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Schauspiel Köln, 04.06.09

Elfriede Jelinek: Die Kontrakte des Kaufmanns


Das Kapital, das angelegt wurde, mit dem gehandelt wurde, das lebt jetzt auf einer Insel und macht Ferien – ein beruhigender Gedanke, den Elfriede Jelinek in ihrem neuesten Stück „Die Kontrakte des Kaufmanns“ entwickelt. Oder etwa nicht? Das Geld für die Eintrittskarte ist am Kölner Schauspiel jedenfalls gut angelegt.

Regisseur Nicolas Stemann und seine theatrale Eingreiftruppe, wie er alle Beteiligten auf der Bühne zu Beginn des Abends nennt, rücken Jelineks Textkonvolut aus 99 Seiten zu Leibe. Eine Mischung aus Lesung und Theaterstück entsteht bei jeder Aufführung wieder neu, immer mit der Option, neue Textpassagen der Autorin einzuarbeiten. Bei Jelinek kommt keiner gut weg, weder die Manager, die ihre Fehler schönreden, noch die Kleinanleger, die den maximalen Profit haben wollten und sich hinterher über das Risiko beschweren, das sie eingegangen sind. So ist es sinnig, dass alle Schafe und Wölfe seien können.

Auch der Zuschauer wird in dieses Kapitalspiel hineingezogen, indem er aufgefordert wird, bei einem Zaubertrick sein Geld, das er einsetzt, zu verdoppeln. Verständlicherweise wollte sich am Abend der besuchten Aufführung niemand so recht darauf einlassen. Und vielleicht sind wir auch alle schuldig. Zumindest bietet Claudia Lehmann, die Verantwortliche für die exzellente Videoarbeit bei dieser Aufführung, gegen Ende an, das eigene Konterfei ablichten und auf die Bühne projizieren zu lassen mit dem Schriftzug „schuldig“ – wie bei einem Verbrecherfoto. Bei all dem kämpft der Engel der Gerechtigkeit im 3. Abschnitt des Jelinektextes nach dem „Chor der Kleinanleger“ und dem „Chor der Greisen“ mit Megaphon und Regencape einen aussichtslosen Kampf.

Ausgesprochen kurzweilig ist Stemanns Nicht-Inszenierung. Der Abend hat etwas Spontanes, Anarchisches, wirkt nichtsdestotrotz aber durchgeplant, so dass es niemals langatmig wird. Stemann gelingen mit seinem Darstellerensemble (darunter auch er selbst, Musiker und der Dramaturg) berührende Momente. Der erste Teil der Aufführung bleibt sehr nah am Textblatt, sei es, wenn Therese Dürrenberger und Ralf Harster als Kleinanleger mit Zettel in der Hand ihr Schicksal beklagen oder die Manager vor drei Mikrofonen stehen und ihre Version der Wahrheit verbreiten. Theatrale Qualität gewinnt der Abend erst im zweiten Teil, dann zaubert die Videocrew um Claudia Lehmann die Gesichter der Darsteller auf riesige Luftballons, wird das Licht stimmungsvoller, erscheint Therese Dürrenberger im opulenten Kostüm. Kurz darauf fängt es an zu regnen und Paare begegnen sich. Zu diesem Stimmungswechsel nach der anfänglichen Spröde und ausschließlichen Textkonzentriertheit trägt auch die Musik bei. Stemann selbst zupft an der Gitarre und Jelineks Text wird jetzt auch gesungen. Die Anklänge reichen dabei von Falko über Purcells „King Arthur“ bis hin zum Kölner Kulturgut mit BAP (durchaus auch mit Publikumsbeteiligung).

Der Unterhaltungsfaktor des Abends ist trotz Thema, Textsuada und dreieinhalb Stunden Dauer ohne Pause hoch. Der Blick auf die Digitalanzeige, auf der die Seitenzahlen des Textes heruntergezählt werden, dient da eigentlich nur der Kontrolle, ob auch ordentlich mitgezählt wird.

Jelinek bietet keine Lösungen, schlägt in ihrem Text – wie von ihr gewohnt – gewagte Volten vom Geschäftsgebaren der Meinl-Bank in Österreich, die den Ausgangspunkt für ihren Text bietet, zum Selbstmord des Industriellen Adolf Merckle. Und zuletzt zieht eine Spielzeugeisenbahn einsam ihre Kreise.


Die Kontrakte des Kaufmanns
Eine Wirtschaftskomödie von Elfriede Jelinek


Regie: Nicolas Stemann
Bühne: Katrin Nottrodt
Kostüme: Marysol del Castillo
Video: Claudia Lehmann
Musik: Thomas Kürstner, Sebastian Vogel

Mit: Therese Dürrenberger, Ralf Harster, Franziska Hartmann, Daniel Lommatzsch, Sebastian Rudolph, Maria Schrader, Patrycia Ziolkowska

Premiere am 16.04.09, letzter Termin am: 22.06.09

Eine Koproduktion des Thalia Theater Hamburg mit dem Schauspiel Köln


Karoline Bendig - red. / 19. Juni 2009
ID 00000004347

Weitere Infos siehe auch: http://schauspielkoeln.de/stueck.php?ID=141&tID=1279





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