Boulevard
in Golgatha
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Benny Claessens und Sophie Rois in René Polleschs Mein Gott, Herr Pfarrer! an der Volksbühne Berlin | Foto (C) Gordon Welters
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Bewertung:
Seit René Pollesch Intendant der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz wurde, verkam und verkommt "sein" Haus zum bevorzugten Abspielort vor allem seiner eignen Stücke (seither 7 an der Zahl!). Doch nicht genug damit, dass sich der Chef eines der größten Sprechtheater im deutschsprachigen Raum die ihm (dem "Chef") womöglich zustehende Freiheit nimmt, halt das dort aufzuführen, was er halt für gut und richtig hält, ist er mit seinen eigenen und von ihm selbst in Szene gesetzten Stücken zusätzlich auch noch an anderen deutschsprachigen Theatern auffällig präsent; zum Beispiel am DT, dem er zuletzt sein Liebe, einfach außerirdisch übermachte. Keine oder keiner würde, was die individuelle Auslebung des künstlerischen Impetus (egal ob in der Einzelrolle eines Autors oder eines Regisseurs oder auch in der Doppelrolle beiderlei Berufe und Berufungen) anginge, prinzipiell was einzuwenden haben. Was dann allerdings den dreisten Okkupierungsdrang des Angesprochenen betrifft, sieht das schon etwas anrüchiger aus. Oder noch anders ausgedrückt: Gebt mir die Macht und (sowieso) das Geld, dann zeige ich euch, was ich alles kann, und nebenbei mugg' ich dann auch noch anderswo, sagt es mir ruhig, wie ihr es haben wollt, wie's euch gefällt!
Das aktuelle Stück von Pollesch heißt Mein Gott, Herr Pfarrer!.
Und weil Benny Claessens (einer meiner Lieblingsschauspieler, den ich zuletzt als durchgeknallte Kölner Phaedra live erlebte) und auch Sophie Rois (die ich, seit sie bei Castorf aufhörte, seit Jahren nicht mehr sah) dort mitspielten, ging ich dahin - nur deshalb.
Ja und worum geht's:
"Am Kreuz, kurz vor seinem Tod, zitiert Jesus den Anfangsvers von Psalm 22 aus dem Alten Testament, 'Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!'. Er ringt nicht um einen spezifischen originären Ausdruck, nein, er nimmt sich was, was vorher schon einer schrie in Todesqualen. Ja, wie die damals schreiben konnten, die, die das damals aufgeschrieben haben! Das hat man hören können, denn es war der sehr originelle Einsatz eines Zitates, das alle kannten."
(Quelle: volksbuehne.berlin)
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Das mit dem "Gott, sag, warum hast du mich verlassen" [s.o.] treibt die Hauptfigur, eine in ihrer Schaffens- sowie personellen Krise wirkende oder gewürgt habende Regisseurin namens Karin um - dieses Bewusste zu ergründen, nimmt sie sich inmitten ihrer Selbstsuche den zufällig (wie sie) von irgendeiner Bischofskonferenz irgendwohin (nachhause oder so) zurückgekehrten und verwitweten Evangelistenpfarrer Ericsson zur Brust, auf dass der ihr zu dem sie arg umhertreibenden Bibelthema professionelle Auskunft geben soll. Die zwei erwachs'nen Töchter (hochgrandios gespielt von Inga Busch als Inga und Christine Groß als Margarete oder Magdalena oder irgend so was anderes mit M) sind außerdem vorhanden. Und das Ganze hat der Pollesch so erdacht, dass Karin sowie Ericsson, sie freilich mehr als er, sich permanent in einem Alptraum aufzuhalten gedenken, wo sie ihren jeweiligen Denk-/ Gedankenmüll aus sich heraus sondern, was insgesamt zu einem kaum zu bändigenden Lustspiel (Boulevard halt) kulminiert.
Allein schon wegen Busch, Claessens, Groß, Rois wird/ wurde alles das zu einem absoluten Seh- und Hörvergnügen.
Zudem sang der Mädchenchor der Sing-Akademie zu Berlin ein Kyrie/ Christe eleison derart engelgleich, dass einem fast die Tränen in den Augen standen.
Supernonsensstück, super verpackt (Bühne von Hartmut Meyer und Kostüme von Sabine Fleck) und super inszeniert!!!
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Mein Gott, Herr Pfarrer! an der Volksbühne Berlin | Foto (C) Gordon Welters
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Andre Sokolowski - 8. Juli 2023 ID 14280
MEIN GOTT, HERR PFARRER! (Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, 07.07.2023)
Text & Regie: René Pollesch
Bühne: Hartmut Meyer
Kostüme: Sabin Fleck
Chorleitung: Friederike Stahmer
Licht: Kevin Sock
Dramaturgie: Leonie Hahn
Mit: Inga Busch, Benny Claessens, Christine Groß, Sophie Rois und dem Mädchenchor der Sing-Akademie zu Berlin
UA war am 3. Juni 2023.
Weiterer Termin: 25.09.2023
Weitere Infos siehe auch: https://www.volksbuehne.berlin
https://www.andre-sokolowski.de
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