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Feuilleton


25. - 27. Februar 2011 in Köln

Csárdásfürstin / Il Trovatore / The Turn of the Screw



THE TURN OF THE SCREW an der Oper Köln - Foto (C) Klaus Lefebvre

Die Diven sind los

Und die Jecken auch! Ganz Köln tritt in diesen Tagen in die heiße Phase des Karnevals. Die Possenspiele der Kölner Kulturpolitiker dauern da schon wesentlich länger. Ob die zahlreichen Varianten zur Sanierung der maroden Kunsttempel, ob Generalintendanz ja oder nein oder vielleicht doch, und was nun für welches Haus das ideale Ausweichquartier ist oder eben nicht: Die gewählten Volksvertreter lassen keine Gelegenheit aus, um die Nervenkostüme von Karin Beier, Uwe Eric Laufenberg und Markus Stenz auf eine harte Probe zu stellen. Meine Dame, meine Herren, als Berliner kennt man diese Narreteien zur Genüge. Deshalb meine Bitte: Bleiben Sie hart! Halten Sie durch!

Was zum Beispiel die Oper Köln in ihren derzeit acht (!) Spielstätten sowohl künstlerisch als auch logistisch leistet, nötigt Respekt ab.

Freitag, 25.02.2011: Um als Tourist das Palladium im Mülheimer Schanzenviertel zu finden, muss man sich schon etwas Mühe geben. Dort ist in der kleinen Nebenhalle Kálmáns Csárdásfürstin untergebracht worden. Ausstatter Friedrich Eggert hat aus der Not eine Tugend gemacht und platziert uns mitten in sein Bühnenbild. Wir sitzen also an Tischchen oder drum herum, sind mal Zuschauer in Sylva Varescus Varieté (Akt 1) oder Gäste bei der Verlobungsfeier in Wien (Akt 2). Das Orchester ist auf zwölf Spieler geschrumpft, die Sänger tragen Mikroports. Das alles schafft Intimität und - noch wichtiger - Authentizität. Und natürlich wussten wir auch schon immer, dass eine waschechte Operettendiva nicht unbedingt eine Frau sein muss: Christoph Marti alias Ursli Pfister spielt mit soviel Pfeffer im Arsch und Paprika im Herzen, dass man ihm die Budapester Chansonette sofort abnimmt. Stimmlich hat das natürlich nichts mit einer Anneliese Rothenberger zu tun. Eher trifft da Zarah Leander auf Marika Rökk. Aber im Ernst: Wen sollte das jucken? Schön ist doch, dass die Nummern so folgen, wie sie Kálmán geschrieben hat. Selbst die Handlung muss nicht verändert werden: Dass Sylva Varescu ein Travestiestar ist, es also um eine schwule Liebe mit all ihren (gesellschaftlichen) Hindernissen geht, passt wie die Faust aufs Auge. Und es ermöglicht herrlich skurrile, aber auch tragikomische Situationen. Regisseur Bernd Mottl und Choreograph Otto Pichler (Kiss me, Kate / Komische Oper Berlin) haben hier ihr ganzes Herzblut reingepackt. Und Miljenko Turk ist als Edwin von Lippert-Weylersheim die zweite singschauspielerische Granate. Toll, toll, toll!

Samstag, 26.02.2011: Die Philharmonie steht direkt neben dem Kölner Dom und den kann man ja nun wirklich nicht übersehen. Im Rahmen der Reihe „Fest der schönen Stimmen“ gibt es in diesem Jahr kein Arien-Potpourri sondern eine konzertante Aufführung von Giuseppe Verdis Il Trovatore. Als Stargast hat man sich Anja Harteros geschnappt, die hier zum ersten Mal in ihrer Karriere die Leonora singt. Und wie! Ihr Sopran schraubt sich in stratosphärische Höhen, bleibt dabei stets klangvoll und sicher in der Linienführung. Wie warm das Timbre, wie geschmackvoll die Phrasierung. Man hängt an ihren Lippen und bekommt butterweiche Knie. Für mich steht nach Requiem, Otello und Simon Boccanegra in Berlin, La Traviata in München und nun diesem Kölner Troubadour fest: Eine bessere Verdi-Sopranistin als Harteros gibt es derzeit nicht. Aber auch Giuseppe Gipali (Manrico - eine sauschwer zu singende Partie), Anthony Michaels-Moore (Graf Luna), Andrea Edina Ulbrich (Azucena), der von Andrew Ollivant einstudierte Chor und das Gürzenich-Orchester unter der Leitung von Markus Stenz gehen so engagiert und brillant zur Sache, dass man sich als Hörer seines Glückes freut und erst gar nicht der Versuchung erliegt, diese verschwurbelte Geschichte zu verstehen.

Sonntag, 27.02.2011: Ich lasse nichts aus, versuche mein Glück und stelle mich an die Opernkasse, um vielleicht noch ein Ticket für das diesjährige Cäcilia-Wolkenburg-Gastspiel Die kölsche Witwe (sehr frei nach Lehár) zu bekommen. In letzter Minute schlüpfe ich rein, kann aber dann nicht bis zum Ende bleiben und mache mich auf den Weg zur Trinitatiskirche. Der Kontrast könnte größer nicht ausfallen: Hier das unbeschwerte Gackern, dort die Vertonung einer Novelle von Henry James, die einem das Gruseln lehrt. Helen Donath, die „Golden Rose of Texas“, gibt die Mrs. Grose in The Turn of the Screw. Es ist beachtlich, mit welch intakter Stimme und zäher Kondition Donath ihre Partie meistert. Nichts da mit den typischen Abstrichen, die man sonst bei einer Opernsängerin um die 70 machen muss (Markieren, Manierieren, Grimassieren): Donath erklimmt die Höhen ohne jede Schärfe und liefert ein fesselndes Porträt der Haushälterin ab. Claudia Rohrbach ist als Gouvernante bestens besetzt. Sie hat diesen Charakter zutiefst verinnerlicht und bezaubert mit glockenheller Stimmfarbe. Auch Jan Paul Albers (Miles) geht mit seinem Knabensopran beim Zuhören sofort unter die Haut. John Heuzenroeder überzeugt mit seinem melodischen Quint. Ji-Hyun An singt die Flora souverän. Nur Adriana Bastidas Gamboa fehlt das Verführerische, Abgründige der Miss Jessel. Regisseur Benjamin Schad passt sich der gotteshäuslichen Umgebung an, will manchmal zu viel auf einmal und schießt mit seinem Aktionismus ein wenig übers Ziel hinaus. Das Gürzenich-Orchester spielt unter Raimund Laufen einen glasklaren, kultivierten Britten auf.


Heiko Schon - red. 2. März 2011
ID 5080

Weitere Infos siehe auch: http://www.operkoeln.com


E-Mail an den Rezensenten: hschon@kultura-extra.de



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