Paranoia
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Die Affäre Rue de Lourcine an der Schaubühne Berlin | Foto (C) Fabian Schellhorn
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Bewertung:
Vom sog. Vaudeville-Cauchemar (dt.: "Varieté-Albtraum") hatte ich bisher noch nicht Notiz genommen. Er war die Königsdiziplin des französischen Komödienschreibers Eugène Labiche (1815-1888), mittels der er "mit derber Komik und ohne große Rücksicht auf Logik und Psychologie Liebeswirren und andere Katastrophen im Leben des gehobenen Bürgertums in Szene setzt(e)" (Quelle: residenztheater.de). Und obgleich es Labiche in die Reihen der altehrwürdigen Comédie-Française nie wirklich schaffte, galt er doch nach seinem wohlverdienten Verblichensein als DER Erfinder des bürgerlichen Boulevards.
"Er schrieb vier Jahrzehnte hindurch den Pariser Bühnen, hauptsächlich den Genretheatern, eine große Anzahl von Lustspielen, Possen, Vaudevilles und mehr, von denen einige für die Gattung mustergültig geblieben sind. In ihnen reichen sich fast immer ein humanistischer, menschenkundiger und doch nie verletzender Humor, seltene Schlagfertigkeit des Dialogs und sichere Bühnentechnik die Hand." (Quelle: Wikipedia)
Zum besagten Genre [s.o.] zählt auch das an deutschsprachigen Bühnen nicht gerade selten aufgeführte Stück Die Affäre Rue de Lourcine - Elfriede Jelinek befand es für dermaßen gut, dass sie es höchstselbst aus dem Französischen ins Deutsche übersetzte; ihre Fassung gilt bisher als die am meisten gespielte.
Aktuell läuft Jan Bosses neue Schaubühnen-Inszenierung am Lehniner Platz, und ich war da gestern Abend drin.
Ein durch und durch nach-alkoholisierter Typ (Bastian Reiber) vermeint nach durchgezechter Nacht seinem Doppelgänger (Damir Avdic) im Himmelbett der eigenen vier Wänden zu begegnen. Auch sein Diener (Axel Wandtke), seine Gattin (Julia Schubert) und sein Vetter (Holger Bülow) vergegenwärtigen sich ihm als merkwürdige Zerr- und Spiegelbilder, die ihm nicht geheuer sind - der springende Punkt ist der, dass er im (Selbst-)Gespräch mit seinem vermeintlichen Doppelgänger meint, mit ihm gemeinsam in der vorherigen Nacht eine Frau massakriert zu haben; dieser einstmalige Kriminalfall liegt dann allerdings Jahre zurück und taucht nun, wegern dieser Alkoholisierung, als live empfundene Pseudo-Realie auf... Kurzum: Er greift zur Heckenschere und erschlägt, verfolgungswahngeleitet, sowohl den Diener als auch den Vetter. Dass das alles allerdings dann nur in seinen Wahnvorstellungen passierte, stellte/ stellt sich selbstredend am Schluss der Posse raus.
Ein echter Schenkelklopfer, viel, viel Slapstick, durchaus witzige (Jelinek!) Dialoge, Monologe.
War und ist zwar nicht mein Ding gewesen, doch den Leuten um mich rum gefiel es ungemein.
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Die Affäre Rue de Lourcine an der Schaubühne Berlin | Foto (C) Fabian Schellhorn
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Andre Sokolowski - 11. Mai 2024 ID 14743
Die Affäre Rue de Lourcine (Schaubühne am Lehniner Platz, 10.05.2024)
von Eugène Labiche
Aus dem Französischen von Elfriede Jelinek
Regie: Jan Bosse
Bühne: Stéphane Laimé
Kostüme: Kathrin Plath
Musik: Carolina Bigge und Arno Kraehahn
Video: Meika Dresenkamp
Dramaturgie: Bettina Ehrlich
Licht: Erich Schneider
Mit: Damir Avdic, Holger Bülow, Bastian Reiber, Julia Schubert und Axel Wandtke
Premiere war am 3. März 2024.
Weitere Termine: 11., 13.-16.05./ 03., 04.06.2024
Weitere Infos siehe auch: https://www.schaubuehne.de
https://www.andre-sokolowski.de
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