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3. April 2011, Theater Bielefeld

Der Leopard (DSE)

Inszeniert von Christian Schlüter / Nach der Neuübersetzung von Gió Waeckerlin Induni


Familienwappen der Tomasi


Il Gattopardo setzt an zum letzten Fauchen

Das Stück Der Leopard, inszeniert von Christian Schlüter, beruht auf dem gleichnamigen, in den 50er Jahren erschienenen Roman von Tomasi Di Lampedusa. Dieser beschreibt den Niedergang einer sizilianischen Adelsfamilie und ihrem Oberhaupt - Don Fabrizio, der auf dem Höhepunkt des Glanzes erkennt, dass seine Welt, im Vergehen begriffen, ihn zum Endpunkt einer langen Tradition werden lässt. Vor dem Hintergrund des sich herausbildenden italienischen Staates und dem Untergang des gewohnten Feudalprinzipes Ende des 19. Jh. sieht er die herannahende neue Zeit deutlich. Er begrüßt sie zunächst, widersetzt sich nicht, aber verliert im Verlauf Einiges an Hoffnungen. Zurück bleibt desillusionierte Melancholie - die des bilanzierenden, alternden Mannes, dessen Zeit sich dem Ende neigt, und die der Erkenntnis, dass die neue Zeit nicht substantiell anders oder gar besser sondern nur in anderem Gewande erscheint. Der Ausspruch „Wenn alles bleiben soll wie es ist muss sich alles Ändern“ wird zum Leitspruch und Dilemma zugleich; echte Veränderung scheint nicht vorgesehen.

Einige wenige Sekunden dauerte es, bis man realisierte, dass es längst begonnen hatte: Die übriggebliebene, gealterte Tochter des Hauses, Concetta, betrat die Bühne, um (mit dem Roman in der Hand) vom Ende des Glanzes des Hauses Salina zu berichten. Auf einer in die Bühne eingelassener Sofasitzgruppe nahm sie Platz und stellte die Familienmitglieder vor, die sich hinter einer Schattenwand befanden. „Schatten aus der Vergangenheit“ - dieses Motiv wirkte hier doch sehr plakativ. Der Autor Tomasi Di Lampedusa - gleichsam die Geschichte erzählend - saß neben ihr und sprang von Zeit zu Zeit in die Rolle des Hundes Bendicó. Dessen ausgestopfter staubiger Rest hatte Concetta beim Altern begleitet, immer wieder beherzt vor der Entsorgungswut diverser Putzfrauen bewahrt und zu Beginn des Stückes gut sichtbar in der Sofasitzgruppe präsentiert.

Mit dem Wegfall der Schattenwand und dem Blick auf die gesamte, rosenkranzbetende Familie (inklusive einer jungen Concetta) wechselt die zeitliche Ebene, das Vergangene wird wieder zur Gegenwart, der Hund zwischenzeitlich wieder lebendig: Die eigentliche Geschichte beginnt. Sehr textnah und den erzählenden, lesungsähnlichen Charakter beibehaltend, kommt das Stück daher. Verschiedene slapstickartige kleine Sottisen brachen von Zeit zu Zeit die Melancholie ein wenig auf und schärften die durch die Textlastigkeit beanspruchte Konzentration. Ihre Stärke lag nicht etwa in einem besonders subtilen Witz, sondern in ihrer satten Plötzlichkeit.

Wenn sie auch das eine oder andere Mal eine Spur zu laut und zu überdeutlich daher kamen, gelang es ihnen doch, die Schwere ein wenig ironisierend zu verabreichen. Die autobiographischen Züge des Romans - der Urgroßvater stand für die Figur des Fürsten Pate - wurden durch die Einbindung des Autoren in die Handlung deutlich hervorgehoben. Auch das Bühnenbild verstärkt den Eindruck einer inhaltlichen Verschränkung verschiedener Ebenen. Die auf unterer Ebene in die Bühne eingepasste Sitzgruppe vermittelte Distanz, blieb aber in beide Richtungen betretbar und durchlässig - was den Eindruck einer gleichzeitigen Anwesenheit des Abgesangs in Gestalt der gealterten Concetta mitsamt Autor und Hundefell und den vergangenen, glanzvolleren Zeiten verstärkte. Das ja eigentlich zeitlich Versetzte löste sich so teilweise auf, der Untergang war Folge, aber durch die Erzählweise zugleich auch Basis für die dargestellte Geschichte. Erwähnung finden sollten hier noch die unterhaltsam gespielten und ausgesprochen tiefen Verbeugungen des Hausgeistlichen Pater Pirrone, die die Macht und die Autorität des Fürsten kurz vor ihrem Bedeutungsverlust noch mal in den Vordergrund holten und augenfällig machten.

Alles in allem ein Stück, dem es gelang, die tragende Schwere und melancholische Leichtigkeit dieser Niedergangsgeschichte spürbar zu machen, ohne sich selbst darnieder zu legen unter der Schwere der Fürsten von Salina. Es begann beiläufig lakonisch und endete abrupt, nach der Entsorgung des alten Hundefells ging das Licht aus... War ja nun auch alles vorbei.

Das Stück läuft noch bis zum 15. 7 im Stadttheater Bielefeld.


Nadine Holzmeier - 11. April 2011
ID 5149
DER LEOPARD (Theater Bielefeld, 03.04.2011)
Inszenierung Christian Schlüter
Bühne Jürgen Höth
Kostüme Jürgen Höth / Brit Daldrop
Musikalische Leitung Christian van den Berg-Bremer
Video Konrad Kästner / Johanna Zielinski
Dramaturgie Katrin Michaels
Besetzung:
Lampedusa, Autor / Bendico, Hund ... Thomas Wehling
Don Fabrizio, Fürst von Salina ... Thomas Wolff
Maria Stella, Fürstin ... Carmen Priego
Concetta, seine Tochter ... Therese Berger / Nicole Lippold Paolo, sein Sohn / Carlo Cavriaghi, Tancredis Freund ... Martin Bretschneider
Tancredi, sein Neffe ... Omar El-Saeidi
Pater Pirrone ... Stefan Imholz
Don Ciccio, Verwalter ... John Wesley Zielmann
Don Calogero, Bürgermeister / Chevalley de Monterzulo, Gesandter aus Piemont ... Gunnar Kolb
Angelica, seine Tochter ... Charlotte Puder
Klavier ... Christian van den Berg-Bremer
Cello ... Yoon Ha Choi
Weitere Termine: 20. 4., 12. und 19. 5. 2011


Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-bielefeld.de





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