10. Dezember 2011, Premiere an der Oper Leipzig
MACBETH
|
Verdis MACBETH an der Oper Leipzig - Foto (C) Andreas Birkigt
|
Neben dem Mann im roten Anzug hat sie zur Adventszeit wohl am meisten zu tun: die Hexe. Landauf, landab muss vor allem Rosina Leckermaul an diversen Stadttheatern die Ärmel hochkrempeln, um Kinder in Lebkuchen zu verwandeln - und eine leere Kasse in eine volle. Die Oper Leipzig schielt in dieser Saison mit den Weihnachtsmännern Shakespeare und Verdi eher auf die Erwachsenen. Was nicht heißt, dass es keinen Hexenritt gibt. In Peter Konwitschnys Macbeth-Inszenierung (welche 1999 in Graz heraus kam und nun nach Leipzig importiert wurde) stehen die hakennasigen Hausfrauen nämlich im Mittelpunkt des Geschehens. Nach der Ouvertüre treffen sie sich zu einem Kaffeekränzchen der besonders schwarzhumorigen Art, erzählen sich ihre neuesten Schandtaten und nehmen, ganz nebenbei, Verdis Musik gehörig aufs Korn. Es ist einfach nur göttlich, diesen spiel- und sangesfreudigen Chorsolistinnen bei ihrer Arbeit zuzusehen, zuzuhören. Michaela Mayer-Michnay steckt sie in Stiefeletten und bunte Jäckchen, Jörg Koßdorff hat eine komplett ausgestattete Hexenküche mit Kühlschrank, Waschmaschine, Dunstabzugshaube und riesigem Schnellkochtopf auf die Bühne gezaubert.
Dieser Verdi steht also im Dienste des Spaßes, was doch eher ungewöhnlich für Konwitschny ist. Zwar taucht die Brecht-Gardine doch noch auf, wird die (gerade jetzt aktuelle) Ein- Despot-klammert-sich-an-seine-Macht-Thematik aufgegriffen, geht es nicht nur um die Frage der Schuld, sondern auch um die der Mitschuld - und dennoch: Es ist wohl in keinem Macbeth zuvor so gelacht worden, wie in diesem. Wer schmunzelt nicht, wenn eine Hexe den Minirock lupft und einen Cancan im Geiste Offenbachs zum Besten gibt, wenn ein Leben im roten Konfetti-Nieselregen endet oder sich König Duncan vor seinen Hofschranzen bettfein macht, aber die Krone nicht hergeben möchte? Im zweiten Akt merkt man dann deutlich, dass die kräftig zupackende Regiehand Konwitschnys fehlt. Der Abend wurde nämlich von Dramaturgie und Regieassistenz einstudiert, da der Chefregisseur seit einigen Wochen aufgrund chronischer Erschöpfung - auch Burnout genannt - im Krankenhaus verweilt. Unter diesen schwierigen Umständen haben Heide Stock und Verena Graubner ihre Aufgabe gut gemeistert. Und bevor das jetzt vergessen wird: Verehrter Herr Konwitschny, ich wünsche gute Besserung!
Ulf Schirmer untermauert seinen Ruf - wie sollte es anders sein - als Mann, der sich gern Zeit lässt. Im Grunde mangelt es diesem Macbeth weder an Kraft noch klanglicher Brillanz. Schirmer strukturiert den jungen Verdi, schafft Gliederungen, fast Abteilungen. Aber unter seinem Dirigat geht dieser düsteren Oper jedweder Nervenkitzel ab. Das Finale erster Akt - verpufft! Die Kavatine der Lady und Banquos große Szene - viel zu defensiv! Schade, denn am Spiel des Gewandhausorchesters gibt es in technischer Hinsicht wenig zu beanstanden. Amarilli Nizza ist eine stimmlich schlanke und eher schön singende Sopranistin. Ihre Lady ist also kein Hausdrachen mit gellenden Tönen, sondern eher der Typ einer Kämpfernatur mit hochgeschnalltem Dekolleté. Der Macbeth trumpft mit Volumen und rauem Fundament auf: Marco di Felice steht seine Partie bis auf die Schlussarie, welche vielleicht ein Quäntchen mehr Balsam à la Renato Bruson vertragen hätte, ordentlich durch. Bei der übrigen Besetzung sticht der sonore James Moellenhoff hervor, negativ fallen nur die abgeknickten Tenorspitzen von Giuseppe Varano auf.
|
Verdis MACBETH an der Oper Leipzig - Foto (C) Andreas Birkigt
|
Heiko Schon - red. 11. Dezember 2011 ID 00000005531
MACBETH (Oper Leipzig, 10.12.2011)
Musikalische Leitung: Ulf Schirmer
Inszenierung: Peter Konwitschny
Bühne: Jörg Koßdorff
Kostüme: Michaela Mayer-Michnay
Dramaturgie: Bettina Bartz, Bernd Krispin
Szenische Einstudierung: Heide Stock, Verena Graubner
Licht: Jörg Koßdorff, Michael Röger
Besetzung:
Duncan … Bert Franzke
Macbeth … Marco di Felice
Banquo … James Moellenhoff
Lady Macbeth … Amarilli Nizza
Kammerfrau … Jean Broekhuizen
Macduff … Giuseppe Varano
Malcolm … Norman Reinhardt
Arzt / Mörder / Diener … Milcho Borovinov
Drei Erscheinungen … Eliza Rudnicka, Catrin von Rhein, Katerina Banse
Fleance … Aron Kubel
Leibwächter … Steffen Domke, Sebastian Gosch
Chor der Oper Leipzig
(Einstudierung: Alessandro Zuppardo)
Gewandhausorchester
Komparserie der Oper Leipzig
Premiere: 10.12.2011
Weitere Vorstellungen: 15.12.2011, 04.02., 14.04., 27.04.2012
Weitere Infos siehe auch: http://www.oper-leipzig.de
Post an den Rezensenten Heiko Schon
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
DEBATTEN & PERSONEN
FREIE SZENE
INTERVIEWS
PREMIEREN- KRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
RUHRTRIENNALE
TANZ IM AUGUST
URAUFFÜHRUNGEN
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|