Vom alten König
und der jungen
Tänzerin
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Foto (C) Adrienne Meister
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Bewertung:
Besser hätte der Tatort nicht gewählt sein können: Das Cuvilléstheater, benannt nach dem Architekten François Cuvilliés d.Ä., war früher eigentlich nur das Zuschauerhaus des Hofes und also des bayerischen Königs Ludwig I. Da saß er selbst. Und hätte vielleicht seine Freude dran gehabt, wie seine berühmte Geschichte mit Lola Montez hier liebevoll nachgespielt wird: rockend, rappend, balladesk auf der zierlichen Rokoko-Bühne – voller Witz und Humor und mit einem brillanten Ensemble.
Allen voran der alte König: Georg Ringsgwandl (75 Jahre alt, unglaublich präsent und völlig uneitel) schlurft mit schiefem Gesicht in heruntergetretenen Schlappen und abgewetztem Rock krumm und gebeugt durch die Szene. Er greift mal in die Tasten des Klaviers, mal in die Saiten der Zither, um sein Leben zu beschreiben und sich einen Reim drauf zu machen. 5 Uhr Aufstehen, viel Papier. „Die andern leben fürs Plaisir, derweil ich mir an Wolf regier…“ Oh mei.
Und dann kommt die junge spanische Sängerin - mit einer „minimalen Geldschwäche“. Da bricht „der Vesuv in ihm“ aus. Sie beklagt sich: „Meine Apanage is a schreiende Blamage.“ Der bekanntermaßen sparsame König (der vielfach geflickte Morgenmantel des echten Monarchen ist im Stadtmuseum zu besichtigen) glaubt sich geliebt, greift tief in die Schatulle und entnimmt ihr mehr als seine Minister verdienen. „Ja. Aber die Lola macht mir auch doppelt so viel Freude.“ Das verstehen weder die Münchner noch der Hof, besonders weil die angebliche Spanierin sich öffentlich daneben benimmt, lautstark abhottet wo „die Disco ist trist so“. Auch die Ermahnung der Geistlichkeit („Die Ewigkeit zieht sich…“) verpufft. „Auf die Knie vor dieser Gräfin, die euch weckt aus eurem Schläfchen. Sie ist zweifellos für diese Stadt zu groß!“ Der Ausgang ist bekannt: „I bin dann zrucktreten.“
Herrlich die Dialoge zwischen der Zofe Lolas (saukomisch: Nicola Mastroberardino) und dem Sekretär Ludwigs (köstlich verklemmt: Noah Saavedra), großartig die Live-Musiker*innen ( Angela Avetisyan, Christian Diener, Martin Kursawe, Gerwin Eisenhauer, Bettina Maier ), stimmgewaltig die Locken schüttelnd Vassilissa Reznikoff als Lola. Hörbare Spielfreude bei allen Beteiligten.
Alle 26 locker gereimten Songs sind eingehüllt in einen angeschmutzten weiß-blauen Vorhang, der die Bühne freigibt für eine riesige Königskrone. Die hat Volker Hintermeier mit Edelsteinen bestückt, die in Bonbonfarben blinken können. Mit viel Liebe zum Detail sind kleine Brezn als ornamentale Verzierung eingearbeitet. Diese Krone schwebt über allem und verbreitet auch noch Weihrauchduft. Man ist schließlich gut katholisch in München - wenn auch ein bisserl provinziell.
Der Weg der historischen Lola führte schließlich hinaus in die große weite Welt bis nach Amerika, wo sie erfolgreich mit der Theaterrevue Lola Montez in Bavaria durchs Land tourte. Das erzählt Ludwig I. alias Georg Ringsgwandl zum Schluss auch noch – voller Bewunderung und Stolz. Dann rumpelt er nochmal den Hit des Abends: "Die zwoa ghern zam"!
Grandios!
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Nicola Mastroberardino (im Vordergrund); Angela Avetisyan, Bettina Maier (im Hintergrund) | Foto (C) Birgit Hupfeld
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Petra Herrmann - 16. April 2023 ID 14147
LOLA M. (Cuvilliéstheater, 14.04.2023)
Konzertante Version von und mit Georg Ringsgwandl
Musik, Text und Einrichtung: Georg Ringsgwandl
Musikalische Leitung: Roman Sladek
Bühne: Volker Hintermeier
Kostüme: Lola Paltinger
Licht: Markus Schadel
Dramaturgie: Michael Billenkamp
Mit: Vassilissa Reznikoff (als Lola Montez), Georg Ringsgwandl (als König Ludwig I.), Nicola Mastroberardino (als Lolas Zofe, Hofschneider und Hoffriseur) und Noah Saavedra (als Baron von Heideck und Leutnant Nußbammer) sowie den Live-Musikerinnen und -musikern Angela Avetisyan (Trompete), Christian Diener (Bass), Martin Kursawe (Gitarre), Bettina Maier (Saxophon und Querflöte) und Gerwin Eisenhauer (Drums)
Premiere am Residenztheater München: 14. April 2022
Weitere Infos siehe auch: https://www.residenztheater.de
Post an Petra Herrmann
petra-herrmann-kunst.de
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