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Premierenkritik

13. September 2013 - Premiere im Staatsschauspiel Dresden

KING ARTHUR

Semiopera von John Dryden und Henry Purcell / Deutsch von Renate und Wolfgang Wiens // Prolog und Epilog in einer Bearbeitung von Armin Petras


King Arthur am Staatsschauspiel Dresden - Foto (C) David Baltzer



Trompeten und Hörner bliesen es von den Zinnen der Feste. Großes stand an diesem Abend bevor. Das Staatsschauspiel Dresden beging am Freitag, dem 13. sein hundertjähriges Bestehen. 100 Jahre in 100 Bildern. Zu festlich barocken Streicherklängen zog noch einmal die bewegte Geschichte des mächtigen Theaterbaus an der Ostra-Allee an den Augen der Anwesenden vorbei.

Intendant Wilfried Schulz beschwor in seiner klugen Festrede das Theater als Ort der Repräsentation und des Authentischen im schützenden Mantel der Kunst, immer auf der Suche nach Wahrheit und einem veränderbaren Zustand der Welt. Der gebürtige Preuße an der Spitze des Sächsischen Staatsschauspiels hat sich mit seiner ehrlichen Bürgernähe die Sympathie der Dresdner redlich erarbeitet.

Neben einem leicht missverständlichem Ausflug in die schwedische Literatur, mit einem Bestseller, in dem ein Hundertjähriger aus dem Fenster stieg und verschwand, war die Rede von Stanislaw Tillich, seines Zeichens Ministerpräsident des Sächsischen Freistaats, von ausgewogen regionaler Schlichtheit. Er sprach von sächsischer Ingenieurskunst, einem Darlehn der Bürger Dresdens, das den Bau ihres Theaters erst ermöglichte und dem Lesen zwischen den Zeilen, einem bekanntermaßen rein sächsischen Phänomen. Neben Kulturförderung ist in Sachsen vor allem Popularität wichtig. Der Mann ist Pragmatiker, er will wiedergewählt werden.

Umso reflektierter dann der Beitrag des Dresdner Schauspielensembles. Damit Theater eben nicht einfach nur zum Bestseller verkommt, äußerten die Schauspieler, vertreten durch das jüngste (Lea Ruckpaul) und älteste (Albrecht Goette) Ensemblemitglied drei fromme Wünsche, die es vieler Orts noch zu erfüllen gilt. Die beiden wünschten sich, ein Publikum, das sich zur Verfügung stellt, eine Politik, die Kunst und Markt trennt und ein Theater, das seine Aufgabe nicht vergisst, ein anderer Ort zu sein. Was die beiden genau darunter verstehen, soll hier nicht weiter ausgeführt werden, denn echtes Theater wurde natürlich auch noch gespielt.



* * *


Um der gemeinsamen Zeit des Staatsschauspiels mit der Staatsoper Dresden zu gedenken und die beiden Kunstgattungen wieder zu vereinen, hat man zum Jubiläum die Semiopera King Arthur mit der Musik von Henry Purcell und dem Text von John Dryden ausgewählt. Die beiden Engländer huldigten 1691 ihrem König Charles II. und dem Sieg der Briten über die heidnischen Sachsen mit einer Art Nationaloper. Das könnte natürlich gerade am Sächsischen Staatsschauspiel und aus Sicht der Dresdner Geschichte einiges an Brisanz bieten.




King Arthur am Staatsschauspiel Dresden - Foto (C) David Baltzer



Armin Petras, der in Dresden mit seiner Dramatisierung des Tellkamp-Romans Der Turm glänzte, hat die Oper mit einem frischen Prolog versehen. In schönstem Kontrast zu den Sonntagsreden der Politik stehen die Worte von Staatssalat und -bankrott, Kunst und Macht, sowie wenig Hirn und viel Eitelkeit. Matthias Reichwald, der hernach als King Arthur zum an der Rampe steckenden Schwert greifen wird, spricht sie direkt ins Dresdner Publikum.

Zur Ouvertüre versammelt sich dann jede Menge finsteres Personal zum Schlachtgetümmel und stürzt dabei die lange Bühnenschräge hinunter, die nach hinten spitz zuläuft. Während König Arthur im Soldatenmantel seine Briten zum Kampf treibt, rufen die geschlagenen Sachsen ihre Götter an. Dem noch zaudernden König Oswald (Christian Erdmann) drückt dabei der bassgewaltige Zauberer Grimbald (Peter Lobald) den Speer in die Hand. Zum martialischen "We have sacrificed ... Come if you dare" werden drei Geopferte an Sicherheitsgeschirren hochgezogen.

"Der Sachse rührt sich wieder", was erste Lacher im Publikum auslöst. Bei all der Pathetik, die Drydens Text und Purcells Musik bietet, legt sich die Inszenierung von Tilmann Köhler, der sich am Staatsschauspiel zum vielbeachteten Hausregisseur gemausert hat, auch ein passendes Sicherheitsgeschirr an. Und zwar das Allheilmittel der Ironie. Man ist sich dessen durchaus bewusst und vergisst auch nicht im Programmheft zu betonen, dass schon in Drydens Text ironische Kritik versteckt sei.

Neben dem Kriegsgeschäft der Könige geht es in einer zweiten Ebene um die Liebe zur blinden Emmeline. Beide Kontrahenten sind in ihre schönen Augen, die nichts sehen, versunken. Mit der herrlich nöligen Stimme Yohanna Schwertfegers spricht Emmeline von der Liebe mit Hand und Seele und ist dann doch wie ein Kind von ihrem Schatten fasziniert, als ihr das Augenlicht durch Zaubersaft gegeben wird. Gerade dem Wiener Burgtheater von Matthias Hartmann in Richtung Dresden entkommen, gerät Yohanna Schwertfeger nun in die Fänge Oswalds und seines intriganten Zauberers Osmond. Benjamin Pauquet gibt ihn als notgeile Variante eines im Gesicht kreuzweise geschnürten Malvolios. "Osmond heiß ich, und ich will Liebe", gesteht er Emmeline mit heruntergelassener Hose.

Dass Autor Dryden Shakespeare verehrte und oft bearbeitet hat, ist bekannt. Das gipfelte in der ebenfalls mit Purcell verfassten Semiopera The Fairy Queen, einer Version des Sommernachtstraums. Und so lässt sich sein King Arthur durchaus auch als ein zauberhafter Traum von Sein und Schein lesen und besitzt der zwischen den Fronten schwankende Luftgeist Philidel die Züge eines Pucks. All das verbirgt die Inszenierung von Köhler nicht. Im Gegenteil, sie stellt es in Persona der stets quirligen, mal wimmernd, mal neckend auf der Bühne herumwuselnden Sonja Beißwenger gerade zu aus. Schauspielerisch fraglos gekonnt stemmt sich das Energiebündel gegen Widersacher Grimbald, muss sich allerdings in den Gesangspassagen von der Sopranistin Arantza Ezenarro doubeln lassen.




King Arthur am Staatsschauspiel Dresden - Foto (C) David Baltzer



Die Irrungen und Verwirrungen auf der Bühne sind Programm. Erst irrlichtern Sachsen und Briten, wechselseitig getrieben durch Grimbald und Philidel durch den Sumpf - "This way, hither, this way" - dann betören die Gesänge des Cupido (Romy Petrick) selbst die Sinne des coolen Grimbald. Bei der am Theater gern und oft kopierten Arie des Cold-Genius schmilzt der Eisberg Grimbald geradezu wie Softeis. Die Kraft Oswolds ist damit aber noch nicht gebannt. Er verzaubert nun gleich einen ganzen Wald.

Als graue Eminenz der zaubernden Gegenwehr schwebt Merlin (Albrecht Goette) mit Rauschebart und Hirschgeweih vom Bühnenhimmel herab. Außer den umgeschnallten weißen und schwarzen Engelsflügeln vermag nur sein Zauberstab, Gut und Böse voneinander zu scheiden. In der schönsten Szene der Inszenierung bewegen sich die Mitglieder der hervorragenden Vereinigungen von Sinfoniechor Dresden sowie Extrachor der Semperoper in bunten Fantasiegewändern auf den ihren Sirenengesängen fast schon erlegenen König Arthur zu. Der Baum in dem er seine Emmeline zu sehen glaubt, wird aus einem Bündel gold-glänzender Tücher gebildet. Sie verleihen dem Bühnenbild von Karolyi Risz einerseits schlichte Schönheit gegen die barocke Macht der Musik und lassen sich anderseits zu wehenden Fahnen, schützenden Gewändern oder fesselnden Banden verwenden.

Am Ende greift die bis dahin eher zurückhaltende Regiehand von Tilmann Köhler noch einmal entscheidend in die Handlung ein. Ein Balanceakt auf wackeligen Prospektstangen kippt das Happy End und lässt die nun eigentlich zum Preisen des Paars in heutiger Abendgarderobe angetretene und "Holy Land" intonierende Menge zunächst etwas ratlos aussehen. Es ist nichts, wie es scheint, ist die Aussage der Inszenierung, und löst damit die These des Theaters als einem anderen Ort zumindest in Ansätzen ein. Und während das wunderbar aufgelegte Prager Collegium 1704 unter der Leitung von Felice Venanzoni auf ihren Barockinstrumenten weiter in Wohlklängen schwelgen darf, kommt endlich auch die von Herrn Tillich gepriesene sächsische Ingenieurskunst in Form der dreiteiligen Versenk-Schiebe-Bühne zum Einsatz.



King Arthur am Staatsschauspiel Dresden - Foto (C) David Baltzer



Bewertung:    


Stefan Bock - 16. September 2013
ID 7148
KING ARTHUR (Staatsschauspiel Dresden, 13.09.2013)
Regie: Tilmann Köhler
Musikalische Leitung: Felice Venanzoni
Bühne: Karoly Risz
Kostüm: Susanne Uhl
Licht: Michael Gööck
Chor: Christiane Büttig
Dramaturgie: Felicitas Zürcher und Valeska Stern
Besetzung:
König Arthur ... Matthias Reichwald
Merlin, ein berühmter Magier ... Albrecht Goette
Conon, Herzog von Cornwall, Vasall Arthurs ... Holger Hübner
Aurelius, Arthurs Freund ... André Kaczmarczyk
Albanact, Hauptmann von Arthurs Garde / Waldgeist ... Hagen Matzeit / Matthias Rexroth
Oswald, König von Kent, Sachse ... Christian Erdmann
Osmond, ein sächsischer Zauberer ... Benjamin Pauquet
Emmeline, Conons Tochter ... Yohanna Schwertfeger
Matilda, Emmelines Dienerin / Sirene / Nymphe / Venus ... Nadja Mchantaf
Philidel, ein Luftgeist ... Sonja Beißwenger
Grimbald, ein Erdgeist ... Peter Lobert
Cupido / Nereide ... Romy Petrick
Luftgeist / Sirene / She ... Arantza Ezenarro / Norma Nahoun
Herold / Schäfer / Comus ... Simeon Esper / Aaron Pegram
Waldgeist / Aeolus / Pan / He ... Ilhun Jung / Julian Arsenault
Sinfoniechor Dresden
Extrachor der Semperoper Dresden
Collegium 1704
Instrumentalisten: Andrew Maginley (Teorbe, Erzlaute, Gitarre), Josep Maria Martí Duran (Teorbe, Gitarre), James Bush (Cello),
Diethard Krause (Viola da gamba), Felice Venanzoni, Johannes Wulff-Woesten / Clemens Posselt (Cembalo)
Premiere war am 13. September 2013
Weitere Termine: 22., 29. 9. / 14., 17., 30. 10. / 1., 7. 11. / 7. 12. 2013 sowie 25. 2. / 20. 3. / 16. 4. / 18., 29. 5. / 7. 6.. 2014
Eine Produktion des Staatsschauspiels Dresden und der Semperoper Dresden


Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsschauspiel-dresden.de


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