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Prozess am Maxim Gorki Theater Berlin | (C) Ute Langkafel MAIFOTO

Bewertung:    



Seit fünf Jahren gehört Ein Bericht für eine Akademie zum festen Repertoire des Berliner Maxim Gorki Theaters. Oliver Frljić (seit 2022 künstlerischer Co-Leiter am Hause) hatte Kafkas zehnseitige Erzählung auf zwei Stunden "aufgeblasen", u.a. mit einem Auszug aus Coetzees Roman Elizabeth Costello. Wie er all das machte, war clever und kam und kommt beim Publikum bis heute prima an.

Jetzt legte er mit einer mich doch mehr ermüdenden Reduzierung des Romanfragments um Kafkas albtraumhaften Prozess nach und schien hiermit erneut bei seinen Zuschauerinnen und Zuschauern zu punkten; viel junge Leute im Saal, wahrscheinlich kamen und kommen sie in erster Linie, um ihre Schullektürerfahrungen (keine Ahnung, ob Kafka mit welchem seiner Werke - außer seiner Verwandlung, versteht sich - in den Ober- oder Gymnasialstufen aktuell behandelt oder auseinandergenommen würde; aber ist ja auch egal) mit dem Gehörten und Gezeigten zu vergleichen.

In den pausenlosen anderthalb Stunden zitierte das Schauspielerinnen- und Schauspielersextett (Marc Benner, Yanina Cerón, Lea Draeger, Edgar Ecke, Christiane Paul, Çiğdem Teke) für mich wiedererkennbare Textpassagen des Romans, hielt sich also wortgetreu an die Originalvorlage. Fünf von ihnen waren mit schwarzen Badekappen (sah jedenfalls so aus) markiert, und lediglich der Darsteller des Josef K. trug dann sein struppiges und wuscheliges Haar ganz offen; und so war dann eindeutig ersichtlich, wer die Hauptfigur bzw. der Verfasser des Romanes (E. Eckert) ist und wer die albtraumhaften Gegenspieler in abwechselnden Gestalten. Eindrucksvoll in der Erinnerung blieben mir da z.B. die Frau Grubach (Y. Cerón) oder das Fräulein Bürstner (C. Paul).

Es gab viel Musikeinsprengsel (Schostakowitsch-Walzer, "Only You" von The Platters, Moses' Berufung aus Schönbergs Moses und Aron usw.), das war klug und witzig zusammengepuzzelt. Auch studierte die Choreografin Evelin Facchini mit ihren schauspielernden Elevinnen und Eleven schräge Tänze und sonstige Bewegungen ein; sah gut aus.

Die schließliche Hinrichtung des Josef. K. (lt. Roman) hatte Frljić dann einer Art Informationsblock zur urheberrechtlichen Besonderheit des Kafkas'schen Oevres geopfert. Er ließ Kafka (lt. seines Briefes an seinen Freund und Werkekümmerer Max Brod) zitieren, der darauf bestanden hatte, dass nach seinem Tod sein Werk, und zwar alles, was er jemals zu Papier brachte, vernichtet werden sollte; Brod ignorierte diesen testamentarischen letzten Willen Kafkas, und so blieb uns Kafkas Werk gottlob erhalten. Kann man übrigens alles in der absolut auf den Punkt gebrachten österreichischen Mini-Serie Kafka faktisch und menschlich nachvollziehen.

Bis heute ist, rein justiziell, nicht eindeutig geklärt, wer eigentlicher Rechteinhaber an Kafkas Werk wäre und ist - fürs deutsche Urheberrecht, das eine urheberrechtliche "Sperrfrist" von 70 Jahren nach dem Tod des jeweiligen Urhebers gesetzlich festlegt, spätestens seit 3. Juni 2024 ohnehin nicht weiter von Bedeutung.

*

Ich bin kein Freund von wie auch immer geratenen oder missratenen Vertheaterungen irgendwelcher Buch- oder Filmvorlagen.

Ausnahmsvoll begeistert war ich allerdings bei Andrej Mogutschis großmaschineller Superproduktion am Düsseldorfer Schauspielhaus, so was Verrücktes hatte ich seither nicht mehr gesehen! Kein Vergleich zur leichten Kost am MGT.



Prozess am Maxim Gorki Theater Berlin| (C) Ute Langkafel MAIFOTO

Andre Sokolowski - 26. September 2024
ID 14938
PROZESS (Maxim Gorki Theater Berlin, 25.09.2024)
Ein Projekt von Oliver Frljić nach Franz Kafka

Bühne: Igor Pauška
Kostüme: Jelena Miletić und Janja Valjarević
Choreografie: Evelin Facchini
Lichtdesign: Connor Dreibelbis
Dramaturgie: Endre Malcolm Holéczy und Johannes Kirsten
Mit: Marc Benner, Yanina Cerón, Lea Draeger, Edgar Ecke, Christiane Paul und Çiğdem Teke
Premiere war am 21. September 2024.
Weitere Termine: 06., 20.10.2024


Weitere Infos siehe auch: https://www.gorki.de


https://www.andre-sokolowski.de

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