26. Januar 2011, Halle Beuel (Theater Bonn)
Andrew Bovell: Das Ende des Regens
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Foto (C) http://www.theater-bonn.de
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Der australische Dramatiker Andrew Bovell erzählt in seinem Stück „Das Ende des Regens“ eine Familiengeschichte, die sich zeitlich von den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts bis in die Zukunft erstreckt und geographisch von London nach Australien. Und dort beginnt es auch, in Alice Springs im Jahr 2039. Gabriel York (Bernd Braun) fällt ein Fisch vor die Füße. Ein Zeichen Gottes, da er heute nach vielen Jahren seinen Sohn wiedersieht und noch nichts Essbares besorgt hat? Oder doch ein Zeichen für das Ende der Welt? Denn wo sollte mitten in Australien ein Fisch herkommen?
Klaus Weise, Intendant des Bonner Theaters, inszeniert die deutschsprachige Erstaufführung von „Das Ende des Regens“ in der Halle Beuel. Der Zuschauer blickt auf eine Art gehobene Wohnanlage, in der fünf Zimmer nebeneinander aufgereiht sind. Sie sind identisch ausgestattet und zum Zuschauer hin geöffnet. Oder eben nicht, wenn Jalousien die Öffnungen verschließen. Das sieht alles etwas steril und sehr gediegen aus. Für den rebellischen Aspekt im Bühnenbild von Dorothea Wimmer sorgt ein Autowrack, das links vorne steht. In diesem Auto sitzt der Schauspieler Birger Frehse und steuert mit einer E-Gitarre Musik zum Abend bei.
Was aber zunächst ins Auge fällt, sind die präzisen und stimmungsvollen Projektionen auf das Bühnenbild und vor allem auf die zugezogenen Jalousien. Mal sind es einzelne Bilder, mal ganze Videosequenzen, die projiziert werden und wesentlich zur dichten Atmosphäre des Abends beitragen. Ich ziehe meinen Hut vor den Damen und Herren, die für die technische Einrichtung verantwortlich sind und die Technik am Vorstellungsabend fahren. Überhaupt die Optik: Das Bühnenbild ist beispielsweise hervorragend ausgeleuchtet (Licht: Thomas Roscher).
In jedem der oben erwähnten fünf Zimmer spielt sich ein Teil der Geschichte ab und ein gesprochener Off-Kommentar verrät, wo man sich befindet: in London in den 1960ern oder im Jahr 1988, in Adelaide im Jahr 2013 oder in einem anderen Teil Australiens im Jahr 2039. Da gibt es das junge Paar Henry und Elisabeth Law, die einen gemeinsamen Sohn haben. Im Zimmer rechts daneben sieht man diesen Sohn gut 20 Jahre später mit seiner Mutter als älterer Frau. Oder die junge Frau ganz links, die in Australien lebt, und den Sohn der Laws trifft. Und dann heißt diese junge Frau auch noch Gabrielle, der junge Mann Gabriel. Ich vermeine, die Damen neben mir kurz aufstöhnen zu hören.
Geschickt sorgt der australische Dramatiker Andrew Bovell dafür, dass die Zuschauer seines neuesten Stücks konzentriert bleiben müssen. Aber so verwirrend, wie es anfangs den Anschein hat, ist es gar nicht. Bald klären sich die Verhältnisse und die Geschehnisse, die die beiden Familien Law und York prägen, werden deutlich. Das liegt natürlich zum einen an Bovell, der eine große Familiengeschichte erzählt, in der trotz aller Tragik den Humor nicht zu kurz kommen lässt – etwa wenn im Laufe der Jahrzehnte sich einzelne Aktionen oder Sätze bei den verschiedenen Protagonisten wiederholen und man als Zuschauer weiß, woher sie kommen. Dass der Abend überzeugt und einen unweigerlich in seinen Sog zieht, liegt aber auch an der Regie von Klaus Weise, die ohne Schnickschnack nah an den Figuren und an der erzählten Geschichte bleibt, sowie an den Schauspielern.
Heide Simon etwa verkörpert Elisabeth Law als Frau um die 50, etwas angeknackst von ihren Lebensentscheidungen, die sich in den Alkohol flüchtet, um nicht mit ihrem Sohn über ihre Vergangenheit reden zu müssen. Ihr junges Pendant ist in Christine Schönfelds Darstellung noch etwas stolzer, energischer. Aber es kommt auch der Zusammenbruch, als sie von den Geheimnissen ihres Mannes erfährt und ihn radikal und entschieden aus ihrem Leben – und damit auch aus dem ihres gemeinsamen Kindes – verbannt. Raphael Rubino spielt diesen Henry Law als einen Lebensuntüchtigen, Gescheiterten, der trotz seiner großen körperlichen Präsenz etwas Zerbrechliches hat und nicht aus seiner Haut kann. Nico Link wiederum ist als Gabriel Law, Sohn von Henry und Elisabeth, ganz der rebellische junge Mann, der etwas erleben möchte, der der Nähe seiner Mutter entfliehen und vor allen Dingen herausfinden möchte, was mit seinem Vater geschehen ist. Zusammen mit seiner Liebe Gabrielle erlebt er in Australien eine unbeschwerte Zeit, an deren Ende sein Tod steht.
Beeindruckend das Paar Ralf Drexler als Joe Ryan und Tatjana Pasztor als ältere Gabrielle York. In unerfüllter Nähe zueinander schicksalhaft miteinander verbunden – sie hat ihre große Liebe verloren und er weiß, dass er nicht diese große Liebe ist – gehen die beiden bis zuletzt ihren gemeinsamen Weg. Es ist eine Geschichte von Altern und verlorenen Sehnsüchten, die die beiden in ihren wenigen Szenen spielen und die berührt.
Lediglich Anastasia Gubareva als junge Gabrielle York, die ihren Gabriel leidenschaftlich auch über den Tod hinaus liebt, und Birger Frehse als Andrew fallen etwas ab – wobei Letztgenanntem zu wenig Raum zur Verfügung steht, um seine Figur zu entfalten. Gubareva ist gelegentlich zu hektisch und an vielen Stellen spricht sie zu leise. Auch Bernd Braun, der zu Beginn des Abends einen beeindruckend atemlosen Monolog hält, hat wenig Gelegenheit, seine Figur auszubauen. Erst ganz am Ende erzählt dieser Gabriel York, der aus der großen Liebe zwischen Gabrielle York und Gabriel Law entstanden ist, seinem Sohn Andrew ein paar Details aus seinem Leben. Als Zuschauer beginnt man hier, Zusammenhänge und Motive zu durchschauen, die oft durch eine familiäre Kettenreaktion bedingt sind, derer sich die Beteiligten nicht bewusst sind, weil nicht darüber gesprochen wird, was in der Vergangenheit geschehen ist. Denn das zeichnet fast alle Figuren des Stücks aus: zu sagen hätten sie viel, aber sie reden nicht wirklich miteinander.
Das Ende kommt dann ein wenig abrupt – hatte man bisher doch geduldig dem Familienreigen zugesehen, sich in die Figuren eingefühlt, und dann bleibt das letzte Vater-Sohn-Paar im Grunde nur ein Appendix. Ihre Geschichte bleibt im Dunkeln, aber ein weiteres Kapitel hätte die Aufnahmefähigkeit des Zuschauers vielleicht auch zu sehr strapaziert. Dafür freut man sich noch über einen Clou: Während Gabriel York seinem Sohn Andrew alle möglichen Gegenstände zeigt, die ihm seine Mutter hinterlassen hat und die für ihn nichts bedeuten, kann man als Zuschauer einiges mehr damit anfangen.
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Karoline Bendig - red. 4. Februar 2011 ID 5041
DAS ENDE DES REGENS (Halle Beuel, 26.01.2011)
Inszenierung: Klaus Weise
Ausstattung: Dorothea Wimmer
Video: Dorothea Wimmer
Licht: Thomas Roscher
Dramaturgie: Stephanie Gräve
Mit: Bernd Braun, Heide Simon, Anastasia Gubareva, Ralf Drexler, Tatjana Pasztor, Christine Schönfeld, Nico Link, Raphael Rubino und Birger Frehse
Premiere war am 10. Januar 2011
Weitere Termine: 08.02., 12.02.
Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-bonn.de
Post an die Rezensentin: karoline.bendig@kultura-extra.de
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