Die Zwiebel und
der Zeppelin
PEER GYNT sowie KASIMIR UND KAROLINE am Burgtheater Wien
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Die Welt kennt Henrik Ibsens Peer Gynt als großflächiges Stationendrama, als einen der wenigen gelungenen Versuche, die Geschichte der Menschheit in die Geschicke einer einzigen Figur zu gießen. Das Stück verleitet zur üppigen Ausstattung, seine Titelfigur bleibt eine Herausforderung für die großen Mimen der Vergangenheit und der Gegenwart. Thorleifur Örn Arnarsson hat es, zunächst für das intime Kasino des Burgtheaters, mittlerweile für das größere Akademietheater als düsteres Kammerspiel in Schwarz-Weiß und im Halbdunkel inszeniert.
Vorbei die idiotischen Diskussionen, wer was verkörpern dürfe. Kein Mensch stößt sich daran, dass dieser Peer eine Frau ist, nämlich Mavie Hörbiger. Denn sie ist so grandios, dass sie alle Bedenken beiseite schiebt und als das ausweist, was sie sind: als Hirnprodukte aus dem Geist einer bigotten Wokeness.
Mavie Hörbiger spielt den Peer Gynt als ein unschuldiges, neugieriges und freches Kind, stets in Bewegung, ständig präsent. Sogar die Zwiebel, die sie schält, um zu erkennen, dass sie sich nicht erkennen kann, ist echt und riecht bis in die letzte Reihe.
Nein, das ist nicht der beste Peer Gynt, den man je gesehen hat (an der Burg lieferte Claus Peymann 1994 einen mit Ulrich Mühe), aber Mavie Hörbiger ist einer der besten Peer Gynts. Unabhängig vom Geschlecht.
Bewertung:
Beharrlich hält sich die Rede vom Burgtheater als bester deutschsprachiger Sprechbühne, als Nationaltheater gar. Als Stefan Bachmann zur laufenden Spielzeit die Intendanz übernahm, musste er ein Programm auf die Beine stellen. Keine leichte Aufgabe. Zum Teil besteht es aus Neuinszenierungen, zum Teil aus Übernahmen vom Vorgänger Martin Kušej und zum Teil aus Mitbringseln aus Köln, meist mit Schauspielern, die Bachmann von dort mitgebracht hat. Nun folgt das einer üblichen Praxis und dem Gebot der Not. Nur: dass Köln die Heimstatt des besten Theaters sei, war nicht bekannt. Ist es das auf dem Weg nach Wien geworden? Wenn nicht, ist auch das Lob für die Burg substanzloses Geschwätz. Sie ist ein Theater wie andere auch, mit höheren Gagen und mal besseren, mal schwachen Inszenierungen. Kasimir und Karoline in der Regie von Mateja Koležnik gehört zur zweiten Kategorie, auch und gerade im Vergleich zu früheren Arbeiten der Slowenin.
Bei Koleżnik ist Ödön von Horváths viel gespieltes Stück von 1932 ein ständiges Kommen und Gehen auf zwei Ebenen, einem Waschraum unten und einer Art Garage mit Erste-Hilfe-Bereich oben. Verschiebbare Milchglasscheiben geben den Blick auf Ausschnitte frei und erwecken die Erinnerung an einen Bilderbogen. Diese Regie wertet die Nebenfiguren auf und entkernt die zentrale Fabel. Das Elend, ein zentrales Thema Horváths, den Peter Handke einst in einem viel diskutierten Aufsatz für besser als Brecht hielt, wird vom ununterbrochenen Trubel überdeckt. Und wieder glänzt Mavie Hörbiger, als „dem Merkel Franz seine Erna“.
Bewertung:
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Das ist das neue Logo vom Burgtheater Wien - seit dieser (neuen) Spielzeit 2024/25.
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Thomas Rothschild - 19. Oktober 2024 ID 14971
PEER GYNT (Akademietheater, 16.10.2024)
Regie: Thorleifur Örn Arnarsson
Bühnenbild und Kostüme: Daniel Angermayr
Musik: Gabriel Cazes
Licht: Paul Eisemann
Dramaturgie: Anika Steinhoff
Mit: Mavie Hörbiger, Barbara Petritsch, Lilith Häßle, Johannes Zirner, Nils Strunk und Gabriel Cazes
Premiere am Burgtheater Wien: 15. März 2024
KASIMIR UND KAROLINE (Burgtheater Wien, 18.10.2024)
Regie: Mateja Koležnik
Bühne: Raimund Orfeo Voigt
Bühnenbild-Mitarbeit: Thilo Ullrich
Kostüme: Ana Savić-Gecan
Licht: Michael Hofer
Sounddesign: Christoph Mateka
Komposition: Michael Gumpinger
Choreografie: Magdalena Reiter
Dramaturgie: Sebastian Huber
Mit: Felix Rech, Marie-Luise Stockinger, Markus Meyer, Markus Hering, Jonas Hackmann, Christoph Luser, Mavie Hörbiger, Pia Zimmermann, Maresi Riegner, Elisabeth Augustin, Wolfram Rupperti, Christoph Griesser, Sophie Aujesky, Olivier Blau u.a.
Premiere war am 24. März 2023.
Weitere Infos siehe auch: https://www.burgtheater.at
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