Ein Solo
fürs Absurde
mit Wolfram Koch
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Foto (C) Astrid Karger
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Bewertung:
Man verliert leicht die Orientierung bei den vielen Köchen, die nicht unwesentlich zum Erfolg des gegenwärtigen deutschsprachigen Theaters beitragen. Damit können allenfalls die Könige unter den Schauspieler*innen mithalten. Diesmal ist es also nicht Roland und nicht Sebastian und erst recht nicht Marianne, sondern Wolfram Koch, den die Habitués des Tatorts als Frankfurter Ermittler kennen.
Für seinen aktuellen Soloabend Zack. Eine Sinfonie mit Texten von Daniil Charms hat der Fernseh-Kommissar eine originelle Wahl getroffen. „Habent sua fata libelli“: Dieser Spruch, der zum Arsenal der Folterwerkzeuge von Lateinlehrern gehört, trifft vollinhaltlich auf Daniil Charms zu. Und der wiederum gibt uns Gelegenheit, an den früh verstorbenen Übersetzer Peter Urban zu erinnern. Ohne ihn, aber auch ohne Verleger, deren Format selten geworden ist, wäre der Russe den deutschen Lesern ein unbeschriebenes Blatt geblieben. Das gilt auch und erst recht, wenn Wolfram Koch sich für die späteren Übersetzungen von Beate Rausch und Alexander Nitzberg entschieden hat.
Dass es in der frühen Sowjetunion eine mittlerweile ausgerottete aufregende Avantgarde gegeben hatte, war eher gerüchtweise als durch Textstudium bekannt. Dass es aber bereits in den dreißiger Jahren einen Russen gab, der so ziemlich alle Techniken der modernen absurden Literatur vorweggenommen hatte, war eine Entdeckung. Nach einer zunächst zögerlichen Rezeption von Peter Urbans Übersetzungen erlebten einige Texte von Charms eine Inflation, die nicht weniger schädlich war als die Missachtung. Offenbar in der irrigen Annahme, nicht-realistisches Theater ließe sich auch von Stümpern spielen, machten sich alle möglichen Amateurbühnen über Szenen von Charms, insbesondere über seine Elizaveta Bam her. Noch vor der sogenannten Wende waren sowohl in der stets vorpreschenden und daher das Risiko wagenden Friedenauer Presse von Katja Wagenbach, als auch im Züricher Haffmans Verlag, wie in der DDR, die gegenüber unter Stalin verbotener Literatur keineswegs so keusch war, wie es westliche Vorurteile imaginierten, Auswahlbände mit Charms-Texten erschienen. Plötzlich kannte jeder den Namen des Dichters, der 1942, als Opfer von Stalin und Hitler zugleich, während der Blockade Leningrads in einem Gefängnis ums Leben kam.
Wolfram Koch betritt die Bühne in einem lila Paillettenanzug über einem Rüschenhemd aus einem mit goldener Lametta verhangenen Schrank. Er liefert, was man in Deutschland für Komik hält: Perücken, ein falsches Gebiss nach dem Vorbild von Peter Simonischek in Toni Erdmann, Konfetti, als wäre man beim Kölner Karneval, Grimassen und eine eher einfallslose Ballettparodie. Nur kurz vor Ende, in der Erzählung über Das Schicksal einer Professorenfrau, findet er zum adäquaten Underplay. In knapp drei Wochen wird Nicholas Ofczarek hier mit Thomas Bernhards Holzfällen gastieren. Seine Komik ist der von Wolfram Koch diametral entgegengesetzt. Mutig, wer diese beiden Schauspieler der gleichen Kategorie zuordnet.
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Zack. Eine Sinfonie mit Wolfram Koch | Foto (C) Astrid Karger
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Thomas Rothschild – 10. Februar 2025 ID 15143
ZACK. EINE SINFONIE (Schauspielhaus, 09.02.2025)
Texte von Daniil Charms
Inszenierung: Jakob Fedler
Ausstattung: Dorien Thomsen
Musik: Michael Haves
Mit: Wolfram Koch
Premiere am Schauspiel Stuttgart: 17. Januar 2025
Weitere Termine: 13., 30.04.2025
Eine Koproduktion des Saarländischen Staatstheaters und des Theatre National du Luxembourg
Weitere Infos siehe auch: https://www.schauspiel-stuttgart.de/
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