3. / 4. Dezember 2005 - Deutsches Theater Berlin
Goethes FAUST I und II
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Wenn Inge Keller in persona alle drei Figuren (Wandrer, Philemon & Baucis) aus FAUST II als eine Art von spielerischem Ansatz vorzutragen in die Pflicht genommen steht - sie meistert diese Aufgabe in dem ihr eigenen und unverwechselbaren Hang zum leisesten Diseusentum - , bedeutet das - und spätestens an dieser Stelle wurde es dem aufmerksam wie konzentriert die beiden kurzweiligen Abende bisher verfolgt habenden Publikum bewusst - , dass etwas ganz Besonderes mit Goethes Supertext erfolgt sein musste ... dass sich nämlich eine wie die Keller - hätte sie das allen Ernstes nötig haben brauchen, außerhalb ihrs die verquerigsten Theaterlandschaften in Ost und West und vor und nach dem sogenannten Kalten Krieg erreicht habenden Schauspielerzenits einer geradlinig wie maßlos einzigartigen Karriere noch als Stargast (wohlgemerkt: im eignen Hause wo man sie seit eh und je als Unbestritten-Allergrößte kannte) aufzutreten - derartig zu etwas Derartigem hingegeben hat?
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Bis dahin war man Zeuge einer zweimal zweistündigen Aufführung (FAUST I lief tags davor) ... und was vor allem, insgesamt und überhaupt, dem Auge bis seitdem in der Erinnerung geblieben ist: die kurz vor Schluss des Ersten Teils fast lautlos sich zu einem weit nach hinten ausladenden Halbrund nach und nach geöffnet habende Paneelewand; vor ihr das weiße Eisenbett in Gretchens Zimmer, über ihm der Kruzifixus, sonst nur tiefes Schwarz und reichlich Raum für Töne und Bewegungen solch großartiger Schauspieler wie Ingo Hülsmann (Faust), Sven Lehmann (Mephistopheles) oder Regine Zimmermann als Margarete; Olaf Altmann baute diese mit den unerwartesten Effekten bildverwandlerischer Überraschung auftrumpfende Bühne.
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Diese Aufführungsidee und diese Aufführung an sich in ihrer eingedichtetst-mikroskopischen Gesamtheit ist das gegenteilige und allenfalls gelungene Totalextrem zu Peter Steins anmaßerischer und nicht minder abgeglückter "Vollversion" vor Jahren. Was der Eine meinte, durch das inszenierte Komma letzten Endes (wie als seinen eignen Schwangesang) noch irgendwie gesagt haben zu müssen, klärt der Andere (Michael Thalheimer!!) mit skalpellistischem Geschick: In der Tragödie Ersten Teil belässt er es allein bei der herausgeschälten Fabel zwischen Faust und Gretchen; dadurch wird die Handlung justament zu einem ibsengleichen Kammerspiel - aus der Tragödie Zweiten Teil beschäftigten ihn allenthalben die politischen Gepflogenheiten nebst des Machtgebrauchs am deutschen Kaiserhof, interessiert ihn Helena (gespielt von Nina Hoss) als sich noch nicht so ganz emanzipieren könnende Gebrauchtfigur ... und sicher, ganz ganz sicher!, hat er sich noch viel viel mehr bei allen seinen Streichungen und Kürzungen der Materialsammlung gedacht.
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Gewiss das Ungewöhnlichste, Verblüffendste was man zur Zeit am deutschen Staatstheater in Berlin zu sehen kriegt.
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Andre Sokolowski - 5. Dezember 2005 ID 00000002166
Johann Wolfgang von Goethe
Premiere am 7. Oktober 2005
Regie Michael Thalheimer
Darsteller Nina Hoss | Inge Keller | Regine Zimmermann | Michael Gerber | Ingo Hülsmann | Jürgen Huth | Ole Lagerpusch | Horst Lebinsky | Sven Lehmann | Peter Pagel | Henning Vogt
Musik Bert Wrede
Bühnenbild Olaf Altmann
Kostüme Michaela Barth
Termine DT
10. Dezember 2005
20.00 Uhr
17. Dezember 2005
20.00 Uhr
Weitere Infos siehe auch: http://www.deutsches-theater.berlin.net/
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