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VLAEMSCH von Sidi Larbi Cherkaoui
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Foto (C) Filip Van Roe
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Bewertung:
Der im internationalen Tanztheaterbetrieb reichlich beschäftigte und wohl nicht minder vernetzte belgische Tänzer und Choreograf Sidi Larbi Cherkaoui war und ist stets auf der Identitätssuche. Und sicherlich nicht nur seiner flämisch-marokkanischen Abstammung wegen hat er jetzt - gemeinsam mit dem Bühnenbildner Hans Op De Beeck, dem Lautisten Floris De Rycker und dem Kostümdesigner Jan-Jan Van Essche - eine Art Gesamtkunstwerk ins Brüssler KVS gestellt; VLAEMSCH (chez moi) heißt es, dauert an die zwei Stunden, wird ohne Pause gespielt... und man verlässt es (wie wir Deutschen zu sagen pflegen:) "wie mit dem Klammersack gepudert", was womöglich an der etwas beschränkteren Auffassungsgabe eines Nicht-Flamen, sprich Deutschen, gelegen haben könnte.
Es ging und geht also ums Flämische an sich - aber natürlich und selbstredend auch um anderes. Fast leitmotivisch wird, mit penetranter Inbrunst und sympathischem Sendungsbewusstsein, vor allem auf das insistiert, was wir Laien unter flämischer Malerei zusammenpuzzeln würden; und da fallen uns ganz selbstverständlich die van Eycks ein, und die vielen anderen und weiteren Vertreter der Altniederländer müssten wir dann allerdings bei Google recherchieren, soweit reichte halt unsere Bildung doch am Ende nicht, dass wir das alles hätten wissen können; doch egal. Die nicht nur in Belgien bekannte und beliebte Schauspielerin und Sängerin Christine Leboutte, die wie die Königin von Flandern oder eine völlig durchgeknallte steinreiche Mäzenin einen extraordinären Superauftritt hat, ist ziemlich zu Beginn von VLAEMSCH darum bemüht, zig Kunstobjekte nicht nur aus besagter Zeit verpacken zu lassen, um sie nachgerade als persönliches Besitztum zu verschiffen, zu verhökern oder so - die Miglieder der Company [alle Namen s.u.] "müssen" dergestalt agieren, dass sie alles das, was zur Verschiffung oder zur Verhökerung bestimmt ist, sozusagen einpacken; und ihre Bilderrahmerei versehen sie mit vielen, vielen mehrsprachigen Sprecheinlagen, die uns mannigfach auch über Kurzviten der Ausführenden informieren oder "bloß" zu diesem oder jenem, was in unsrer schnöden Welt derzeit passierte und passiert, Stellung beziehen...
Auffallend an dieser hochspektakulären Produktion sind die extrem guten Musikdarbietungen mit Soetkin Baptist, Michaela Riener, Anne Rindhal Karlsen und Tomàs Maxé sowie Tsubasa Hori und Tister Ikomo - die Palette reicht von (wahrscheinlich flämischen) Madrigalen der Renaissance bis zu zeitgenössischen Kompositionen, insbesondere aus dem asiatischen Raum; sehr dankbar wäre man gewesen, all diese Musiken aufgelistet zu bekommen, um zu wissen, was es eigentlich konkret zu hören gegeben hätte oder hat.
Summa summarum:
Ein Gesamtereignis, ohne jede Frage.
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VLAEMSCH (chez moi) von Sidi Larbi Cherkaoui | Foto (C) Filip Van Roe
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Andre Sokolowski - 20. Juni 2022 ID 13679
VLAEMSCH (KVS Brüssel, 17.06.2022)
Konzept, Regie & Choreographie: Sidi Larbi Cherkaoui
Ausstattung: Hans Op De Beeck
Kostüme: Jan-Jan Van Essche & Veerle Van den Wouwer
Musikalische Leitung: Floris De Rycker
Live-Musik: Ratas Del Viejo Mundo - Soetkin Baptist, Michaela Riener, Anne Rindhal Karlsen, Tomàs Maxé, Floris De Rycker, Tsubasa Hori und Tister Ikomo
Tänzerinnen und Tänzer: Kazutomi "Tsuki" Kozuki, Dorotea Saykaly, Helena Olmedo Duynslaeger, Dayan Akhmedgaliev, Marina Kushchova, Patrick "TwoFace" Williams Seebacher, Nick Coutsier, Pau Aran Gimeno, Jonas Vandekerckhove, Ido Gidron, Christine Leboutte, Darryl E. Woods und Khalid Koujili El Yakoubi
Dramaturgie: Timmy De Laet
Sounddesign: Elric Reinartz und Johannes Bellinck
Licht: David Stockholm
Premiere war am 15. Juni 2022.
Weitere Termine: 21., 22.06.2022
Koproduktion des KVS mit De Munt/La Monnaie, KVS, Festspielhaus St. Pölten , Théâtre National De Chaillot, Sadler's Wells, Théâtre National De Bretagne, Les Théâtres De La Ville De Luxembourg, Perpodium und Theaterproductiehuis Zeelandia / Zeeland Nazomerfestival
Weitere Infos siehe auch: https://www.kvs.be/
https://www.andre-sokolowski.de
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