"Kleiner Prinz"
und UNO-
Menschen-
rechts-
erklärung
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Olaf Kollmannsperger tanzte die Berliner Erstaufführung des Solostücks Citizen Nowhere von David Dawson | Foto: Yan Revazov
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Bewertung:
Das Staatsballett Berlin - derzeit unter kommissarischer Intendanz von Christiane Theobald - bekommt mit dem Tänzer und Choreografen Christian Spuck ab der Saison 2023/24 einen neuen Leiter. Im Juni dieses Jahres wurde das durch die Senatsverwaltung für Kultur und Europa entschieden. Die Hoffnung ist daher sehr groß, dass ab dem neuerlichen Wechsel endlich wieder (wieder?) administrative Ruhe und v.a. choreografisch-tänzerische Gediegenheit in die seit zirka sieben Jahren von "Umbrüchen" arg gebeutelte größte Ballett-Company Deutschlands einzieht.
Bis dahin muss freilich noch anderthalb Saison das Provisorium durchgestanden sein, ja und für diese aktuelle Spielzeit stehen beispielsweise Wiederaufnahmen solch altbewährter Klassiker wie Don Quixote, Onegin oder Schwanensee an, und es wird auch endlich die bis da mehrfach verschobene Dornröschen-Premiere (am 13. Mai) mit der Choreografie von Marcia Haydée (!) geben. Außerdem findet (ebenfalls wegen Corona mehrfach verschoben) Sasha Waltz' Uraufführung ihrer Sym-Phonie 2020 mit der Musik von Georg Friedrich Haas in der Berliner Staatsoper Unter den Linden statt.
Zudem sind mehrteilige Tanz- oder Ballettabende wie Forsythe / Eval (mit den Stücken The Second Detail und Strong) und Jewels (mit Balanchine-Choreografien) im Repertoire - genauso wie das Folgende, was zum Saisonbeginn am 26. September in der DOB Premiere hatte:
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Vom britischen Choreografen David Dawson stammen sowohl das Tanzsolo Citizen Nowhere (uraufgeführt in Amsterdam 2017) als auch die Voices für 14 Tänzerinnen und Tänzer.
Das Solo-Stück ist inspiriert von Antoine de Saint-Exupérys rührseligem Weltbestseller Der kleine Prinz (1942/43), dessen küchenphilosophische Quintessenz "Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar." ein jeder - und natürlich auch eine jede - kennen dürfte. Das Büchlein, das sein Autor, der ein Kampfpilot gewesen war und (ein paar Jährchen nach dem Buch) mit seinem Flugzeug abstürzte und diesen Sturz nicht überlebte, zusätzlich auch illustrierte, hat nicht einmal 50 Seiten, und es liest sich, wie man so schön sagt, wie Butter, ja, ratz-fatz ist man mit ihm auch plötzlich durch. Sein allegorischer und humanistischer Gehalt ist zweifelsohne zeitlos und generationenübergreifend; irgendwie ein Phänomen...
Dawson meinte, sich "mit dem Gefühl der Verlorenheit des Individuums in einer Zeit der Weltgeschichte, in der Menschen, vollkommen einsam, in eine 'moderne Zwangslage geraten, sobald sie, vielleicht auf der Flucht, mit dem Status der Staatenlosigkeit ihre tatsächliche Existenz infrage gestellt sehen" beschäftigen zu müssen.
Und Edo Wijnen (der auch die Amsterdamer Uraufführung vor vier Jahren tanzte) schenkt dem Kleinen Prinzen eine kindgewes'ne Anmut sondergleichen. Seine körperliche Schönheit macht Betrachtende schlicht, einfach und ergreifend: sprachlos.
"Im Januar 2021, einem der dunkelsten Momente der Pandemie, begab er sich mit den Tänzerinnen und Tänzern seiner Besetzung auf eine individuelle introspektive Suche, um im geschützten Raum des Probensaals eine vertrauensvolle Gemeinschaft wachsen zu lassen. Aus diesem einenden Geist erwächst aufrichtige Hoffnung, die sich im Ergebnis als eine universelle menschliche Empfindung auch dem Publikum mitteilt. Die musikalische Grundlage fand David Dawson in Max Richters Komposition Voices (von 2020). Der Musiker beschäftigte sich mehrere Jahre lang mit der Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948, und gab dem Wortlaut der ersten Artikel dieser Resolution vielstimmigen Ausdruck: 'Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren'. Das ist der inhaltliche Auftakt zu seinen musikalischen Szenen, die er unter dem Eindruck aktueller, internationaler, bedrückender Ereignisse fertigstellte, und zwar als Vision einer besseren und gerechteren Welt, deren Verwirklichung in den Händen der Menschen selbst liegt." (Quelle: staatsballett-berlin.de)
Das [s.o.] liest sich schon interessant.
Aber wie kommt man - allen Ernstes - bloß auf die Idee, die UNO-Menschenrechtserklärung "vertanzen" lassen zu wollen? Noch dazu unter so derart nervtötenden Klängen einer hyperschwülstigen Musik, wie sie der Komponist Max Richter auf das Wichtigtuerischste aufsetzte und/ oder auf das Kläglichste zusammenmixte!
Nichtsdestotrotz haben die vierzehn Ausführenden [Namen s.u.] unsre vollste Sympathie!! Klassischer Tanz, wie man ihn sich halt vorstellt, wird von ihnen hochprofessionell geleistet und geliefert.
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Voices von David Dawson mit dem Staatsballett Berlin | Foto: Yan Revazov
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Andre Sokolowski - 22. Oktober 2021 ID 13230
DAWSON (Deutsche Oper Berlin, 21.10.2021)
Voices und Citizen Nowhere mit dem Staatsballett Berlin
Citizen Nowhere
Choreographie und Konzept: David Dawson
Musik: Szymon Brzóska
Bühne: Eno Henze
Kostüme: Yumiko Takeshima
Licht: Bert Dalhuysen
Film: Altin Kaftira
Einstudierung: Rebecca Gladstone und Raphaël Coumes-Marquet
Mit: Edo Wijnen
UA am Het Muziektheater, Amsterdam: 12. Februar 2017
Voices
Choreographie und Konzept: David Dawson
Musik: Max Richter
Bühnenbild: Eno Henze
Kostüme: Yumiko Takeshima
Licht: Bert Dalhuysen
Choreographische Assistenz: Raphaël Coumes-Marquet und Rebecca Gladstone
Mit: Iana Balova, Alexander Bird, Sarah-Jane Brodbeck, Elisa Carrillo Cabrera, Yolanda Correa, Tyler Gurfein, Mari Kawanishi, Konstantin Lorenz, Sacha Males, Ross Martinson, Johnny McMillan, Aya Okumura, Tabatha Rumeur und Alejandro Virelles
UA am Staatsballett Berlin: 26. September 2021
Premiere war am 26. September 2021.
Weitere Termine: 26., 27.01.2022
Weitere Infos siehe auch: https://www.staatsballett-berlin.de/
https://www.andre-sokolowski.de
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