Tanz mir
das Lied
vom Tod
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Notte Morricone von Marcos Morau mit dem Aterballetto | Foto (C) Andrea Mafrica
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Bewertung:
Fragt man, welchen Filmkomponisten jemand dem Namen nach kennt, ist die Chance groß, dass an erster Stelle Ennio Morricone genannt wird. Wem fiele heute noch Bernard Herrmann, Max Steiner, Elmer (nicht Leonard!) Bernstein, Miklós Rózsa, Nino Rota oder Georges Delerue ein? Nicht nur dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze.
Morricone ist noch nicht so lange tot, dass man ihn vergessen hätte. Das Aterballetto aus Reggio Emilia hat ihm nun einen Abend gewidmet, der im Ludwigsburger Forum am Schlosspark seine deutsche Erstaufführung präsentiert hat. Die Choreografie zu Notte Morricone stammt von dem Spanier Marcos Morau, der, ein Kuriosum, selbst nicht tanzt. Er beschreibt deren Inhalt, als wäre Ballett ein so eindeutiges narratives Medium wie ein Roman, ein Schauspiel oder eine Oper:
„‘Notte Morricone‘ spielt in der Dämmerung einer gewöhnlichen Nacht im Leben eines Schöpfers, der allein und benommen Notizen macht und Melodien für Filme visualisiert, die es noch nicht gibt. Der Abend wird voller Besucher sein, manche von ihnen Musiker, die seinem kreativen Ruf folgen und seine flüchtigen Ideen in einem improvisierten Aufnahmestudio aufnehmen. Und dort, zwischen den Blättern und Noten, wird der Junge auftauchen, der eigentlich Arzt werden wollte. Und die Nacht wird weiter voranschreiten und sein Zuhause in ein Kino verwandeln, in das Besucher aller Art kommen, um seine Filme anzusehen und die Nacht mit ihm zu verbringen. Und jede Nacht wird eine neue Gelegenheit sein, ihrer aller Träume zu verwirklichen: die der Musiker, der Kinder, der Liebenden oder derjenigen, die alleine ins Kino gehen.“
Mit dem klassischen Ballett hat Aterballeto kaum etwas zu tun. Tanztheater in der Bedeutung, die Pina Bausch ihm gab, wäre genauer. Auffälligstes Stilmerkmal ist die Groteske: ruckartige Bewegungen, „unbequeme“ Stellungen. Die fünfzehn Tänzerinnen und Tänzer multiplizieren den Komponisten, hinzu kommt er als eine Bauchrednerpuppe.
Das Stück arbeitet durchgehend mit punktuellen Lichtquellen. Eine ausgeleuchtete Bühne gibt es nicht. „Notte“ ist das Dogma.
Die Choreografie illustriert nicht die Filme, aus denen die Kompositionen stammen. Vielmehr überlässt sie sich dem Gestus der Musik. Eingestreut sind O-Töne aus Reden und Interviews Morricones. Nicht alles, was er darin postuliert, wird von seinen oscarprämierten Filmmusiken eingelöst.
Erst kurz vor dem Ende werden Standfotos aus den Filmen, an denen Morricone beteiligt war, auf die Rückwand projiziert. Das Programm forciert den politischen Morricone. Da hat es seine Logik, dass sein Lied für Sacco und Vanzetti den Schlusspunkt bildet.
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Notte Morricone von Marcos Morau mit dem Aterballetto | Foto (C) Andrea Mafrica
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Thomas Rothschild - 22. Dezember 2024 ID 15077
NOTTE MORRICONE (Forum am Schlosspark Ludwigsburg, 21.12.2024)
Choreografie: Marcos Morau
Musik: Ennio Morricone
Sounddesign: Alex Röser Vatiché & Ben Meerwein
Bühne & Licht: Marc Salicrú
Kostüme: Silvia Delagneau
Aterballetto
Weitere Infos siehe auch: https://www.fndaterballetto.it/
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