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Doppel-Besprechung

8. / 17. November 2013 - Schauspiel Köln

DIE PRÄSIDENTINNEN / GENESIS





Alles auf Anfang – Neubeginn am Schauspiel Köln (2)

Nach den bereits besprochenen Premieren von Der nackte Wahnsinn / Kippenberger ging es im November weiter mit dem Start am Schauspiel Köln.

Auf dem Programm u.a. Werner Schwabs „Fäkaliendrama“ Die Präsidentinnen:

Olivia Grigolli, Yvon Jansen und Karin Neuhäuser geben Schwabs Damen Erna, Mariedl und Grete. Sie sehen sich eine Liveübertragung einer Papstmesse an, aber das ist bald gar nicht mehr das Thema. Erna beschwert sich über ihren Sohn Herrmann, der ihr kein Enkelkind schenkt. Gretes Tochter ist gar nach Australien geflüchtet, und Gretes Liebe gilt nun ganz ihrer Hundedame Lydia. Nur Mariedl scheint ganz eins mit sich und gibt sich ihrer Leidenschaft hin: verstopfte Toiletten reinigen. Dieses kleine Glück darf natürlich nicht Bestand haben und so hacken die anderen beiden beständig auf ihr herum.

Jan Bosses Inszenierung ist auf dem Papier nicht gerade taufrisch. Premiere feierte die Produktion 2005 am Zürcher Schauspielhaus. Aber es steckt (noch) jede Menge Leben in dem Abend. Das liegt vor allem an den Schauspielerinnen, die sich erbarmungslos die Lebensträume und -illusionen ihrer Figuren um die Ohren hauen, sich das kleinste Stückchen Glück nicht gönnen. Herrlich gemein und scharfzüngig darf dabei vor allem Karin Neuhäuser als Grete agieren: überkandidelt, ordinär, aber mit großem Herzen. Olivia Grigolli legt ihre Erna eher bieder und verschüchtert an, aber auch sie beweist eine erstaunliche Bissigkeit. Yvon Jansen ist eine verhältnismäßig junge Mariedl – und ganz beseelt von ihrer Mission, Verstopfungen in Toiletten zu beseitigen.

Sehenswert auch das Bühnenbild: Stéphane Laimé hat eine Art Schrankwand-Triptychon ins Depot 2 gestellt, in dem unzählige Devotionalien lagern und die Damen wie in einem Bildausschnitt thronen. Sollte einem beim Zuhörern tatsächlich langweilig werden, bekommt man hier jede Menge zu sehen.

Am Ende des Abends sind die drei Damen abgespielt. An ihre Stelle treten, jeden Protest freundlich ignorierend, drei Sängerinnen, die den verdienten Applaus einheimsen. Jan Bosses Inszenierung tourt seit vielen Jahren (bei gleicher Besetzung) erfolgreich durch deutsche Theater, war u.a. in Berlin und in Hamburg zu Gast. Es sieht so aus, als ob sich dieser Erfolg in Köln fortsetzen lässt. Das Publikum war zu recht begeistert.

[Zum Vergleich: Die Präsidentinnen in Günter Krämers Inszenierung am BE]


Bewertung:    


*


Bereits ein paar Tage zuvor hatte ein Mamutwerk in Köln Premiere, das Intendant Stefan Bachmann aus Zürich mitgebracht hat: Genesis, das erste Buch Moses – ungekürzt. Auf über fünf Stunden Spieldauer kommt der Abend und setzt damit den Trend am Schauspiel Köln fort, wirklich abendfüllende Stücke zu zeigen. Unter diesem Gesichtspunkt lohnt sich die Reise nach Köln-Mülheim fast immer. Ein riesiger Sand- und Lehmhaufen wurde im Depot 1 aufgeschichtet, auf dem in den nächsten Stunden – inklusive zweier Pausen – gespielt wird. Bei Bedarf wird eine kleine Kuhle hineingegraben, in der beispielsweise Schauspiel Michael Neuenschwander demonstrieren kann, wie Noahs Arche gegen die Fluten (aus einer Wasserflasche) kämpft. Oder Niklas Kohrt erklimmt als Abraham die Spitze und opfert seinen Sohn Isaak.

Bachmanns Regie lässt es langsam angehen. Minutenlang passiert gar nichts, dann setzt sich Michael Neuenschwander in einem schwarzen Cowboy-ähnlichen Outfit mit Stuhl und Pult auf die Bühne und liest. Erst nach und nach betreten weitere Schauspieler die Bühne, werden Szenen gespielt. Der Text in Buchform wird im Laufe des Abends immer wieder eine Rolle spielen, wenn sich einzelne Ensemblemitglieder an der Seite des Lehmbergs niederlassen und lesen.

Ein probates Mittel, um gegen die Länge und relative Trockenheit des Textes anzukommen, ist szenische Übertreibung. Das erste Buch Moses enthält zwar viele bekannte Geschichten, schmückt sie aber nicht allzu sehr aus, so dass manches sehr schnell vorüberzieht. Dann werden bei Bachmann eben die Auftritte zelebriert. Die 12 Söhne Jakobs etwa könnten auch aus einem Spaghetti-Western entsprungen sein. Marek Harloff erklärt als Josef mit Sonnenbrille und Glitzeroutfit in Popstarpose, wie die Ägypter sich vor der drohenden Hungersnot retten können. Bachmann mischt kräftig Hoch- mit Populärkultur und Trash. Beispiel dafür ist die Cliffhanger-Dramaturgie. Wird Abraham seinen Sohn opfern oder nicht? Sie erfahren es nach der Pause…

Dieser Ansatz der Übertreibung findet sich auch in der Ausstattung wieder. Requisiten sind (vermutlich als Tribut an ihre Zeichenhaftigkeit) oftmals zweidimensional gefertigt. So beispielsweise der Krug, den Rebekka zum Brunnen trägt. Es ist Geschmackssache, ob man diese Simplifizierung mag oder nicht. Geschmackssache sind auch die Kostüme von Annabelle Witt, die teils folkloristisch, teils parodistisch anmuten. Gerne werden lange Leinengewänder getragen. Es geht aber auch anders: Rebekkas Vater trägt beispielsweise einen zerfusselten Fellmantel und einen Helm, dessen Konstruktion an das Haupt der Medusa erinnert. In Ägypten überwiegen dann Glitzerstoffe und verrückte Frisuren.

Durchweg überzeugend sind die Schauspieler. Stellvertretend sei hier Michael Neuenschwander genannt, der zu Beginn aus der Bibel vorliest, dann als Gott die Fäden zieht und schließendlich als Jakob seine Kinder – und damit die 12 Stämme Israels – an einer langen Tafel um sich versammelt.

Bachmann und sein Team fahren sehr viel auf. Die Bühne ist spektakulär und beweist durch Licht und Projektionen eine erstaunliche Wandlungsfähigkeit. Auch für das Wohl der Gäste ist gesorgt: In der zweiten Pause gibt es Suppe für alle. Genesis ist ein Erlebnis. Dennoch stellt sich die Frage, ob dieser Text ein Stoff für die Bühne ist. Den endgültigen Beweis dafür hat Bachmann mit seiner Inszenierung nicht erbracht.


Bewertung:    


Karoline Bendig - 10. Dezember 2013
ID 7446
DIE PRÄSIDENTINNEN ((Depot 2, 08.11.2013)
Regie: Jan Bosse
Bühne: Stéphane Laimé
Kostüme: Kathrin Plath
Musik: Arno Kraehahn
Licht: Tilmann Casseus, Jan Steinfarth
Dramaturgie: Dimitra Petrou
Mit: Olivia Grigolli (Erna), Yvon Jansen (Mariedl), Karin Neuhäuser (Grete) sowie Nele Ahlers/Julia Cramer/Monika Dieter/Friederike Hohnen-Dieter/Nicole Ferrein/Katharina Schneider/Stephanie Wilkens als Chor
Kölner Premiere war am 8. November 2013
Weitere Termine: 19. + 20. 12. 2013 / 5. + 24. 1. 2014
Übernahme vom Thalia Theater Hamburg


GENESIS (Depot 1, 17.11.2013)
Regie: Stefan Bachmann
Bühne: Simeon Maier
Kostüme: Annabelle Witt
Musik: Max Küng
Licht: Michael Frank
Video: Christoph Menzi
Dramaturgie: Barbara Sommer/Lukas Bärfuss
Mit: Larissa Aimée Breidbach, Nikolaus Benda, Stefko Hanushevsky, Marek Harloff, Benjamin Höppner, Gerrit Jansen, Melanie Kretschmann, Simon Kirsch, Niklas Kohrt, Guido Lambrecht, Michael Neuenschwander, Jörg Ratjen, Annika Schilling und Bela/Robin Bachmann
Kölner Premiere war am 1. November 2013
Weitere Termine: 13. - 15. 12. 2013
Übernahme vom Schauspielhaus Zürich


Weitere Infos siehe auch: http://www.schauspielkoeln.com


Post an Karoline Bendig



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