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Sylvie Rohrer und Rüdiger Vogler in Peter Handkes Die schönen Tage von Aranjuez am Berliner Ensemble - Foto (C) Marcus Lieberenz
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Claus Peymann kann für sich in Anspruch nehmen, der wohl intensivste Pfleger und Heger österreichischen Theaters auf deutschem Boden zu sein; und keiner hat daher wohl so viel Bernhards, Jelineks, Turrinis, Schwabs etc. (natürlich auch in Österreich; der Peymann war ja schließlich auch mal Burgdirektor!) inszeniert und/oder initiiert wie er. Die Werkpflege und -hege Peter Handkes hat in dem Zusammenhang einen besonderen und ganz zentralen Stellenwert; die Publikumsbeschimpfung, Handkes erstes Sprechstück (UA Frankfurt, 1966), kriegte Kultstatus - ja und so fand und finden sich die Handke-Dramen selbstverständlich immer wieder auch in den altehrwürdigen Räumen des BE, also seit Peymann hier der Intendant ist, bestens aufgehoben... Ganz zuletzt nahmen wir Spuren der Verirrten, die von ihm 2007 hier an Ort und Stelle aus der Taufe gehoben worden waren, sehr gewogen und erfreut zur Kenntnis.
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Nun hatte sich der BE-Chef auf den scheinbar allerneuesten der Handke-Texte - Die schönen Tage von Aranjuez (UA Wiener Festwochen, 2012) - eingeschossen und seinen seit ewig "bei ihm" arbeitenden Hausregisseur Philip Tiedemann zu einer bühnenmäßigen Variante (denn das Bühnenbild mit einem Gartentisch, 2 Gartenstühlen, einem grauhäutigen Apfel sowie einer an van Gogh erinnernden Vase mit Sonnenblumen stammte auch vom Regisseur) bewegen können; die Kostüme für die beiden Sprech-Protagonisten Rüdiger Vogler und Sylvie Rohrer entwarf Florence von Gerkan.
In der Stunde, da wir nichts voneinander wussten (UA Wien, 1992) wird gottlob kein Wort gesprochen; nur gespielte Handlung - ein geniales Stück!
In dem tausendseitigen Roman Mein Jahr in der Niemandsbucht (1994) geht es um die Einsamkeit(en) Handkes, und wir werden, nicht zuletzt durch seine suggestive Schreibe, zu versierten Pilzesammlern, also: weg vom öden Zivilisationsstress und zurück zu der Natur - dieses gigantische Stück Prosa ist und bleibt mein Favorit in puncto Peter Handke!
Was ich damit meine, ist, dass Handkes absolute Stärken in der insgesamten Prosa-Schreibe von ihm, weniger in dessen (Bühnen-)Dialogen liegen; Sprache war und ist sein Ein und Alles - doch das Funktionierenmachen einer wirklich starken (Bühnen-)Handlung, wie es Bernhard oder Jelinek selbstredend ungleich "adäquater" konnten oder können, packte/packt er weniger denn je.
Und so gestaltet sich - naturgemäß - allein das Anhören des (von mir vorher nicht gelesenen und nicht analysierten) Pseudo-Stückes zur Geduldsprobe schlechthin: Zwei Menschen (Mann + Frau) verabreden sich irgendwo in der Natur, es gibt da insgeheim eine "Vereinbarung" zwischen den Beiden, also dass man irgendwas nicht sagen soll, was halt dann nicht gesagt sein darf o.s.ä.; doch der Mann will von der Frau partout dann wissen, wann/wo/wie sie menstruiert bzw. wer sie wo/wann defloriert hat, also alles diese typisch maskulinen Vollidioten-Fragen, wo dann nicht das Hirn des Mannes, sondern dessen Schwanz so eine Art von "Aufklärung" durchs Gegenüber abverlangt - die Frau indessen geht selbstredend überhaupt nicht auf die plumpe (Sexual-)Neugier ihres Befragers ein, sondern beschäftigt sich in zunehmender Weise, fast schon essayistisch, mit sich selbst und ihrem selbstverächtlich mitgeteilten Ausgetrocknetsein etc. pp. / So geht das Ganze hin und her und her und hin und findet keinen Höhepunkt, und zwar an keiner einzigen der (Leer-)Stellen; ein blutleeres und geistabsabberndes Gewäsch; ein Dialogisieren über Dinge oder Dinger, die den Hörer nicht die Bohne scheren - er (der Mann) kennt sich mit Vögeln scheinbar sehr gut aus, und sie (die Frau) schnakt von der Frauenrache oder so 'nem komplizierten Psychozeug... ES IST NICHT AUSZUHALTEN! // Kurzweilig und heiter wird es allenthalben dann, wenn plötzlich nacherzählt wird, dass die Frau sich mit 'nem früheren Geliebten irgendwann mal in 'nem Haufen Menschen-Scheiße suhlen tat; das war zwar schwerlich vorzustellen, doch in seiner plastischen Absurdität durchaus benennenswert. Ansonsten: NEIN, VERGISS ES!!
Unerklärliche Begeisterungsattacken für den Text oder das Spiel nach der Premierenvorstellung; Wim Wenders sah ich, wie er - ohne aufzugucken - Handkes Stücktext im Programmheft mitgelesen hatte.
Ist halt Prosa, wie gesagt.
Kein Stück.
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Sylvie Rohrer und Rüdiger Vogler in Peter Handkes Die schönen Tage von Aranjuez am Berliner Ensemble - Foto (C) Marcus Lieberenz
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Andre Sokolowski - 10. März 2013 ID 6606
DIE SCHÖNEN TAGE VON ARANJUEZ (Probebühne, 09.03.2013)
Inszenierung und Bühne: Philip Tiedemann
Kostüme: Florence von Gerkan
Geräusche: Joe Bauer
Dramaturgie: Brigitte Landes
Mit: Sylvie Rohrer und Rüdiger Vogler
Uraufführung war am 15. Mai 2012 bei den Wiener Festwochen
Deutsche Erstaufführung: 9. März 2013
Weitere Termine: 12., 23. + 24. 3. 2013
Weitere Infos siehe auch: http://www.berliner-ensemble.de
http://www.andre-sokolowski.de
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