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Feuilleton

27. Januar 2006, Maxim-Gorki-Theater Berlin

OSCAR WILDE - EIN RAUSCH

von Al Khalisi / Cathomas nach Oscar Wilde


Christian Sengewald (Lord Alfred Douglas) und Bettina Hoppe (Oscar Wilde) | (C) Foto: Bettina Stöß


17 Jünglinge auf 34 Beinen

Armin Petras wird im Sommer neuer Intendant am Gorki. Es ist zu erwarten, dass an diesem Haus dann alles etwas anders wird. Vor allem will sich der unter dem Pseudonym Fritz Kater schreibende (und vielfach preisgekrönte) Autor nicht allein als Regisseur und Chef in Personalunion verdingen wollen; was er angesichts der schwer wiegenden Konkurrenz mitmischender Berliner Sprechtheater ganz Besonderes zu bieten in der Lage wäre, ließ er schon vorab mit einer angedachten Öffnung seiner zukünftigen Wirkungsstätte für Autoren, also für Kollegen seines gleichen, durchblicken. Man darf gespannt sein, wie er dieses meinte ... wie er sich zum Beispiel von der ziemlich einseitigen Hausautoren-Klüngelei der Schaubühne zu unterscheiden oder abzuheben willens ist.
Die kurze Interimszeit bis dahin muss / wird vom gut gehenden Spielbetrieb unter der aktuellen Intendanz des Volker Hesse - 26 Produktionen, davon 15 neue (viele wiederum als Ur- und Erstaufführungen) - gemeistert werden. Kein Problem!

Monika Lennartz, ein seit eh und je verlässlicher Garant für hohe Schauspielkunst am Gorki, ist in jüngster Zeit als Lady Wilde in Remsi Al Khalisis / Bruno Cathomas' Collage "OSCAR WILDE - EIN RAUSCH" zu sehen. Als die Mutter eines alle Schranken des gesellschaftlichen Miteinanders in der damaligen Zeit zersprengenden und sich daher nicht "unschuldig" zernichtet habenden Exzentrikers, des Iren mit den Werken derart schön klingender Titel wie des DORIAN GRAY und DE PROFUNDIS oder BUNBURY oder der SALOME; und so lässt Lennartz ihre so beeindruckende Miene spielen, und sie deklamiert in den verblüffendsten Schattierungen ein klitzekleines Textchen des das Stück so vielchorig als schwulen Dandy oder pädophilen Homosexuellen durch und durch Behandelnden: BEDEUTENDE RAKETE - einem wahren Kleinod dichterischer Kunst; der Zyniker, wie alle Zyniker, hatte bekannter Weise ja ein großes Herz für Kinder.
Oscar Wilde an sich wird durch Bettina Hoppe, einer die Verwandlungskunst sowohl im Körperlichen wie im Stimmlichen perfekt beherrschenden Aktrice, dargestellt. Die einprägsamsten Szenen sind dann auch der Anfang wie das Ende dieser Inszenierung:
Ganz weit hinten ahnt und sieht man Hoppe ... oberkörperfrei; da stottert sie sich, irgendwie verstört, in hektischen und ihres Gleichgewichts verlustigen Bewegungen mit jedem neuen Schritt nach vorn; ihr werden von der Requisite nach und nach diverse Kleidungsstücke zugereicht - bis "sie" sich als das absolute Konterfei von Oscar Wilde, so wie man es von unzähligen Fotos kennt, entpuppt - - von hinten also (Wildes martyrerische Strafgefangenschaft!) begonnen - - - bis zum Schluss dann, wie gesagt: Unter den Zuschauern vernimmt man plötzlich ein zitierendes Gesäusel; man vermeint mit einem Mal Obszönes, irgendeine Szene zwischen mindestens zwei Menschen einerlei Geschlechts, zu hören; und tatsächlich!
17 Jünglinge erheben sich von ihren Plätzen, streifen sich die Hosen runter, greifen sich in ihren weißbeslipten Schritt und stehen da auf ihren 34 harten Männerbeinen; sie begeben sich, im Tonfall immer lauter werdend, auf die Bühne; unterm Chorgetöse pornografischer Verlautbarungen schließt der Vorhang.

Voll besetztes Haus, kein Wunder - bei dem Selbstläufer.


Andre Sokolowski, 28. Januar 2006
ID 2221
www.andre-sokolowski.de


OSCAR WILDE - EIN RAUSCH
von Al Khalisi / Cathomas nach Oscar Wilde


Regie: Bruno Cathomas
Bühne: York Landgraf
Kostüme: Elke von Sivers
Musik: Mathias Trippner
Dramaturgie: Remsi Al Khalisi

Darsteller:
Bettina Hoppe (Oscar Wilde), Monika Lennartz (Lady Wilde), Christian Sengewald (Lord Alfred Douglas), Rainer Kühn (Marquees of Queensberry), Thomas Müller (Robert Foss), Thomas Bischofberger für den erkrankten Niels Bormann (Alfred Taylor), Julian Mehne (Edward Carson)

Chor (17 Jünglinge): Eike Ahrens, Julian Ehbauer, Maik Forberger, Eric Golub, Marco Grimm, Steffen Jäckel, Uli Knieknecht, David Krause, Sebastian Kunz, Moritz Lembke, Robert Mai, Jacob Methner, Felix Meyer-Christian, Philipp Richardt, Christian Richter, Daniel Schauf, Viktor Scholz

Premiere am 25. September 2005 im Maxim Gorki Theater

Weitere Vorstellung: 3. Februar 2006

Weitere Infos siehe auch: http://www.gorki.de






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