Schuldig oder
nicht schuldig
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Terror am Theater der Keller in Köln | Foto: MEYER ORIGINALS
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Bewertung:
Die Stücke und Filme des Bestsellerautors Ferdinand von Schirach (59) - er muss mehrfacher Millionär sein, wenn man sich seine "Verkaufszahlen" so vorzustellen wagt; allein 10.000.000 erschienene Buch-Exemplare in über 40 Ländern (nur kein Neid, um Gotteswillen nicht!) - laufen immer nach demselben Muster: Als ehemaliger Rechtsanwalt und Strafrichter mit langjähriger Berufserfahrung greift er auf reale oder von ihm konstruierte Fälle zurück, verpackt sie als Gerichtsverhandlung; und das Publikum darf nach dem allen abstimmen, ob es für oder gegen den Angeklagten ist. Mitunter meint man schon es mit gehobeneren (und intellektuelleren) Varianten im Vergleich zu den unzähligen TV-Gerichtsshows zu tun zu haben, und sich so was im TV dann anzusehen ist ganz unbestritten besser als sich anderweitigen TV-Schrott in der Endlosschleife zuzumuten.
Im konkreten (konstruierten) Fall von Terror (UA am DT Berlin, 2015) wird ein bundesdeutscher Luftwaffen-Pilot des 164-fachen Mordes angeklagt. Er hatte von seinem Eurofighter aus einen Marschflugkörper in einen Lufthansa-Airbus, in dem ein Selbstmordattentäter die Gewalt sowohl über die Crew als auch über die Passagiere übernommen hatte, geschossen, sodass die Maschine abstürzte und alle Insassen ums Leben kamen. Eigentlich wollte der Selbstmordattentäter den Airbus über die Alianz-Arena in München zum Absturz bringen und infolge 70.000 Menschen, die dort gerade ein Länderspiel gegen England verfolgten, töten; und unser angeklagter Pilot konnte das durch seine Eigenmächtigkeit (denn es gab hierfür keinen Befehl von oberster Stelle) verhindern.
Ja und so werden die Argumente für und gegen den Angeklagten ausgetauscht, und am Schluss des Stückes - nach der Publikumsabstimmung - ging es 40:35 zuungunsten des Beschuldigten aus.
Die Plädoyes der Staatsanwaltschaft wie auch der Verteidigung waren v.a. moralisch unterfüttert; der Rechtsanwalt klang dabei weitaus unüberzeugender als seine Kontra-Kollegin seitens der Anklage.
Dass eine derart schwerwiegende Beschuldigung (164-facher Mord) in der Realität sicherlich einen sich über Monate, wenn nicht sogar Jahre hinziehenden Prozess zur Folge haben würde, dürfte auch den schlichtesten Gemütern unter den Laienschöffinnen und -schöffen aus dem Publikum irgendwie klar gewesen sein. Allein die Tatsache, dass es - in einem solchen komplizierten Verfahren - zig Gutachten und zig Sachverständigen- und Zeugenaussagen geben müsste, und der Angeklagte hätte auch sicher sein können, von mindestens 3 Fachanwälten rechtlich vertreten worden zu sein.
Also, Fazit: Terror stammt - wie fast alle Schirachstücke - aus der Mottenkiste mit der Überschrift "Gerichtsprozesse, leicht gemacht".
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Das Kölner THEATER DER KELLER hat mit seiner Inszenierung einen zwingend positiven Beitrag für die sowohl geistige als auch empathische Ertüchtigung seines vom Anfang bis zum Schluss dabei geblieb'nen Publikums geleistet.
Ich plädierte übrigens für "nicht schuldig", also für einen Freispruch des Angeklagten.
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Terror am Theater der Keller in Köln | Foto: MEYER ORIGINALS
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Andre Sokolowski - 22. August 2023 ID 14344
TERROR (Theater der Keller, 20.08.2023)
von Ferdinand von Schirach
Regie: Heinz Simon Keller
Bühne & Kostüme: Hedda Ladwig
Mit: Katharina Abel, Matthias Brüggenolte, Markus Penne, Susanne Seuffert, Axel Gottschick und Hendrik Vogt
UA am Deutschen Theater Berlin: 3. Oktober 2015
TdK-Premiere war am 4. November 2016.
Weiterer Termin: 17.09.2023
Weitere Infos siehe auch: https://theater-der-keller.de
https://www.andre-sokolowski.de
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