Staatsoper Berlin, Mittwoch, 16. März 2005
jonathan meese ist mutter parzival
von und mit Jonathan Meese in Zusammenarbeit mit der Galerie CFA Berlin und Thyssen-Bornemisza Art Contemporary, Wien
|
Bühnenbildmodell, (C) Staatsoper Berlin
|
Meese rumpelt sich an Wagner
einen runter
|
Wer ist Jonathan Meese? Er ist 35 Jahre alt, hat bis 1998 in Hamburg Bildende Kunst studiert, hätte (nach eigenen Aussagen) einen fünfzehntausendseitigen Gegenentwurf zu Hitlers Mein Kampf verfasst und macht so alles Mögliche. Zum Beispiel auch Performances: Hier wirkt er immer als Alleiniger, d. h. er stellt sich, zu einem ganz bestimmten Thema, als Medium auf die Bühne, und dann geht es mit ihm durch. Diese Spektakel (?) haben sich sehr schnell herumgesprochen, und so wird er hie und da zu einer Ein-Mann-Schau geholt. Die österlichen Festtage an der Berliner Staatsoper - eine alljährliche Veranstaltungsserie vor allem für die Gutbetuchten; Kartenpreise bis zu 300 Euro sprechen da für sich - hatten Herrn Dr. Meese mit einer Art von autonomem Anti-Abend zur zeitgleich ins sogenannte "Magazin der Staatsoper" audio-live übertragenen Neueinstudierung des Parsifal von Richard Wagner (mit hochkarätigen Solisten, dem Staatsopernchor und der Staatskapelle Berlin unter Daniel Barenboim) unter Vertrag. Er lieferte die Arbeit als jonathan meese ist mutter parzival ab, und was dabei herauskam, war von einer philosophilen Dünnscheißerei brachialsten Ausmaßes. Wie das? Von 15 bis 22 Uhr agierte er in seinem Rumpelkammer-Aufbau (gar nicht mal so schlecht entworfen: ein überdimensional-verhunzter und von innen begehbarer Wagnerschädel, eine aus mehreren Phallen bestehende Parzival-Statue, ein schrottreifer Kinderwagen, medizinale Gerippe und weibliche Schaufensterpuppen, mittelalterliche Flaggen, furchteinflößende Kruzifixe, jede Menge Meese-Bildnisse und aufgeschriebene Parolen; über allem eine Riesenleinwand für diverse Videoprojektionen) ziemlich konzeptions- und hilflos. Denn es war ihm allem Anschein nach durch Nichts vergönnt gewesen, in Beziehung zum Gehörten oder Nicht- oder Noch-nie-Gehörten (Parsifal) zu treten. Nur im Ersten Akt, während der ausladenden Gralenthüllungsszene, geiferte er etwas für ihn wichtig Mitzuteilendes (der Grundtenor war dann "Habt Demut vor euch selbst") aus sich heraus: sehr laut, sehr epileptisch... ja, ab da hätte man hoffen wollen, dass der Abend irgendwie so weiter geht und er, sich selber wenigstens, zum Kollaps steigerte. Stattdessen: langatmige Gesten mit viel Mantel, Schwert und noch viel lustloserem Schweigen. Bleiben Fragen an das künstlerische Management des Hauses: Warum habt ihr ihm nicht gleich die Neuregie im Großen Saal (statt Eichinger) gegeben? Wetten, dass dem Meese da was viel viel Witzigeres eingefallen wäre?? Wie denn, ihr getrautet euch am Ende nicht, ihr halbherzigen Apparatschiks???
|
Andre Sokolowski, 18. März 2005 ID 1746
Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsoper-berlin.org/
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
DEBATTEN & PERSONEN
FREIE SZENE
INTERVIEWS
PREMIEREN- KRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
URAUFFÜHRUNGEN
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|