Schattenspiele
zwischen
Fin de Siècle
und Film Noir
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Plakatmotiv zu Robert Wilsons Dorian, einer Koproduktion des Düsseldorfer Schauspielhauseses mit dem Nationalen Dramatheater Kaunas | Bildquelle: dramosteatras.lt
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Bewertung:
An diesem Abend dreht sich am Düsseldorfer Schauspielhaus alles um Dorian Gray, Oskar Wilde, Francis Bacon – und Christian Friedel. Der verkörpert in Robert Wilsons Dorian nach einem Text von Darryl Pinckney Maler und Muse, Täter und Oper, Künstler und Geschöpf gleichermaßen. Und das tut er äußerst virtuos.
Zu Beginn bewegt sich Friedel, in schwarzem Mantel und mit Hut zunächst kaum vom Hintergrund zu unterscheiden, in einem Maleratelier, in dem Leinwände herumstehen, Farbeimer und Pinsel. Natürlich kunstvoll in Schwarz, Weiß und Grautönen gehalten. Umso effektvoller dann der Riss in der Leinwand, der rot aufleuchtet. Der Maler Francis Bacon hatte seinerzeit den Kleinkriminellen George Dryer überrascht, als dieser in sein Atelier einbrach, und ihn zu seiner Muse und seinem Liebhaber gemacht. Das Setting dieser Szene erinnert ein wenig an Film Noir, mit schlaglichtartiger Beleuchtung, Scheinwerfern, die grell ins Publikum leuchten, geheimnisvollen Silhouetten und einer Polizeisirene.
Wenig später ist die Bühne auf einen schmalen Streifen begrenzt und ganz in Weiß gehalten, Friedel entsprechend weiß angezogen, mit dem schwarzen Mantel über der Schulter drapiert. Mal ist er hier Dorian, der Porträtierte aus Oscar Wildes Roman Das Bildnis des Dorian Gray, der nicht altert, mal der Autor selbst, der sich im Scheinwerferlicht in Pose wirft.
Regisseur Robert Wilson setzt diese Tableaus, in denen sich Friedel bewegt, gewohnt grandios in Szene. Da sitzt jede Scheinwerfereinstellung, stimmt jede Bewegung, passt jeder Bühnenaufbau. Ein Lob hier auch an die Technikcrew, die hinter der Bühne und auf der Bühne bei den Umbauten Großartiges leistet und wesentlich zum reibungslosen Gelingen dieses Abends beiträgt (obwohl man an einer Stelle etwas bang auf einen Hänger blickte, der sich hoch oben verfangen zu haben schien). Bewundernswert, dass immer die richtigen Kostümteile zur Hand sind (mal ein schwarzer, mal eine weißer Handschuh, je nach größtmöglichem Kontrast) und wie Friedel mit Hut ausgeleuchtet wird, obwohl sichtbar kein Licht von vorne kommt. Ästhetisch ist das hohe Kunst. Etwas belanglos vielleicht an manchen Stellen, etwas zu viel Selbstzweck ist im Spiel. Aber immerhin wird auch von Figuren erzählt, die das l’art pour l’art zelebrieren, und wenn nicht das, so doch zumindest sehr bestimmt sich selbst. Vor allem im zweiten Teil des Abends reiht sich allerdings ein wenig Bild an Bild, in immer schnellerer Folge, ohne dass sie noch die Stärke der Anfangsbilder hätten.
Am nachdrücklichsten ist der Abend aber immer dann, wenn die Fassade brüchig wird, etwa wenn Friedel alias Oscar Wilde klar wird, dass er den Prozess verlieren wird, in dem er der Homosexualität und Sodomie angeklagt wird. War er doch zuvor äußert selbstsicher, dass niemand ihm etwas anhaben kann. Und Friedel legt hier eine großartige Gesangsnummer aufs Parkett, denn singen kann er auch. Die Geschichte lehrt, dass Wilde später verarmt in Paris gestorben ist, diese Verurteilung also eine elementare Zäsur in seinem Leben bedeutete.
Stark dann auch das Schlussbild, in dem Christian Friedel mit dem Rücken zum Publikum vor einer bühnenfüllenden Einstellung aus einem alten Film zu stehen scheint, die eine dunkle Hütte in einer schneebedeckten Landschaft zeigt. Vor der Leinwand eine zweifache Silhouette, die langsam zu einer verschmilzt. Ein Moment der Ruhe und Kontemplation, bevor Wilson und mit ihm Friedel im Epilog wieder zur großen Show zurückkehren, die vom Düsseldorfer Publikum frenetisch bejubelt wird. Zu recht, was Christian Friedels großartige Leistung angeht, etwas zu viel des Lobes für die manchmal doch ein wenig kunstgewerblich wirkende Inszenierung, bei der schlussendlich die Show die Brüche überdeckt. Aber auch das ist eine Botschaft.
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Karoline Bendig - 27. November 2022 ID 13934
DORIAN (Düsseldorfer Schauspielhaus, 22.11.2022)
Konzept, Regie, Bühne, Licht: Robert Wilson
Kostüm: Jacques Reynaud
Originalkomposition: Woods of Birnam
Ko-Regie: Ann-Christin Rommen
Ko-Bühnenbild: Stephanie Engeln
Ko-Lichtdesign: Marcello Lumaca
Video: Tomasz Jeziorski
Make-up-Design: Manu Halligan
Ko-Kostüm: Louise B. Vivier
Sound-Design: Torben Kärst
Dramaturgie, musikalische Beratung: Konrad Kuhn
Mit: Christian Friedel (Dorian), Jeremia Franken (Dorians Schatten) und Darryl Pinckney (Stimme im Radio)
UA war 9. Juni 2022.
Weitere Termine: 03., 06., 16.12.2022// 15., 16., 23., 24.04./ 03., 04.06.2023
Eine Produktion des Düsseldorfer Schauspielhauses in Koproduktion mit dem National Kaunas Drama Theater und dem Staatsschauspiel Dresden
Weitere Infos siehe auch: https://www.dhaus.de
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