in eine Schüssel entleert, einen ganzen Chor von Bulimikerinnen solidarisch um sich wahrnimmt. In einer anderen Szene mimt Siebert eine Frau, die wiederholt fragt, wem die Hand gehört, die ihren Körper in der Disco bis in das Höschen begrabscht. Da wird auch aus der Perspektive einer Hausfrau gesprochen, die sich als begrenzt wahrnimmt.

Die Darsteller*innen streifen in ihren Dialogen auch religiöse Subtexte, wenn es etwa um die erste Frau, Eva, geht: „Aus der Rippe, wichtige Rippe.“ Wenn christliche Gebete wie das Vaterunser mit einer am Kreuze hängenden Julia effektvoll umgedeutet werden, wünscht man sich, wie so oft, dass auch die Geschlechtergerechtigkeit in der muslimischen Religion und in Bildern des Korans untersucht werde.

Die Dekonstruktion der Geschlechter bleibt so recht vage, poppig und mit kurz aufblitzenden trashigen Momenten, etwa wenn Paul Michael Stiehler mehrfach einen chauvinistischen „Hodenclub“ feierlich dröhnend ankündigt und dabei Streichinstrumente zu lustvollen Ankündigungen eines „Hodensaftes“ erklingen (Musikalische Leitung: Samuel Wiese).

Süffisant zieht sich der vorgetragene Text durch sämtliche Körpersäfte. Schamgrenzen werden überschritten. Drei ältere Damen aus vorderster Reihe verlassen während der Vorstellung geschlossen den Theatersaal. Der sarkastisch anmutende bittere Text ist mitunter recht flach, bedient manchmal zu sehr die Klischees, schweift ab und hat Längen. Trotzdem ist die kurzweilige Inszenierung von Sarah Kurze in vielen Momenten auch ein großer, gewagter Spaß, etwa wenn Lena Geyer mit Nachdruck eine Schweigeminute einläutet oder plötzlich unter den weiten Röcken des sich, zuvor apart und fein langsam bewegenden Paul Michael Stiehlers feierlich seine beiden Bühnenpartnerinnen hervorlugen.



Die Hand ist ein einsamer Jäger von Katja Brunner - am Theater Bonn | Foto © Matthias Jung

Ansgar Skoda - 8. Februar 2025
ID 15140
DIE HAND IST EIN EINSAMER JÄGER (Werkstatt, 04.02.2025)
von Katja Brunner

Regie: Sarah Kurze
Musikalische Leitung: Samuel Wiese
Bühne und Kostüme: Vanessa Vadineanu
Licht: Johanna Salz
Dramaturgie: Carmen Wolfram
Mit: Lena Geyer, Imke Siebert und Paul Michael Stiehler
UA an der Volksbühne Berlin: 23. Mai 2019
Premiere am Theater Bonn: 17. Januar 2025
Weitere Termine: 20.02./ 22., 28.03.2025


Weitere Infos siehe auch: https://www.theater-bonn.de


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