Paranoia in der
Einraumwohnung
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Jonathan Maria Dorando spielt die Ruhestörung von Eugen Ruge im Kölner Theater der Keller | Foto (C) Bo Bungarten
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Bewertung:
Wer mag schon ruhestörenden Lärm? Bei Leuten, die vielleicht ein ganz besonders fein also empfindlich ausgeprägtes sprich überreagierendes Nervensystem ihr eigen nennen, kann so etwas psychosomatisch aus- und abarten. Spezifizierte Paranoia, die mitunter Folgen derartiger Lärmempfindlichkeiten und -belästigungen sind, manifestieren sich auf durchaus unterschiedliche Art und Weise - und so hatte halt der mittels Selbstgespräch sich mitteilende Stückheld in dem bereits 1998 uraufgeführten Theatermonolog Ruhestörung von Eugen Ruge (70) irgendwann mal überlaut in seiner Wohnung rumgeschrieen, dass ihm einer seiner Nachbarn beim Vermieter anschwärzte und er infolgedessen aus der Wohnung rausgekündigt wurde und wogegen er sich jetzt erwehren will; ob ihm der Deutsche Mieterbund dabei behilflich sein würde, kommt in dem Monolog nicht raus, aber egal...
Der merkwürdige Stückheld, dem die Paranoia deutlich anzumerken ist, versucht den Spieß herumzudrehen und zählt nunmehr auf, welchen gewalttägigen Ruhestörungen er selbst vonseiten anderer tagtäglich und bis in die tiefe Nacht hinein so ausgesetzt ist: Hundebellen im Treppenhaus, Schlagbohrmaschinenbohren nebenan, Hämmern unter ihm, Staubsaugersaugen über ihm, ungebetenes Klingeln an der Wohnungstür, Müllabfuhrlärm auf der Straße usw. usf.
Bei so einem gänzlich introvertierten und sich völlig von der Umwelt abgekapselt habenden Einzelgänger - angeblich schreibt er Tag und Nacht seine Beobachtungen nieder - kann dann schon, wenn's lärmmäßig von außerhalb zu dicke zu ihm dringt, die Sicherung durchbrennen, und er schreit halt aus hilflosester Verzweiflung aus sich raus.
Interessanter wäre es für dieses Einpersonenstück vielleicht gewesen, wenn der Ausrastungsgrad seines Helden ein gewisses zivilisatorisches Grundmaß überschritten haben würde und der Leidtragende, mehr aus Selbstschutz, zum spontanen Amoklauf übergegangen wäre à la Rache-für-alles oder so.
War aber leider nicht.
So dümpelte und dümpelt dieser Text "geräuscharm" vor sich hin.
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Jonathan Maria Dorando spielt und spricht die Ruhestörung überzeugend und perfekt, nicht zu wenig, nicht zu viel Engagement im Sinne der doch arg bemitleidenswerten Stückfigur.
Inszeniert und ausgestattet hatte Michael Meichßner.
Es handelte sich um eine Koproduktion mit dem Eurotheater Central in Bonn.
Vorgestern war Premiere in der Studiobühne vom Theater der Keller in Köln.
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Andre Sokolowski - 17. November 2024 ID 15014
RUHESTÖRUNG (Theater der Keller, 16.11.2024)
von Eugen Ruge
Regie und Ausstattung: Michael Meichßner
Mit: Jonathan Maria Dorando
UA am Theater Rampe in Stuttgart war 1998.
Premiere im TdK: 15. Noveber 2024
Weitere Kölner Termine: 14., 15., 28.12.2024// 18., 19.01.2025
Die Produktion findet mit freundlicher Unterstützung des Eurotheater Central in Bonn statt.
Weitere Infos siehe auch: https://theater-der-keller.de
https://www.andre-sokolowski.de
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