In Wahrheit
JOHANN HOLTROP, HOLZFÄLLEN und HAMLET am Burgtheater Wien
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Johann Holtrop gehört zu den Stücken, die Stefan Bachmann aus Köln nach Wien mitgebracht hat. Eine Chance für die Wiener, die neuen Ensemblemitglieder kennenzulernen.
Bewertung:
Nicholas Ofczarek wurde mit nur 23 Jahren von Claus Peymann ans Burgtheater geholt. Heute ist er einer der wenigen Stars der Peymann-Ära, die noch dem Burgtheaterensemble angehören. In einer bejubelten Lesung widmet er sich Thomas Bernhards Holzfällen. Wer erinnert sich noch an den Hass, der Thomas Bernhard einst entgegenschlug? So ändern sich die Zeiten, so blamieren sich Kritiker und Leser.
Obwohl Thomas Bernhard fast drei Dutzend Theaterstücke geschrieben hat, werden immer wieder seine Erzähltexte für die Bühne bearbeitet. So auch der Roman Holzfällen. Bei seinem Erscheinen im Jahr löste er einen Skandal aus – der Untertitel lautet Eine Erregung –, weil man hinter dem unvorteilhaft gezeichneten Ehepaar Auersberger zu Recht den 2002 verstorbenen Komponisten Gerhard Lampersberg und dessen Frau vermutete. Die Versuche allerdings, die Verbreitung des Buchs zu verhindern, haben das Gegenteil bewirkt. Es wurde zu einem Riesenerfolg. Ob Florentina Holzinger das berücksichtigt, wenn sie über den angeblichen Skandal von Sancta klagt?
Ofczarek artikuliert diszipliniert (was längst keine Selbstverständlichkeit mehr ist). Nur für Sekunden wechselt er in eine nachgeahmte Sprechweise. Wenn er mit Bezug auf Ibsens Wildente monoton wiederholt „Der Ekdal ist die schwierigere Rolle“, kann man an Helmut Qualtingers Schauspielerparodien denken.
Holzfällen ist eine Orgie des Ekels vor der österreichischen Gesellschaft, namentlich der Künstlerkreise. Anlass sind der Selbstmord und das Begräbnis der Freundin Joana. Die Monologe des Erzählers und des von ihm zitierten Burgtheaterschauspielers sind, klar, eine Rolle, eine „Übertreibung“, aber nicht nur. In sie fließt unverkennbar auch Bernhards eigene Misanthropie ein. So können die Zuschauer lachen und zugleich geäußerten Ansichten zustimmen. Zudem ist es nicht ohne Witz, wenn ein Burgschauspieler die Burgschauspieler verspottet. Immer wieder heißt es „in Wahrheit“. Sie ist das Gegenstück zu einer Gesellschaft der Lüge, der Verstellung und der Heuchelei. So ist es sehr nah an der Wahrheit, wenn der Erzähler den Austrofaschisten Rudolf Henz einen „stumpfsinnigen, ordinären, erzkatholischen Kunstmissbraucher“ nennt, ja den „größten aller kulturellen Umweltverschmutzer in diesem Lande.“
Begleitet wird Nicholas Ofczarek von Trauermusik der Musicbanda Franui, dem Osttiroler Pendant zur bosnischen Band von Goran Bregović. Schönheit inmitten all der Widrigkeiten.
Bewertung:
Karin Henkel hat fürs Burgtheater Hamlet inszeniert – nein, fünf Hamlets. Schon vor Shakespeare gab es ein Stück mit dem Titel Der bestrafte Brudermord oder: Prinz Hamlet aus Dännemark. Es behandelt den Stoff durchweg mit einer naiven Komik. Auch Karin Henkel entdeckt in Hamlet die Komödie, die es ja bei Shakespeare in Ansätzen oder als Einlage immer gibt. Worin allerdings bei der Verfünffachung der Titelfigur und bei nicht immer subtilem Humor der Zugewinn besteht, hat sich dem Kritiker nicht erschlossen. Zwischendurch betont Henkel Selbstreflexionen über das Theater. Zum Glück gibt es Michael Maertens. Wenn sein Claudius den ermordeten Bruder anfleht, ist das ein großer Theatermoment. Und überhaupt nicht komisch. Was Hamlet umtreibt, was die Ursache für sein viel zitiertes Zögern ist, beantwortet auch diese Inszenierung nicht.
Bewertung:
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Das ist das neue Logo vom Burgtheater Wien - seit dieser (neuen) Spielzeit 2024/25.
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Thomas Rothschild - 24. Oktober 2024 ID 14980
JOHANN HOLTROP (Burgtheater, 21.10.2024)
nach dem gleichnamigen Roman von Rainald Goetz
Regie: Stefan Bachmann
Bühnenbild: Olaf Altmann
Kostüme: Jana Findeklee und Joki Tewes
Komposition und musikalische Einrichtung: Sven Kaiser
Choreographie und Körperarbeit: Sabina Perry
Licht: Michael Gööck
Dramaturgie: Lea Goebel
Mit: Nicola Gründel, Melanie Kretschmann, Anja Laïs, Rebecca Lindauer, Lea Ruckpaul, Cennet Rüya Voß, Luana Velis, Ines Marie Westernströer, Sabine Waibel u.a.
UA am Schauspiel Köln: 25. Februar 2023
Österreichische EA war am 15. März 2024.
HOLZFÄLLEN (Burgtheater Wien, 22.10.2024)
von Thomas Bernhard
Komposition & musikalische Bearbeitung: Markus Kraler und Andreas Schett
Textfassung: Tamara Metelka und Andreas Schett
Licht: Paul Grilj
Mit: Nicholas Ofczarek und der Musicbanda Franui
Premiere war am 12. September 2024.
HAMLET (Burgtheater Wien, 23.10.2024)
Regie: Karin Henkel
Bühne: Katrin Brack
Kostüme: Teresa Vergho
Musik: Thomas Kürstner und Sebastian Vogel
Chorleitung: Alexander Weise
Licht: Michael Hofer
Dramaturgie: Thomas Jonigk und Christina Schlögl
Mit: Alexander Angeletta, Benny Claessens, Katharina Lorenz, Michael Maertens, Marie-Luise Stockinger, Kate Strong und Tim Werths sowie den Live-Musikern Thomas Kürstner und Sebastian Vogel
Premiere war am 5. September 2024.
Weitere Infos siehe auch: https://www.burgtheater.at
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