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Sommertheater

Open-Air-

Spektakel:

Krabat



Krabat als Sommerspektakel des Staatstheaters Cottbus | Foto (C) Bernd Schönberger

Bewertung:    



Aufgewachsen in der Nähe von Cottbus kam ich zum ersten Mal als Kind in den 1970er Jahren durch das Buch Meister Krabat der gute sorbische Zauberer (sorbisch Mišter Krabat) mit der Oberlausitzer Sagengestalt Krabat in Berührung. Der Roman, geschrieben und mit farbigen Holzschnitten versehen vom sorbischen Maler, Grafiker und Schriftsteller Měrćin Nowak-Njechorński, erschien 1954 in sorbischer Sprache. Der sorbische Dichter und Schriftsteller Jurij Brězan hatte ihn 1955 ins Deutsche übersetzt. Mit Die schwarze Mühle (1968) und Krabat oder Die Verwandlung der Welt (1976) schrieb Brězan ebenfalls zwei Romane, die von Krabat handeln. 1993 kam mit Krabat oder Die Bewahrung der Welt ein dritter hinzu. Mit Otfried Preußler beschäftigte sich noch ein weiterer sehr bekannter Schriftsteller mit Krabat. Sein 1971 erschienener Roman Krabat fußt ebenfalls auf der in der Gegend um Weißwasser (heute Landkreis Bautzen in Sachsen) im 17. Jahrhundert angesiedelten Sagengestalt.

Historisch überliefert ist die Person des Johann Schadowitz (Janko Šajatović), ein kroatischer Reiter, dem Zauberkräfte nachgesagt wurden und der dem sächsischen Kurfürst in den Türkenkriegen gedient hatte. Dafür hatte er ein Stück Land in Groß Särchen erhalten, das er urbar machte und nach seinem Tod dem sorbischen Volk vererbte. Jener Krabat (von kroatisch Hrvat für Kroate) wurde auch als Volksheld und sorbischer Faust verehrt. Verbunden damit ist der Pakt mit dem Schwarzen Müller, der sich 12 Knechte hielt, von denen er jedes Jahr dem Gevatter Tod einen versprechen musste, um selbst am Leben zu bleiben. Dieses reiche Konvolut an Geschichten haben sich der Ko-Schauspieldirektor Armin Petras und der aus Wien stammende Regisseur Wolfgang Michalek fürs Staatstheater Cottbus vorgenommen und daraus eine sorbische Erzählung als Sommertheater im Hof der Cottbuser Alvensleben-Kaserne geschaffen. Ein großes Open-Air-Spektakel mit über hundert Beteiligten.

Aber wie integriert man den eigentlich Oberlausitzer Stoff in die Niederlausitz mit den Sagengestalten aus dem Spreewald? In der in Versen gehaltenen Textfassung von Petras und Michalek tritt zu Beginn ein von der Schauspielerin Ariadne Pabst geführter Chor von Mittagsfrauen auf. Jene eigentlich böse niedersorbische Sagengestalt, der Bauern zur Mittagszeit unter glühender Hitze auf dem Feld begegnen und die Wöchnerinnen zuweilen auch die Kinder stielt, steht hier einer verzweifelten Mutter gegenüber, die ihr Neugeborenes nicht ernähren kann und es daher ertränken will. Sigrun Fischer hält ein Bündel in den Händen und übergibt es schließlich der Mittagsfrau, die es erziehen will. Ein Held soll aus dem Kind werden. Dieser Einstieg, der noch mitten unter dem auf dem Hof auf der als sorbisches Dorf gestalteten Wiese flanierenden Publikums stattfindet, ist eine Erfindung der Autoren, die sich aber sonst in der Handlung an die Sage und an die Bücher von Brězan und Preußler halten.

Vor der Tribüne, auf der das Publikum dann Platz nimmt, steht die als Brettergerüst aufgebaute Schwarze Mühle. Davor ein großer, drehbar gelagerter Mühlstein als Bühne (Francis O'Connor). Die Mühlenflügel am Kopf des Gerüstes werden über ein Fahrrad von einem der Müllergesellen bewegt. Hier landet nun der idealistische junge Bursche Krabat (Schauspielstudent Levi Wessel), der nach Wissen giert und das Glücksland sucht. Mit eingeflossen ist hier auch das Motiv der eisernen Truhe mit den sieben Schlössern, die von einem Wolf bewacht wird und in deren Inneren sich Wissen befindet. So landet Krabat schließlich beim Schwarzen Müller (Gunnar Golkowski), der sich dem Publikum zunächst als Entertainer präsentiert, und dem Jungen anbietet, aus seinem Buch zu lernen.

Die Gesellen sind hier eine bunt gemixte Truppe aus SchauspielerInnen, Studierenden und Laien (siehe unten), die Krabat in die Gepflogenheiten der Schwarzen Mühle einführen. Da qualmt es und fliegen Mehlsäcke durch die Luft. Einmal wird auch gemeinsam der verhasste Meister verflucht. Dazu wird viel musiziert und gesungen. Musiker Max Braun hat Musik und Songtexte geschrieben und begleitet an der E-Gitarre. Sehr schön singt auch der Chor der Singakademie Cottbus, aus dessen Mitte die junge Kantorka (Mathilda Maack) auf Krabat aufmerksam wird und sich für ihn interessiert. Hier erfolgt die Befreiung Krabats aber wie bei Nowak-Njechorński und Brězan über die leibliche Mutter, die ihren Sohn und hier auch die Tochter Juro (Sarah Liebert) unter den als Raben verwandelten Gesellen erkennt. Bemerkenswert auch der als riesige Puppe in Rabengestalt erscheinende Gevatter Tod, der den Altgesellen und Freund Krabats Tonda (Markus Paul) mitnimmt.

*

Krabat wird in der Inszenierung als mit dem Leid der Gesellen mitfühlender Mensch gezeigt, der sein Wissen für die Befreiung der Freunde einsetzt. Der gerade erst wieder genesene Levi Wessel, der in der Premiere durch den Schauspieler Torben Appel kurzfristig bestens vertreten wurde, bringt das sehr überzeugend rüber. Der Text versucht immer wieder auch die Geschichte regional einzubinden. Das Publikum lacht wissend und dankt mit Zwischenapplaus. Am Ende versucht der Abend den Blick in die Zukunft. Was könnte dieser Krabat, der sich den Mantel des Müllers überstreift und dessen Stelle einnimmt, in einer Welt aus Krieg und Elend bewirken, mit oder ohne Zauberbuch. Ist Krabat nur ein mythischer Freiheitsheld, vom dem sich die liebende Kantorka enttäuscht abwendet? Das wirkt ein wenig übereifrig angeklebt. Dem Erfolg dieses ansonsten großartigen Spektakels wird es aber keinen Abbruch tun. Ein kleiner Tanz führt Publikum und Ensemble gemeinsam ins erhoffte Glücksland.



Krabat als Sommerspektakel des Staatstheaters Cottbus | Foto (C) Bernd Schönberger

Stefan Bock - 24. Juni 2024
ID 14814
KRABAT (Hof der Alvensleben-Kaserne Cottbus, 22.06.2024)
Eine sorbische Erzählung
Bühnenfassung: Armin Petras

Regie: Wolfgang Michalek
Bühne/Kostüm: Francis O'Connor
Musikalische Leitung und Songtexte: Max Braun
Live-Musik: Max Braun, Jo Ambros
Dramaturgie: Franziska Benack
Besetzung:
Krabat... Torben Appel
Kantorka...Mathilda Maack
Mittagsfrau... Ariadne Pabst
Meister...Gunnar Golkowski
Mutter...Sigrun Fischer
u.v.a.
Premiere am Staatstheater Cottbus: 15. Juni 2024
Weitere Termine: 26., 28., 29.06. / 01., 03., 04., 06.07.2024


Weitere Infos siehe auch: https://www.staatstheater-cottbus.de


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