The Future
Constanza Macras lässt an der Berliner Volksbühne die Zukunft tanzen
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Bewertung:
Zu den René-Pollesch-Festspielen zur Eröffnung seiner Intendanz an der Berliner Volksbühne gesellten sich bis Jahresende noch zwei Tanzabende im Damen-Programm. Die Wiener Choreografin Florentina Holzinger präsentierte in ihrer Version von Dantes The Divine Comedy vor allem Nacktheit, heiße Öfen und Fäkalwitzchen. Anfang Dezember zeigte dann die in Berlin lebende argentinische Choreografin Constanza Macras noch den tanzbaren Weg in The Future.
Das hatte dann auch wesentlich mehr Witz, wie man es eigentlich auch vom Macras und ihrer Tanz-Company DorkyPark gewohnt ist. Es geht um „das dringende Bedürfnis, etwas Konkretes über die Zukunft herauszufinden“, besagt der Ankündigungstext zur Produktion. Das habe die Menschen durch die Geschichte hindurch immer wieder beschäftigt. Und so orakelt es sich dann auch durch die Menschheitsgeschichte, von der Deutung der Eingeweide von Opfertieren bis zu der von Sternkonstellationen. Was das alles mit Zeit und den Visionen einer möglichen Zukunft zu tun haben könnte, oder ob wir nicht in einer ewigen Zeitschleife der Reproduktion von Vergangenheit hängen, erkunden die PerformerInnen wie immer in einem Mix von Textbeiträgen und Tanzdarbietungen.
Die Bühne von Alissa Kolbusch ist mit zwei Bergen aus Plastikfolie und einem gemalten Rundhorizont ein Abbild des Salzsees Salar de Uyuni in Bolivien, der laut einer alten Amaya-Legende aus den Tränen eines weiblichen Vulkans entstand. Heute ist der Salzsee eine der größten Ressource für die Lithiumgewinnung. Ein Rohstoff für die Herstellung von Batterien für Elektroautos, die nun bald in Brandenburg gebaut werden, weswegen die Mieten in Berlin steigen. Eine Kausalkette die sich wie ein verwünschtes Menetekel aus der Vergangenheit in die Zukunft zieht. Die Schönheit der Geschwindigkeit, die mit dem technischen Fortschritt einhergeht wie im 1909 von Filippo Tommaso Marinetti verfassten Manifest des Futurismus, wird heute eher von Zukunftsskeptikern ausgebremst. Es ist 5 vor 12 auf der Atomuhr. Atomic bomb leitet über zu den weniger guten Zukunftsaussichten, die ihren Ursprung im Rüstungswahn vergangener Zeiten hat. Stasis oder Anachronismus?
Neben viel Retrochic aus den 1980er Jahren von Kostümbildnerin Eleonore Carrière schwelgt der Abend in popkulturellen Verweisen en masse. Theorien der US-amerikanischen feministischen Quantenphysikerin und Philosophin Karen Barad über Sein und Zeit überfrachten jedoch etwas den sonst sehr treibend und schwungvoll zum Elektrosound von Robert Lippok in Gang gesetzten Abend. Man muss das alles nicht wirklich wissen, genauso wenig wie bei den Stücken des Hausherrn Pollesch. Nur dass das hier eben nicht im coolen Diskurssprech daherkommt, sondern abwechselnd von den PerformerInnen über die Rampe monologisiert wird. Das nimmt dem Ganzen dann mit der Zeit doch etwas den Drive. Lustig ist aber schon, wie die Theorien zur Quantenphysik zur Melodie von Antonio Carlos Jobims brasilianischem Bossa-Nova-Hit Girl from Ipanema gesungen werden.
Da heißt u.a.: „Die Zukunft ist ein Highway der unerfüllten Erwartungen.“ Oder auch „ein anderes Album von Adele“. Mit Peggy Lee gesungen: Is That All There Is? Wer kann das schon wissen. Auch die von Tatiana Heuman, Kristina Lösche-Löwensen, Katrin Schüler-Springorum gespielte Live-Musik bietet viel Retro mit gecoverten Songs aus den 1980er und 90er Jahren wie etwa aus dem Soundtrack des gerade 25. Geburtstag feiernden Kultfilms Trainspotting. Nach Zügen wird hier nicht Ausschau gehhalten und auch keine Drogen konsumiert. Der Schwung kommt hier fast von allein und mündet in ein chaotisches Meucheln durch die Jahrhunderte vom Steinzeitmenschen über das Mittelalter und das alte Rom bis in die Gegenwart. Etwas transzendent und futuristischer endet der Abend dann womöglich zukunftsweisend mit einer weiteren Gruppenchoreografie zu Technobeats.
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The Future von Constanza Macras in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz | Foto: Thomas Aurin
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Stefan Bock - 23. Dezember 2021 ID 13377
THE FUTURE (Volksbühne am Rosa-Lzxemburg-Platz, 21.12.2021)
Text & Regie: Constanza Macras
Bühne: Alissa Kolbusch
Kostüme: Eleonore Carrière
Musik: Robert Lippok
Dramaturgie: Carmen Mehnert
Mit: Simon Bellouard, Alexandra Bódi, Emil Bordás, Fernanda Farah, Rob Fordeyn, Johanna Lemke, Sonya Levin, Thulani Lord Mgidi und Daisy Phillips, Miki Shoji sowie den Live-Musikerinnen Tatiana Heuman, Kristina Lösche-Löwensen und Katrin Schüler-Springorum
Premiere war am 4. Dezember 2021.
Weitere Termine: 18., 19.01.2022
Eine Koproduktion von Constanza Macras | DorkyPark und der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Koproduzent: Piccolo Teatro di Milano - Teatro d’Europa
Weitere Infos siehe auch: https://www.volksbuehne.berlin
Post an Stefan Bock
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