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nachDRUCK # 6

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Premierenkritik

5. April 2009 - Komische Oper Berlin

ARMIDA von Gluck

Regie: Calixto Bieito


Unten liegt Maria Bengtsson als Armida, über ihr die Frau mit wilder Mähne und so hektischer Bewegung ist der personifizierte Hass, gespielt von der umwerfend gut agierenden Maria Gortsevskaya; also, in dieser Szene hier, geht es darum, dass dann der Hass versucht, Armida ihre Liebe, die sie selber auch nicht will, ganz auszutreiben... oder ähnlich Kompliziertes. - Foto (C) www.komische-oper-berlin.de / Probefoto David Baltzer



Die allzu schönen Reduzierungen des Mannes auf das Zitzensäugertier und ähnliche Ästhetizismen wollüstiger Art


Dem Ritter Gluck seine Armida ist nicht ganz so populär wie dessen Orpheus und Eurydike. Vielleicht auch nicht so populär wie seine beiden Iphigenies. Die Tauridische, und halt der Orpheus, laufen oder liefen mit beträchtlichem Erfolg im Hause an der Behrenstraße. Kupfer hat die eine, Kosky dann die andere hier inszeniert. Man muss also von einer Gluck-Pflege, ja -Traditon getröstlich sprechen. Aktuelles Resultat dieser gediegenen Entwicklung: Die Armida halt - in neuer deutscher Fassung von Bettina Bartz und Werner Hintze - , die der wolfbissige Katalane und Regiestar Calixto Bieito einem über die Erwartung hin frenetisch gut gestimmten Publikum am letzten Sonntag vor dem Osterfest dickeiig und sehr unaufmüpfig (nur für Zuschauer ab 16 Jahre!) zum Geschenk gereichte. Wir erinnern uns an dieser Stelle, dass der Bieito nicht gerade als ein schöngeistiger Zimperling in den Theaterkreisen gilt; eine der "schlimmsten" Produktionen drang, wenn ich mich recht besinne, von Hannover aus als Schreckensbildbericht bis in die Hauskinos der deutschen Biederei, wo man erfuhr, dass es dem Luna oder einer andern Hauptgestalt im Troubadour kastratisch-blutig an die Eier ging o. s. ä. Daraufhin holten ihn andre Bühnen, dass er ihnen etwas Aufmupfiges inszenierte... und er wurde immer "milder"; auch Entführung, hier an diesem Haus, hatte schon nicht mehr diesen Wolfsbiss, und obgleich es hektisch laut im Saale zugegangen war; der Steuerzahler fand Gelegenheit, auch einmal laut aus sich heraus zu furzen...



Lecker anzusehen: Männer wollen an den Frauenbrüsten saugen. Warum nicht? Szene aus der neuen Inszenierung von Armida (Regie: Calixto Bieito) an der Komischen Oper Berlin - Foto (C) www.komische-oper-berlin.de / Probefoto David Baltzer


Es gibt also viel zu sehen (nur für Zuschauer ab 16 Jahre!): Und so wird, und in direkten Andeutungen, purhäutig herumgevögelt, beispielsweise. Und man hat nicht unlustig Gelegenheit, den für sich schönsten Schwanz von einem Dutzend durchtrainierter nackter Jünglinge als potenziellen Favoriten für den eigenen Geschlechtsverkehr notdürftig zu erküren. Auch an schönen Ärschen mangelt es dem Auge nicht; für jede Spielart einen oder zwei oder auch mehrere. Und keine nackte Frau, das heißt, "nur eine"; vielmehr spielt das schwache, also umgekehrt, das allzu starke amazongleiche Geschlecht die Hauptrolle in dieser Peepshow. Und sie lassen, diese starken amazonengleichen Frauen, oft dann eine ihrer Brüste sehen, und der Mann, also der Mann an sich, darf sich an ihr als Landwirt säugerisch bedienen, und man(n) säugt und säugt und säugt... Aber das haben ja, und wieder umgekehrt, auch Männer gern, wenn ihnen ihre Nippel steif geleckt werden. (Ich kannte Einen, der vor lauter Lust wie'n Schlosshund jaulte, wenn ich ihm die Titten trimmte.) Nichts ist uneindeutiger als Sex oder Erotik, sag ich jetzt mal so. Also es gibt schon ziemlich viel zu sehen, und man sieht und sieht und sieht das Alles allzu gern... Aber - jetzt kommts - es bringt die so schon komplizierte und nicht sonderlich interessierende Antik-und-Ritter-Story überhaupt nicht an den Mann. Nein, sie verflacht geradezu im schönen Sinnenstrudel ob des reichlich dargebrachten Frischfleischs. Und das dargebrachte Frischfleisch, wenigstens, sorgt für die vollfrühlingshaftige Ablenkung; sonst wäre ich wohl gänzlich geistig abgetaucht in dieser langatmigen Zwischenzeit.

Wie sich - daher - auch eine Nacherzählung der verquasten Handlung ganz und gar für mich verbietet, denn: Ich mag dieses Antik-und-Ritter-Zeug dann so und so nicht; jene Stoffe dienten im Barockzeitalter allenthalben als so Auftrags- oder Unterhaltungswerke für 'ne adelige, also anspruchslose Klientel; und mit Antike (mit antiken Stücken) hat das Alles dann so viel wie Thüringer Klöße mit Böhmischen Knödeln oder so zu tun. Vergiss es!!


Es gibt auch einen sog. Dänischen Ritter in der Gluck-Armida. Das ist der schöne und nur leider vielzu angezogne Thomas Ebenstein. Auch er wird gleich zu einem Frauenbrüstesäuger. Warten wir es ab... - Foto (C) www.komische-oper-berlin.de / Probefoto David Baltzer


Dennoch hat Calixto Bieito eine Sicht der Dinge, seine Sicht der Dinge zu mir rüber transportieren können, also:

Irgendwie scheint es um eine Frau zu gehen, die mit Liebe ein Problem hat. Denn sie lässt sie (Liebe) überhaupt nicht zu. Sie blockt sie von sich ab. Sie will sie nicht. Und doch - und leider Gottes - kommt sie nicht an ihr (der Liebe) dann vorbei. Sie kriegt sie quasi leiblich aufgedrückt. Sie kann sich gegen dieses so "verhasste" Unding nicht erwehren. Plötzlich ist es (dieses Liebe-Dasein) da. Und nun sieh zu, was du dann mit und aus ihr machst.
Maria Bengtsson, die Armida ist, kann diesen ungeheuerlichen Zwiespalt, der sich da vor ihr und ihrem schönen Körper klaffend auftut, überzeugender denn je zu mir herüber bringen. Ich begreife plötzlich, wieder, meine eigenen Erfahrungen mit ihr (der Liebe): Sie ist nicht, wie angenommen, ein Gefühl, nein nein - sie ist ein körperliches Drangsalfaktum ungeheuerlichster Attitüde!! Denn der erste "Einfall", quasi diese erste "Voridee" von Liebe (Liebe!!!) kommt mit schneepflugbulliger Gewuchtung... eine winzige Berührung, eine Art von Hauch, genügen, dass du quasi so von Null auf Tausend mit dem Menschen deiner Wahl als Ein-Körper zu existieren dich ersinnst. Oder so ähnlich ausgedrückt.



Hier ist noch einmal diese traumhaft sündig-schöne Bühnenszene aus der neuen Gluck-Arminda (inszeniert von Calixto Bieito), und im Ganzen, zu besichtigen. Sie ist so turbulent und traumhaft sündig-schön, dass man am liebsten mit dabei sein würde, freilich splitternackt! was sonst? - Foto (C) www.komische-oper-berlin.de / Probefoto David Baltzer


Daher also, und also völlig logisch sowie folgerichtig, legt Calixto Bieito, diesen Wert aufs Körperliche, lässt er diesen unverhüllten Blick auf Nacktes zu. Natürlich ist es - dieses Nackte (wenn es nicht real ist, ist es stets gedanklich) - eigentlicher Hauptschauplatz von Liebe und von Liebe so an sich; und daher auch, und wahnsinnsschön gezeigt, dieses im Vollrausch vorvögelnde Vanitas-Pärchen, sehr leidenschaftlich und sehr überzeugend von Komparsen dargestellt!

Dirigent Konrad Junghänel leitet ein außerordentlich sensibel und auf seine pingelig genauen Intentionen eingehendes Hausorchester.

Ein sehr junges und somit nicht minder hocherotisches Gesangs- und Spielensemble.

*

Eltern, nehmt ruhig eure Kinder mit! Man sieht hier, trotz der vielen freizügigen "Liebe", nichts Verbotenes; außer vielleicht der Knarre von Maria Bengtsson... aber diese Knarre könnte sie sich auch verkniffen haben. Kurz nachdem sie jedes Mal dann schießt, steht der vermeintlich Tote, farbbeutelbesudelt, sowieso dann wieder auf; halt bloß Theater das...

Ästhetisch schön, ja, ohne jede Ironie.

Arminda wird ein Renner!!!!!


Andre Sokolowski - 7. April 2009
ID 00000004255
http://www.andre-sokolowski.de

ARMIDA (Komische Oper Berlin, 05.04.2009)
Musikalische Leitung: Konrad Junghänel
Inszenierung: Calixto Bieito
Bühnenbild: Rebecca Ringst
Kostüme: Ingo Krügler
Besetzung: Maria Bengtsson (Armida), Peteris Eglitis (Hidraot), Peter Lodahl (Rinaldo), Christoph Schröter (Artemidoro), Günter Papendell (Ubaldo), Thomas Ebenstein (Der dänische Ritter), Olivia Vermeulen (Phénice), Karolina Andersson (Sidonie), Hans-Peter Scheidegger (Aronte), Maria Gortsevskaya (Der Hass) u.v.a.
Komparserie und Chorsolisten der Komischen Oper Berlin
(Choreinstudierung: Robert Heimann)
Orchester der Komischen Oper Berlin


Weitere Infos siehe auch: http://www.komische-oper-berlin.de





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